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Das Rathaus Archivflügel von 4534 Gerichtserker von 4564 Dem Ilm- und Neubau des Rathausturms, der im Jahre i.^io eine sieb über mebrere Jahrzehnte binziebende Bauperiode einlcitete, folgte im Jahre i^Z4 der Ban des )lrchivflügels, der friiberen Kanzlei. Dieser verband den schmalen Vorraum des Prätoriums mit dem Ratssaale, der durcb jene kleine Tür vom Iabrc i.z66 (Abbildung ans Seite 67) zugänglich war. Heute eutbält er die wertvolle» und unersetzlichen Schätze des Ratsarchivs, dessen Reichtum und spülte erst durcb das lesenswerte Buch des Archivars Professor Di. Iecht „Duellen zur Geschichte der Stadt Görlitz bis i6no" bekannt ge worden ist. Dieses Gebäude nun wurde als erster Teil des Rathauses mit den neuen Formeri der Renaissance versehen, von denen ja schon eine ganze Reibe wohlhabender Bürger seit dem -Brande vom Jahre 1525 Ge brauch gemacht batte. Fast wie ein schüchterner Versuch der Stadt erscheint es, das; diese ncne Wandgliederung an einem verhältnismäßig abgelegenen und der Öffentlichkeit nur selten sichtbaren Teile des Ge bäudes zur Anwendung kommt. IO 1)0 i zZch im Jahre des Herrn i.ZZ4, steht an zwei Sockeln; also kl Jahre ^^er als der Schönhos wurde er erbaut. Die Ähnlich keit nnd Verwandtschaft mit diesem ist unverkennbar; beide zeigen fast die gleiche Gliederung, die gleichen Kapitäle. Einen ganz besonderen Schmuck erhielt der mittelste Fensterpsosten; er ist mit verschiedenen Erzeugnissen des Klmstsleißes und der handwerklichen Tätigkeit belegt: Ilber dem mit einer Scheibe bedeckten Sockel steht eine tragische Maske, darüber ein Panzer, dann ein Schild mit Köcber, ein Zieh brunnen mit Eimer und zuletzt eine Schüssel mit Kanne. Das stark vergitterte Geschoß wird von einem Doppelgewölbe getragen, dessen linke Hssmmg den ArrSgang nach dem hier vorbeigebenden Apotheker gäßchen gestattet. Nach Fertigstellung dieses Flügels folgte im Jahre i.ZZ7 die Kanzel (Abbildung ans Seite 66). Nach längerem Zwischenräume, erst im Jahre 1.564, erhält das Rathaus einen weiteren Schmuck durch die Errichtung eines großen Erkers, der auch Gerichtslanbc oder Gerichts erker genannt wird. Er wird von zwei kräftigen, achteckigen Pfeilern, auf denen die Jahreszahl steht, getragen. Die niedrigen, in die Breite gequetschten jonischen Kapitäle drücken so recht die Schwere des auf ihnen ruhenden weit Vortragenden Erkers ans. Dieser zeigt ähnliche Einzclformen wie der Archivflügel. Im Innern trägt der Erker ein zierliches Gewölbe; steinerne Bänke laden zum Sitzen ein. Drei Fenster öffne» sich zum Hofe und gestatten den Blick auf die finsteren, gewölbten Verliese, vor denen noch eine alte eichene Bohlentür mit Guckfenstercben erhalten ist. Hier wurden die Gefangenen verwahrt, hier standen unheimliche Folterwerkzeuge. Vom Erker ans sprachen Richter und Schöppen ihre Blmnrteile. Wer war nun der Künstler, der diese schönen Steinmetz- nnd Bild- hanerarbeiten an unserem Rathanse geschossen hat? Der Görlitzer Stadtbanmeister war zu dieser Zeit Wendel Roskopf; schon im Jahre iZiki wird er „Meister zn Görlitz und in der Schlesen" genannt. Zuerst soll er den Ilmba» der Nikolaikirche im Jahre 1519 und 1520 geleitet haben. Hierbei kam es zu einem Ilnglücksfalle, was ihn ver anlaßte, Kirchenbanten nicht wieder zu übernehmen. Wenn auch seine Tätigkeit am Rathanse nicht urkundlich nachgewiesen ist, so darf man doch annehmen, daß er die oberste Leitung gehabt nnd der neuen Kunst richtung znm Siege verhelfen hat. Auch nach Löwenberg und Breslau wnrde er gerufen, und an der Gröditzburg bat er viel und lange ge arbeitet. Ilm feinen Namen kristallisiert sich der Begriff „Görlitzer nnd Schlesische Frübrenaissance"; ivir können diese nicht betrachten und beschreiben, ohne an ihren Künder zu denken, an V5endel Roskopf!