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Vdt' iK'ltt Was ist schöner: das neue Görlitz mit seinen ebenmäßig beben und Fraileiltore ziemlich gleichartigen Gebäuden, oder das abwechslungsreiche Bild, das nocb das Fahr i8zo dem alten Görlitzer vor seinem Tore bot? — Wir schreiten dem Tore von der Frauenkirche aus zu, die ihm schon srüh seinen jetzigen Namen gab, denn iZ?6 ist bereits von einem „Valvum kentne Vii Aini«", einem Tore der hochseligen Jungfrau, die Rede. Staunend hemmen wir den Schritt und halten Umschau. Waren die ältesten Hospitäler vor dem Tore meist Einkehrhäuser für Fremde, so wuchs mit der Zeit das Bedürfnis nach Gasthäusern, und die vor dem Tore batten für die Reisenden und Fuhrleute besondere Bedeutung, die nach Toresschluß die Stadt erreichten. Das älteste dieser Gasthäuser an der großen Straße vom Westen her waren „Die drei Krebse" seit 1676, das jetzige Gasthaus „Zur Sonne", dem 1714 die Anlage des „Goldnen Strauß" vor dem Frauentore folgte und, wie natürlich, besonders den Reisenden von Bobinen nach Bran denburg und weiter nach Norden diente. Hinter dem Gebäude bei den Linden biegt rechts der V?eg nach der« Nähmbofe und dem Bauerschen Garten ab, wäbrend das Tor zwischen den beiden Bäumen den Abstieg zum Schießzwinger verschließt, der mit dem Räbmbofe zur Elisabetbstraße wurde. Es ist derselbe Schieß zwinger, den wir Seite ^6 kennenlernen. ^Wachend hält ein Beamter der Akzise an seinem Kontrollhäuschen Umschau, neben dessen Zwillingsbrudec zur Linken ein Garten mit Zaun erscheint, dessen größten Teil heute das Kaufhaus Bargon Söhne einnimmk. Es folgen die damals noch jungen Fachwerkhäuser der nördlichen Front des oberen Demianiplatzes, an dessen letztes sich wiederum ein Garten anschließt. Aus seinem Boden erwuchs erst viel später das früher Weingärtnersche Haus an der Ecke. Die beiden Linden am linken Ende des Bildes bilden den Anfang der „alten Promenade", die sich die Radelänben, den heutigen Demianiplatz, hinab bis zum Teichtore außerhalb der Mauern und der Gräben des Kaiscrtrutzes hinzogen. Eine „Haustochter" des Fabres 1830 schöpft Wasser am Bemmen wie weiland die Samariterin, und mächtige Prellsteine regeln den Verkehr als Vorboten der Schupo. V5aS ist «US beute von diesem unvergleichlich schöne» malerischen Bilde geblieben? — Dem Bollwerke der gewaltigen Torbastei des Bürgermeisters Frauenburg sprach der Bürgermeister Demiani das Todesurteil, das vielleicht mit einem Aufwande noch größerer Kraft vollzogen werden mußte, als sein Bau. 1848 war es von der Erde ver schwunden. Oberbürgermeister Demiani war ihm vorangegaugen! — Noch einmal blicken wir zu dem gewaltigen Bau auf mit seinem alten Görlitzer Wappen, das Frauenburg, noch mit einem sinnigen Spruche des Ovid geziert, als ersten Gruß des starken Görlitz an den Fremden im Fabre i477 für den schönen Platz unmittelbar über dem EingangStore von Künstlerband schassen ließ. Wie ein Trost für das Verlorene blicken die beiden herrlichen alten Türme, der Dicke Turm und derReichenbacberTurm, in alterRracht und Schönheit ans dem Hintergründe zu uns herüber — wie zwei starke Beschützer der zwischen ihnen sichtbaren Annenkapelle, die zwischen den Werken des Krieges an die gläubige Frömmigkeit eines so reichen Görlitzer Bürgers wie Hans Frenzel erinnert nnd um Schonung der wertvollen Stiftung und ihres prächtigen bildnerischen Schmuckes bittet. Verloren bat sie die alte fromme Bestimmnng des Stifters, verloren ibre Altäre und Glocken — aber die Neuzeit bat ikr doch in ihrem Dberstocke eine Bestimmung gegeben, die sich würdig von der Entweihung durch Marktbuden, deren Schutz sie im 16.Jahr hundert mit ihren geweihten Räumen übernehmen mußte, unter scheidet. Sie batte in Deutschland viele Leidensschwestern.