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Steinstraße und Mrauentor JmIabre 1584 lief beim Rate der Stadl ein Befehl ein, daß die Straße dnrcb das „Neue Haus" geben solle. — Das Irene Hans war das Schloß mit dein Tor, nnd die Straße die „Steinstraße", die ibren Namen davon batte, daß sie schon damals mit Steinen ge pflastert war — in, Gegensatz zu den andern Straßen, die Pflaster nnd Rinnsteine nocb nicbt kannten. Die Steinstraße fübrte aber aucb zmn Schloß, in dem „Herzog Hans von Görlitz", zu dem Kaiser Karl IV. schou 1576 seiueu secbsjäbrigeu jüngsten Sobn crualiut batte, zu residieren pflegte. Welch wnndcrbarer Blick tut sich vor uus auf, weuu wir uufer Bild von 1800 betrachten, das der heimische Künstler Cbristof Nathe schuf! — Stellt sich das Haus rechts (Steiustraße 14 und Ober markt 7) noch als ein Magazin vor, so beberrscht das nächste mit seiner berrlicben Fassade völlig die Straße, Uber einem stattlichen massiven Unterbau von 8 Fenstern Front mit zwei gewölbten Haus türen erbebe»« sich, ein Andenken an das Zusammenwachsen zweier kleiner Häuser, zwei nach derStraße gekebrte Giebel in köstlicher Holz- arcbitektnr, die uns wie ein Zdnll alte«« Harzstädten, ans Franken oder aus Hessen anmuten. Ihren feinsten Schmuck bilden die Giebel spitzen. Das beutige Gebäude der Firma Wolf's Wwe. und Pfeiffer ahnt kaum mehr die Züge seines Vaters. — Auch beim nächsten Hause nach links deute«« die zwei Haustüren ans zwei ehemalige kleine Häuschen bin, während die beiden letzten in alter Weise die Giebel nach der Straße wenden: das erste (heute Dobschall) noch mit seinem alten Renaissancegiebel, das nächste (Rösler) ir« später angenommener Barocksorm. Aber in dem breiter«, schlichten Hanse (Finster, Nr. 12) wohnte während der Freiheitskriege längere Zeit unser berühmter Freiherr vom Stein. Ein kleines Gäßchen trennt das letzte Hans von unsrer Annenkapclle, von der nur Dach und Ebor zmn kleiner« Teil sichtbar werden. Den Hintergrund bildet zunächst, links an der Annenkapclle, ein kleines Häuschen, wie derer« viele früher Nagclschmiedewerkstätten beher bergten. Es verschwand «8,z8. Dann folgt unser inneres Frauentor, das den Blick irr seine Durchfahrt gestattet, über der sich Webrgänge wölben. Uber seiner Maner erhebt sich das Dach des äußeren Frauen tores, der Bastei, mit seinem westlichen Giebel, aus dem sich eine Luke öffnet. Er wird überstiegen von der schön geformten Spitze des ent fernten Hrauentnrmes. Wuchtig schließt die Westwand des Dicken Turms — des Franen- tnrnis — mlser Bild ab, das nur noch die Ecke des letzten Hauses der östlichen Steinstraße seben läßt. Aber diese Seite war es, die, wie die Straße im Alter das erste Steinpflaster, früher mit einem Rinnsal in der Mitte, erbielt, in« Jahre 1845/46 mit den erste«« noch seltenen Trottoirplatten aus Granit belegt wurde. — Das erwähnte, links grade noch sichtbare Hans baute sich Bürgermeister Frairenbnrg, der Erbauer des äußeren Frauentorcs, im Jahre «477- Es wurde ein Bierbos, dem die alten Keller des Scklosses dienten, das in demselben Jahre abgebrochen «vorder« «var. Die entgegengesetzte — nicht sichtbare — Ecke der Steinstraße und des ObcrmarkteS trng auch einst eine«« Bierbos, de«« zweiten seiner Ostseite, der« Dreßlerschen. Hier befand sich lange Zeit die Görlitzer Post, an der nach zuverlässiger Überlieferung Napoleon bei seiner Rückkehr von Moskau in einem mit sechs Pferden bespannten Schlitten Attsenthalt genommen haben soll. 1844 baute das alte prächtige Haus der Kürschner und Stadtälteste Ernst Friedrich Thorer nm, da es leider baufällig geworden «var (vgl. Seite 89). Das Frauenlor gab nnsrcr Steinstraße Leben und stetige Entwicke lung. Beides bat fortgewirkt von der« alten Zeiten bis in die jüngste Zeit, und auch die Steinstraße «var es, die 1885 die erste Görlitzer Pferdebahn an ihren Hänsern „vorübersansen" sah.