Volltext Seite (XML)
Die9^rkolaikirche Güdportal uu^ 92^oIIerjjn^e Martin Faber, eigentlich Schrnidt, der letzte IZ2O verstorbene katbo- lische Pfarrer vor der Reformation, war offenbar ein sehr frommer nnd bescheidener, aber eigenartiger Mann. Bevor er in das jetzige Pfarrhaus an der Peterökirche zog, hatte er bereits 1,508 die 1600 Morgen große Pfarrwidemut, zu der ein Vorwerk, Felder und Wiesen um die Nikolaikircbe gehörten, die bis in unsre Zeit hinein „Grassack" hießen, für den Preis von 26 (!) Mark an den Rat der Stadt verkauft. In der Vollendung derNikolaikirchc, deren Bau seit 1.51.5 wiederum mit Nachdruck betrieben wurde, sah er sein Lcbenswerk, und er stiftete das schöne Portal, das zwar durch den Brand von 1717 arg be schädigt wurde, aber doch noch bis auf unsre Zeiten eine Zierde des Südeinganges der Kirche bildet. Vor dieses Portal mnßte ans seinen Wunsch sein Grabstein gelegt werden, damit jeder, der die Kirche be tritt, darüber binwegscbreiten müsse. Zwei Stabsäulen mit Kopfgcsims rahmen den Türbogen ein und tragen zwei heute stark beschädigte Spitzbogen, in denen zähne fletschende Hunde, deren einer erhalten ist, saßen. Den obersten Stab der Türumrahmung bildet ein Ast, von dem wieder je zwei andre Äste ausgehen, deren kurze äußere Stümpfe zierliche Kragsteine mit deu Figuren der Titularheiligen St. Nikolaus und St. Katharina unter Baldachinen tragen. Die zweiten Nebenäste umschließen ein viereckiges Hochbild, unter den» rechts und links in den Zwickeln als Füllungen teuflische Tiere liegen — das eine mit einem Menschenkopfe. Das Hochbild selbst stellt in erhabener Arbeit eine Krcnzigungs- gruppe dar: Ebristuö zwischen den Schächern, Maria und Johannes am Kreuzesstamme, und neben ihnen rechts den Hauptmann Longinus mit Schild, links Nikodemus mit spitzer Mütze. Die unteren Ecken werden von zwei Betenden, einem Manne und einer Frau, ab geschlossen. Der ganze Ausbau wie seine Einzelheiten bilden eine schöne, be achtenswerte Arbeit der ansklingenden Gotik, die mit ihrem Anklingen an natnralistiscke Grundsätze für Görlitz gewissermaßen einen letzten Gruß der späten Gotik mit ihren vielen phantastischen Gestalten an die bereits im Anfkeimen begriffene Frührenaissance bedeutet. Und Wendel Roskops, der berühmte Schöpfer unsres alten Früh- renaissance-Portals am Schönhose »nd der Rathaustreppe, soll ja auch hier tätig gewesen sein — ein Übergang in Person nnd Stil! —, wenn man auch Genaueres nicht nachzuweisen vermag. Die Nikolai- kircke wird von einem Friedhöfe umgeben, dessen alte, köstliche Denk mäler unter schattendem Baum- und Strauchwerk ein einsames Paradies für Kunstkenner und Laien bilden. Da rnbt der Schuster nnd Theosoph Jakob Böhme — heute freilich unter fast allzu modernen» Grabsteine, da stehen die herrlichen altersgrauen Grüfte der Emerick, Gehler, Gobins, um dessen Gruft sich die Gage vom Nachtschmied rankte, und unzähliger anderer mit ihrem Denk- malsschmucke, ihrer Architektur und schmiedeeisernen Gitter», von Männern, die früher so recht eigentlich die Bildner der Görlitzer Ge schichte waren; da steht am Grabe des alten Pastor primarius Moller die mächtige, sagemnnwobene Mollerlinde, ein Bann», der im Jahre 1606 gepflanzt wurde und schon 18.56 die fürsorglichen Bürger dec Stadt zu besonderen Maßnahmen veranlaßte, um den wertgeschätzten Liebling auch in seinem hohe», Alter zu erhalten. Schwere Wunden hat ihn, die Zeit geschlagen, manch einen stattlichen Ast fällten Alter nnd Sturm, aber noch grünt nnd blüht der uralte Stamm in seinen Wipfeln, und die Vöglein des Himmels singen nnd wohnen unter seinen Zweigen. —