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^as Frauentor Das uralte Neißtor legte schützend seine gepanzerte Faust ans die noch ältere hochbedeutende Handelsstraße vom Westen nach dem Osten, non Frankfurt am Main nacb Breslau, die vin »an wichtigster Stelle eines Flußüberganges, der Ost und West in einem dem Deutschtum auss neue erworbenen Gebiete schied, — und doch zugleich mit umgekebrter Handbewegung Zoll und Gewinn behebend für das junge, mäcbtig anfblübende Handelsemporium, die Stadt Görlitz. Die Neustadt Görlitz dagegen sandte durch ihr neues Frauentor Wagen und Wanderer nach Süden — nach Prag, der Metropole der böbmischen Kronländer mit König und Erzbischof, mit Baubütte und Universität. Und der Einfluß auf allen Gebieten blieb nicht aus! Aber das neue Tor abnte damals nicht, daß ein weit gewaltigerer Strom neuen bastenden Lebens mit dem durch die Eisenbahn verviel fachten Verkebr einst Mauern und Tore wegschwcnnnen würde, um gerade hier der alte» Stadt nach dem neuen Verkehrsmittelpunkte hin Platz und Bedeutung zu schaffen. Das Frauentor hieß zuerst Steintor und „Sittisches Tor" — nach der Richtung auf Zittau—, und erst nach der Gründung der Frauen kapelle wurde der jetzige Name allgemein. Es verdankt seine Ent stehung der Stadterweitcrung unter Otto III. von Brandenburg, der sich in seiner unmittelbaren Nähe ein Schloß baute, dessen einziger Nest der Dicke Turm ist, ein Schloß, in dem Herzog Hans von Görlitz, der jüngste Sohn Kaiser Karls IV., der von seinem Vater Görlitz als Herzogtum erhalten hatte, mit seiner Frau Richardis, der Tochter des Schwedenkönigs, residierte, so oft er in Görlitz war. Sie gebar dem zwanzigjäbrigen Vater izgo die „Elisabeth von Görlitz", wie sie sich ihr Leben lang nannte. Das Schloß, das mit dem Tore in enger Verbindung gestanden hatte und sich vom Dicken Turme bis zum Fischmarkt erstreckte, wurde auf Wunsch der Stadt, die es fortwährend besser»» sollte, und mit Ge- llebittigung des Königs Matthias »47? abgcbrocben. Der Landvogt von Stein stellte die Bedingung, daß dafür das Tor durch eine Bastei verstärkt werden sollte, und der Bürgermeister Frauenburg baute diese in einer der Stadt würdigen Weise von Grund aus auf, die ihm mm seine berrlicbe Gestalt verlieb. Das Tor kommt seit in den Urkunden vor, i wurde es ge bessert, erbielt eine Durchfakrt und wnrde rstoo, und wegen der Hnssiteugefahren »42kl nockmials erheblich verstärkt. Unser Bild zeigt im wesentlichen sei»» Aussetzer» von »477 nach dem Ba»r Franenburgs, der ancb das Wappen der Stadt mit seiner In- scbrift über ihm anbringe»» ließ — nur mit der steinernen Torbrücke, die erst im Zabre 1772 die alte Zugbrücke ersetzte. Das Tor »var, wie das Nikolaitor, dreifach. Der innere Teil war beiderseitig »nit der Stadtmauer verbunden; das mittlere Tor, über dem sich das gewölbte Gebände mit der Durchfahrt befand, verwahrte ein starkes, mit eisernen Schuhen versehenes Fallgatter, das an Ketten, die über Räder liefen, beivegt wurde; das dritte und äußerste vor unser» Blicken liegende Tor erbebt sick »nit mächtigen, an» Tore gerundeten Mauern als wuchtigc, jedem Anstürme trotzende Bastei ans dem Grunde des Grabens. Der Eindruck gewaltiger Kraft wird nocb durch den überragenden Turm mit seinen riesigen Aus maßen gesteigert. Was der Feind nicht zu fälle»» vermochte, tat die Zeit: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan — der Mohr kann gehn!" — Schon am Anfänge des vorigen Jahrhunderts wehrte es nicht mehr dem Feinde, sondern mit seinen der Brücke vorgebauten „Akzisehäuschen" mir der steuerfreien Einfuhr von Mebl und Fleisch und bot ein Bild kleinbürgerlichen Friedens mit seinem Blick auf den freundlichen Baumbestand des alten Wallgrabens, auf die Häuser links vor de»»» Tore, den alten Strauß und die Proxschen Häuser mit der Schmiede, sowie ans »rnsre alte liebe Fra»»enkirche, die dem Tore seinenNamcn gab.