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Die Sonne ging zur Brüste, nnd tiefe Dämmerung rnht über der UMS Fahr 1000 Stadt. Jeebel steigen aus der Neiße empor und hüllen die Peters- kirche mit ihrer ganzen Umgebung in dichte Schleier. Des geräuscb- vollen Tages Stimmen schweigen — und nur der alte steile Ton- scbieferfelsen bebt sicb düster rrrrd scharfkantig über dem Nikolaigraben vom schwach erhellten Abendhimmel ab. Das ist die Stimmung und Stunde des Träumens, des Zurück träumens in entlegene Jahrhunderte und Jahrtausende. Und wir träumen mit dem sehenden Auge des Geistes. Zweiundeinhalbes Jahrtausend führt uns der wache Traum zurück. Stolze Gestalten gehen hier ab und zu, bekleidet mit prächtigen, farbigen Wollgewändern, bewaffnet und geschmückt mit gold blinkenden Bronzewassen und Bronzeringen, hier und da mit einem Eisenschwert. Nach des Tages ernster Ackerarbeit sitzen sie vor ihren sauberen Hütten am Hange des heutigen Friedbosberges und blicken herab aus die alte Gräberstätte am Flusse zu ihren Füßen, wo seit Jahrhunderten ihrer Almen Gebeine, von der Flamme des Scheiter haufens verzehrt, in schön geformten Tonnrnen, umgeben von reichen Beigaben an Schmuck, Speise nnd Trank in zierlicher« Gesäßen, von Franenhand geschaffen, ruhen. Schwere.Kämpfe mit reisigen Feinden haben getobt, aber sie vermochten obzusiegen, gestützt ans den mächtigen Burgwall da drüben, den seine Steile und zwei Flußläuse schützten, einen Wall, den sie auf sichernder Höbe aus mächtigen, fest verankerten Lagen von Eichenbolz und Stein in jahrelanger Arbeit schnsen. Was blieb von ihnen und ihrer schönheitsreichen und ruhmbewegten Zeit? — Wenige Urnen aus diesem alten und noch bis i noo Jahre älteren Gräberselde im Norden unsrer Stadt am Strand unsrer Neiße, während die Mehrzahl dieser ältesten, wenn auch un geschriebenen Urkunden der Görlitzer Flnr aus Unkenntnis ihrer hohen Bedeutung beim Wegebau der verbesserten Straßenarrlage nach Ludwigsdors aus den Weg geschüttet und zerfahren wnrden! — Aber eine der ältesten Urnen dieser Zeit ist erhalten: eine Buckel urne prächtiger Form, die unser Bild zeigt, eine Arbeit der mittleren Bronzezeit nn, i.--><><> vor Ehristi Geburt, ohne Drehscheibe geschaffen — ein vereinzelter Gruß eines starken, mächtigen, kulturreicbeu Volkes an die in» ,;4"" Fahre jüngere Nachwelt! — Uber zweitausend Jahre waren vergangen, seit diese Buckelnrne mit den Gebeinen eines edlen Toten der heimatlichen Scholle auf unsrer Flur airvertrant wurde, — und nichts mehr erinnerte an Leben und Treiben jener alten Zeit. Fbre Siedlungen waren verschwunden, die Grabhügel eingesunken, und unr ans dein alter» Burgbügel er innerten die mächtigen Holzbauten des Schrrtzwalles der aus gewanderten oder vertriebenen Völker mit ihren teils verbrannten, teils vermorschten Trümmern an verschollene Kämpfe, an versunkene Lebensherrlichkeit. Slavrscbe Scharen zogen ins Land nnd besetzter» die lachenden Fluren an unsrer Neiße und Lrruitz mit niederen Strob hütten, deren Siedlung sie nach den» mächtigen Brrrgbügel, der sich über ihnen wölbte, mit seinen verbrannten riesigen Holzmauern den Namen „Brandstätte", in damaliger wendischer Sprache „Zgorelic" — „Görlitz" gaben. So entstand das alte Dors Görlitz mit seinem Namen an der Mündung der Lnnitz irr die Neiße: rrrrd wenn wir fragen, wie es mrrs Fahr r «><><> ausgeseben haben »nag, so können wir das bis ins einzelne nicht sagen, wohl aber ist es keine Phantasie, wenn wir rmö davon in ganz allgemeinen Zügen ein Bild „rachen, wie es die Künstlerhand Engelbardt-Kyssbäusers schildert: ans dem „Burgberge", wo beute die Peterskircbe tbrorrt, der große Wall mit altem Baumbestand — ebenso, wie solche Wälle an andern rrrrbesiedelterr Orten ans der Mitte des letzten vorchristlichen Fahrtarrsends noch stehen, — und an seinem Fuße ärmliche Hütten ans Holz rrrrd Stroh, zwischen denen eine Mühle mit altem, rmterschlächtigem Rade die ärmliche Eintönigkeit der Siedlmrg rmterbricbt: das alte wendische Dorf Görlitz.