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Der Obermarkt 1792, von Gock Schon einmal, auf Seite 80, hat uns der ehemalige Stadtverordnete Nlaurermeister Sock in einem Bilde das Leben und Treiben in unsrer Stadt vor reichlich 100 Jahren aus Anlaß einer besonderen Be gebenbeit geschildert. V5ar es damals der Ilntcrmarkt, den er vor unser« Augen crsteben ließ, so hat er in nebenstebendem Bilde, dessen Original gleich dem vorigen in unserm Museum hängt, den Ober markt oder, wie er damals hieß, den Neumarkt gewählt. Es ist die Zeit des Pfingstfestes; ans Anlaß des zu dieser Zeit abge haltenett Marktes babcn zahlreiche auswärtige Kaufleute mit ibren hohen zweiräderigen Karren die Stadt aufgesucht »nd bieten hier ihre Mmren feil oder kaufen neue ein. Zu gleicher Zeit hält die Schützen gilde, vom Ilntermarkt kommend, ibren Auszug mit klingendem Spiele. Die Scheibenträger sind soeben in die Steinstraße eingebogen; ihnen folgt der lange Zug der Scbiitzcn, in ibrcr Mitte die alte Fahne tragend. Die Bürger der Stadt in ihrer malerischen Tracbt scbanen diesem Auszuge mit freudiger Aufmerksamkeit zu und begrüßen bicr und da einen ihrer Bekannten oder Verwandten, der die Ehre hat, der Schützengilde anzugehören. Auch in unserer Zeit nebmcn die Schützen noch denselben Weg, aber den Eindruck des Gemütlichen und Behaglichen, so wie es unser Bild hier zeigt, erhalten wir nicht mehr. Es war eben eine andere, ruhigere, weniger hastende Zeit als die unsrige. Besonders aber waren es die prächtigen Bauten mit ibren hohen, lebhaft gegliederten Giebeln, mit ihren schönen Portalen und Auslegern, die den passenden Hintergrund für ein solches Fest bildeten. Da scben wir zunächst an der linken Seite die alte Hanptwacbc, vor der die Wachmamlschasten präsentierend angetrctcn sind; sie wurde im Iabrc 184? abgebrochen. Dann folgt das Salzhaus, dessen Be schreibung wir auf der vorigen Seite gaben, mit seiner zweiteiligen westlichen Treppe. Hinter diesem schaut das Vordergebäude der Fleischbänke mit seinem Symbol, dem liegenden Stier, bervor. (Siehe auch Seite 18.) Nnn blicken wir in die Brüderstraße, an deren linken Seite das Rathaus mit hoben» gotischen Giebel und fein gegliedertem Tnrme den Abschluß bildet. Zhm gegenüber zeigen sich die Lanbenöffnnng nnd der Erker des Schönbofs, teilweise verdeckt durch das Hobe Höerscbe Haus (Abbildung auf Seite 87). Der schlanke Turm, der „Mönch", nimmt die Mitte unseres Bildes ein; ihm gegenüber sehen wir die dnnkle Silhouette des Landsknechts brunnens, der bellte im Winkel am Schwibbogen stebt. Der Kloster kirche sind noch die kleinen Verkaufsbuden vorgebant, die im Zabre 184» abgebrochen wurden. Dann kommen jene wrrndervollen Giebelhäuser, deren vornehmes und stolzes Ansseben den Reichtum des 16. und 17. Zahrhunderts wider spiegelt. Die vier ersten batten wir schon auf der vorigen Seite be trachtet; mm folgen noch zwei weitere mit hohen Giebeln. Das eine mit drei, früher vier Giebeln gehörte der Familie Moller v. Möller stein, deren Wappen noch beute an diesem Hanse zu seben ist. Das folgende Hans, Ecke Obermarkt nnd Stcinstraße, trug frichcr an der gewölbten Decke des Hansflures das Prcibisiussche Wmppen. Diese Familie wurde im ^abre 1627 geadelt; einem Nachkommen gehörte wobl das schöne Hans. Das andere Eckbaus, heute Rtcirowsky, hatte schon damals seinen Giebel verloren, der einem schlichten Mansarddacbe Platz machen mnßte. Das letzte Hans zeigt noch die Formen der früben Renaissance. Ilm die Mitte des vorigen Jahrhunderts war bier der „Preußische Hof", in dem vom 21. zum 22. Zum 1855 der Prinz von Prcnßen, der nachmalige Kaiser Wilhelm f., wohnte. Vergleichen wir mit dem nebenstehenden Bilde das ans Seite 18, so müssen wir gestcben, daß sich die Südseite des Obermarkteö in den etwa 50 folgenden Jahren nicht zu ihren, Vorteile verändert hatte.