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Die steinernen Wappen Zwei große Wappen aus Stein schmücken hervorragende Stellen unsrecStadt. Beide sind ans der zweitenHälste des iZ.Jahrhunderts, das eine von 1477, das andre von 1488 — in der Größe ähnlich, in der Veranlassung ihrer Entstehung »nd der Art ihrer Ausführung grundverschieden. Das eine stammt vom Frauentore, wo es von i477 bis 1848 den Ein gang zum Hanpttore zierte, um dann 185z vom Maurermeister Gock an seine fetzige Stelle nach Abbruch des Tores versetzt zu werden. Das Wappen selbst kennen wir ans dem Wappenbriese Kaiser Sig munds vom Fahre i4ZZ. Kann» war es zur Freude der Görlitzer ein- getrossen, da wollten gar viele es nicht nur im Archiv anfbewahrt wissen, sondern es mit Stolz allen und jedem, besonders dem Fremden, vorweisen. Der .Bürgermeister Frauenbnrg, ein Freund baulichen Schmuckes wie sinniger Verse, mag wohl sür die von ihm erbaute Bastei am Franentore den Austrag des Rats veranlaßt und geleitet haben. Der Maler Meister Loren; hat es in Sandstein gehauen, treffend in den Hauptsachen, aber ohne sich in Einzelheiten an das Original zu halten (s. S. 4). Das auf dem Wappenbriefc in maleri scher Weise schräg gestellteSchild steht hier steif nndgrade und erscheint, statt vor einem fein gemusterten Hintergründe, von gotischen Ranken umgeben — ganz abgesehen von andern Abweichungen. Die Esels rücken nnd Fialen entsprechen gradezu bis in Einzelheiten denen über den Portalen der Frauenkirche. Eine besondere Zutat hat das Wappen erhalten durch die Hinzufügung von zwei Heiligenfiguren üblichen Stils: der Mutter Gottes und der Heiligen Barbara unter schmaleren Bogen als das Wappen. Magister Franenbnrg hat, seinen sonstigen Gewohnheiten getreu, noch eine Inschrift nnter das Wappen setzen lassen, die mit diesem selbst natürlich nicht das Mindeste zn tun bat, aber so schön gewählt ist, wie das dem scntcnzenfrohen Bürgermeister nie besser geglückt ist: „ Invin virtuti nnlln 68t vis. 1477. Für Tüchtigkeit gibt cs überall einen Weg!" — Mit diesem einladen den Mahnrufe empfing nach dem Willen des Bürgermeisters die Stadt Görlitz jeden Fremden, der durch das Frauentor die Stadt betrat. — Elf Jahre später hatte die Stadt Veranlassung, wieder ein Wappen in ähnlicher Größe fertigen zu lassen. Es war ihr sehr daran ge legen, um zahlreicher Privilegien wegen nnd im Kampfe mit Hans von Sagan sich die nachdrückliche Unterstützung des Königs Matthias Eorvinns und seines LandvogtS nnd Vertrauensmannes Georg von Stein zu sichern. Dieser hatte die Ortenburg in Bautzen mit Liebe nnd Eifer wicderbergestellt und an ihr eine hervorragende figürliche Darstellung des Königs anbringen lassen mit der Inschrift I 1VistItis8 üex — Inno 1486. — Der Rat von Görlitz glaubte beiden nichts wirksameres antnn zu könne«, als daß er, vielleicht gar angeregt vom Landvogte, überraschend etivas Ähnliches schuf. So entstand wohl das prächtige Wappen des Matthias Eorvinus am Rathause, das 1488 beendet war. Was sollen wir an ihm mehr bewundern: das Wappen selbst in seiner gediegenen Ausführung, oder seine Stellung ans einem Löwen zwischen zwei Wappenhaltern, von denen besonders der gewappnete Ritter ein vollendetes Meisterwerk ist —, oder den Hintergrund, oder die schweben den Engel mit der Krone? Ein einziges Mal begegnen wir in Görlitz in zwei Punkten etwasVerwandtem. Wie der Hintergrund mit seinen Ornamenten dem Hintergründe der Goldnen Maria verwandt ist, so sind die beiden schwebenden Engel mit der Krone in jeder Beziehung fast die gleichen wie über dem Haupte der Maria. Lorenz fand in seiner Vorlage einen gemusterten Hintergrund und verwarf ibn, der Künstler des Matthias-Wappens wählte ihn, trotzdem er eigentlich einer Steinarbeit nicht entspricht. Sollte Hans Olmützer, der sich sicher mindestens seit 1488 in Görlitz befand, dieses Meisterwerk ge schaffen oder beeinflußt haben? An Künstlern, die solche Werke her vorbringen konnten, war damals kein Überfluß!