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Frauenkirche Portal und Orqelbilhne Friedrich voll Biberstein konnte kannl ahnen, was ans seiner Sühne kapelle die opferbereite Hingebung an das Heiligtum „Unsrer lieben Frau" macken würde. Aus der Kapelle ward eine Kirche, die bereits die späte Gotik äußerlich und innerlich zu einem Bau ansgesialtete, der in der Form seiner Säulen an die PeterSkirche erinnert, und mit seiner nickt überwältigenden Größe doch in» ganzen wie im einzelnen einen feierlichen Eindruck anslöst, der durch die treu gebüteten Reste alter Baukunst und Steinbildbanerci noch geboben wird. Läßt auch das brandende Lebe»! des Verkehrs, das sich an seiner ge weckten Pforte brickt, nickt diejenige stille Versenkung in den Geist entschwrindencr Zeiten zu, wie ibn der alte Friedbof, der mit feierlicher Stille das schöne Portal mngab, einst noch steigerte, so sieben wir doch auch heute staunend vor der eigenartigen Wirkung der Westfront, die das gedoppelte Tor mit dem in englischem Geschmacke der Zeit darüber sich öffnenden monumentalen Fenster ausübt. Umrabmt von den wuchtigen Unterbauten des dem Mittelschiffe in wechselndem Aufbau vorgelagerten WesiturmeS fesselt das reich ansgesiattete, von einem flocken, eindrucksvollen Bogen überspannte Doppclportal den Blick. Drei Fialen flankieren den Vberban beider Türen mit dem „Frauen schuh" und den Wimpergen, die den Bekrönungen des Rats- und des eigentlichen Ehorgestickls ans der Dreifaltigkeitskirche, besonders des ersteren, fast wie ein Ei dem andern bis in Einzelformen gleichen (vgl. S. ig und 20) — bier Sandstein, dort Holz. Selbst die im obersten Teile des Schaftes geknickten Säulen — eigentlich ein Widerspruch gegenüber dem Tragedienst der Säule — sind merkwürdigerweise beiden gemeinsam. Und die kleinen, reizvollen Engelchen, die die Seiten der Türöffnungen beleben, finden wir in ganz ähnlicher Weise in der Bekrönung der gotischen Türe des Magrstratssitzrmgssaales wie an dem Votivbilde vom Dbermarkte von wieder (vgl. G. 41 «nd 57). Zwischen den Wimpergen steht, durch die mittlere Fiale geteilt, eine VerküttdignngSgruppe auf zwei Konsolen, die aufs engste mit denen des Nikolaus und der Katbarina am Südportale der Nikolaikircke von 1519 verwandt sind, nnd mit ganz gleichen Baldachinen — Maria, die am Betpulte dem verkündenden Engel Gabriel den Rücken drebt, wendet, erschreckt und ergriffen von der Erscheinung, den Kopf nach ibm bin —, eine Verkündigung, die in ibrem Entwürfe völlig verschieden ist von der an der Annakapelle von 1512 (Seite Z7). Der derbe Humor der Zeit hat in den Zwickeln der Archivolten, die mit Krabben geschmückt sind, über beiden Türen nnd an» flocken Bogen Hundegruppen dargestellt, die zu allerhand Deutungen der Absicht des Steinmetzen Veranlassung gaben. Ein Blick in das Innere der Kirche zeigt uns auf den Säulen des Triumpbbogens weitere Steinmetzarbeiten, nämlich mehrere Köpfe: eines Mannes, des Moses, eines Narre», und eines plärrenden Mönches, neben andern. An der linken Wand eine von der Vber- sakristei ans vorgeschobene prächtige Kanzel. Ganz besonders aber fesselt das Auge das in feiner, durchbrochener Arbeit geschaffene Brüsimigögelättder der Drgelbübne, die sich auf einen Mittelpfeiler zwischen zwei gotischen Bogen stützt, entsprechend dem doppelten Portal. An diese», Rrittelpfeiler siebt auf einem Kragstein in balber Lebens größe Maria mit dem Christuskinde, die Sckutzbeilige der Kirche, „Unsre liebe Fran", den Blick nach dem Ehorramne gerichtet, eine Figur aus Stein, die nicht empfindet, daß die heutigen Andächtigen von ibr abgcwendet ein andrer Inhalt des Gottesdienstes eint, wie zur Stunde ibrer Schöpfung von Görlitzer Meisterhand.