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Am DtKl-erkor Weder der Einheimische, noch viel weniger der Fremde kommt heute an die dem Verkehr völlig ferne Ecke des Nikolaigrabens und der Hotherstraße, in den Hirschwinkel. Kein Wunder. Das einzige, was ihm von alter Bedeutung und Schönheit verblieb, ist der massige Eckturm, der einst das Hothertor deckte. Auch er sieht anders aus wie einst. Sein Dach ist niedriger nnd bescheidener geworden und traurig verfallen sein Inneres. Und doch wie wichtig für die Verteidigung war einst die Hotherstraße und ihr Tor, das den Zugang zur Unterstadt von Norden, wie das Ochsentor von Süden sperrte. Wer die Hotherstraße besaß, war schon halb Herr des NeißtoreS. Drum war das Hothertor eins der stärksten Außentore. Schon lZ99 wird an ihm eifrig gearbeitet. Abgesehen von den Schrecken der Hussitenkriege hatte diese Gegend ganz besonders zweimal im Dreißigjährigen Kriege zu leiden: das eine Mal im Jahre 1620, das andre Mal «04«. — Als 1620 Kur fürst Johann Georg I. Bautzen belagerte, war als Verbündeter des Winterkönigs Friedrichs V. der Markgraf Johann Georg von Brandenburg-Jägerndorf narb Görlitz gekommen, um unsre Stadt vor dem Kurfürsten zu sichern. Eine große Schanze — der Name ist geblieben — ließ er am 16. September am Stock- oder Psarrberge, dem beutigen Friedbofe, aufwerfen, wobei täglich r oo Bürger helfen mußten. Zu gleicher Zeit wurde die Brücke am Hothertore ab gebrochen und das Tor verrammelt. Ein Galgen, der auf dem Ober markte errichtet war, zeugte von dem Ernst der Lage. — Aber schon 1621 wurde die Hotherbrücke wieder hergestellt. — Schlimmer erging es der Hotberstraße «64«, wo Tor und Straße entsetzlich unter dem Feuer und dem erfolgrcicben Sturme der Kaiserlichen zu leiden hatten. Selbst nacb ibrer Vertreibung blieb der Zugang zur Straße gesperrt nnd war »ur durch ein Schiebepförtchen nach der Müble gangbar. Bei der Lobmüble sperrte ein Graben mit Zug ¬ brücke die ganze Straße, ans allen Hinterkäusern standen Fässer mit Steinen, nnd in die Hänser waren Scbießscbarten gebrocken worden. Außerdem batten die Scbweden tiefe Wolfsgruben bis in die Keller gelegt, über die man nnr aus einen« scbmalen Brette geben konnte. Mit Bränden fncbten die Scknvcden die Kaiserlicken zu vertreiben, die Kaiserlicken den Scbweden mit Minen gegen die Vierraden- müble beizukommen. — Nack Beendigung des Krieges erbolte fick langsam die sckwer be troffene Hotherstraße, bis zwei weitere furchtbare Brände sie aufs neue in Not nnd Elend brackten: der von 169«, dem anck die ^eters- kircke zum Opfer fiel, und der von 1 807, der nemnmdvicrzig Häuser vcrnicktete und bnndcrt Familien obdacklos «nackte. Zwiscken beiden Bränden liegt die Zeit, in der unser Bild entstand, das «ms an eine so entlegene, aber so «naleriscke nnd eigenartige Stelle nnsrer Stadt fübrt. Zn seine»«« Verständnisse vergleicken «vir am besten die Bilder Seite 7, und 7. Ans dem ersterer« seben «vir an unsrer Ecke den Knttelbos mit seinen Bogen, der 1691 verbrannte nnd nickt «nieder ausgebant wnrde. Seine Annie mit den großer« Bogei« am Fuße finden wir ans «mserni Bilde «vieder. Sie liegt dicht am ebcmaligen Hotbertor, das erst 182kl trotz des bestigsten Widerspruckes der Anlieger abgebrocben wnrde. Die Hotberbrücke fristete nock länger ihr Leben, bis die Straße 1853 bis 1858 reguliert und sckließlich «86« der Nikolaigraben vorn Hotbertore bis zur Teickmüble überwölbt nnd planiert wnrde. Der Blick ans die alter« Häuser der Hotberstraße, an den Fuß der Peters- kircke brngesckmiegt, rind am jenseitigen User ans die Gerberbäuser der Breslauer Straße, denen sick der dicke Turm des Spitteltors und die eben erneuerte Heilige-Geist-Kircke anschließen, verleiht dem eigen artiger« Bilde einer« rmgewöbrrlicken Neiz.