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Der Marstall voir 4501 lllid 1750 Bald narb ibrer Gründnng wird unsere Stadt Görlitz ein Gebäude errichtet baben, dessen sie für ibrc Reit- und Zugpferde bcuötigte. Von dem 2lnsscben der älteste« Gebäude, von deneu das eine auf der Lauge« Gasse lag, wisse« »vir nichts. Erst von ciucui dritte« Haufe, das bei seinem Abbruch im Jahre 1750 aufgemessen wurde, können wir uns an Hand dieser Zeichnung eine Vorstellung machen. Im Jahre 1501 wurde eö gebaut; es lag „hinter den Mönchen", das beißt zwischen dein Kloster nnd der Stadtmauer, die vom Frauentorc nacb Osten zn lief. Hier zog sich, von der Steinstraße ausgehend, um die Klostermanern bermn bis zum Schwibbogen die alte N^onncngasfc. An ihr stand mit der Stirnseite nacb I7ordcn der neue Marstall, dessen breites Einfahrtstor in einen gepflasterten, auf Pfeilern ruhen den, gewölbten Raum führte. Das Licht erhielt er von der Hinter- und Vorderseite durch je zwei Fenster, während eine zweite Tür auf den dahinterliegenden Hof führte. Über dem Stallranmc war die Wohnung fiir den Vorsteber, den „Marstaller", wie er in den NatS- recbmmgen heißt. Hinter dem Hofranm enthielt ein zweites, ebenfalls gewölbtes Gebäude Vorräte an Heu und Getreide. An diesem Hause ging die Fcuergassc entlang, die an der südlicbcn Seite von der Stadt mauer, der hier eine Bastei vorgelegt war, abgeschlossen wurde. Dann folgte dec Zwinger, der an dieser Stelle später „Rähmhof" hieß. Längs dieses Grundstückes zog sich vom Kloster aus zur Stadtmauer ein alter Gang, von dem der Chronist fcbreibt: „Anno i gab das Kloster der Stadt den Turn, an der Stadtmauer, dagegen bekam das Kloster eine Latrine über dem Marstall: damit mm die Mönche dabin aus dein Kloster gemächlich geben könnten, ließ der Rat von der Klostermaner binüber an den Marstall einen breiten gewölbten Gang macben, der aber 1750 eingecissen wurde." Im Jahre 1750 mochte das Gebäude den Anforderungen nicht mehr genügen; es wurde daber, wobl unter Benutzung der Grundmauern, nengcbaut. Der erwäbntc Gang wurde fortgenonunen und das Hans nm dessen Breite vergrößert. Statt der beiden Fenster im Erdgeschoß erhielt es deren je zwei, aneb wnrden zwei Stockwerke aufgesetzt. Über dem Rundbogen der Einfahrt setzte man einen Schlußstein, auf dem em springendes Pferd den Zweck des Hauses erkennen ließ. Auch das Hintergebäude wurde wenige Jahre später abgerissen und in größerer Form anfgebant. Die im Laufe der Iabre zur Ruine gewordene „Franzosenbastei" wurde im Iabre 1824 als Magazin eingerichtet. Hatte die Stadt bis dahin den Marstall in eigener Verwaltung, so gab sie ibn vom Iabre 1621 ab in Pacht. Am i<). Januar 1855 nun ereignete sich ein schwerer Unglücksfall, der das Schicksal des Ge bäudes besiegelte. An der östlichen Seite lagen die Küchenräume, die mit Ziegeln gepflasterte Fußböden über Holzbalken hatten: außerdem stand in der einen Küche ein schwerer Backofen. An genanntem Tage gab die Decke plötzlich nach, nnd die Küche des unteren Stockwerkes stürzte in die Tiefe, das Obergeschoß teilweise mit sich reißend. Die 15jährige Tochter des damaligen Pächters, des Lohnkutschers Leb mann, wurde uuter den Trümmern begraben und konnte nur als Leiche geborgen werden. Zehn Tage später verkaufte die Stadt den Marstall, der ihr mehrere Iahrbnndertc gedient hatte, auf Abbruch. Die westliche Hälfte er warben die Kaufleute Fritsche nnd Letsch, die dort alsbald durch Maurermeister Gock nnd Zimmermeister Bergancr zwei große Wohn häuser errichten ließen, die im Iabre 1864 auch Vcrkanfsläden er hielten. Der Nest sonne ein Streifen des st^ackbargrundstückes wnrden zur Straße ausgebant. Auf dem übrigen Teile dieses schon im Iabre ill.47 erworbenen Grnndstückes ließ die Stadt ein neues Mittelscbul- gebände errichten, dessen feierliche Einwcibnng am i li. Oktober 1875 stattfand. — So ist von diesem alten Gebäude, dessen Geschickte sieb über vier Iabrbnndcrte verfolgen läßt, nichts mebr geblieben.