Volltext Seite (XML)
Der Kaisertrutz „Das Rondell am Reichenbacher Tore, darüber man von i4so bis iZZi gebauet bat, ist an Mauern über sieben Ellen dick: daher es aucb die Schwedischen Völcker, bey der Anno 1641 von der Kayscr- licben nnd Ehuc-Säcbsischen 2lrmee vorgenoinmenen Belagerung, aus Hochmuth Trotz-Kayser zu nennen sich gelüsten ließen." Das hieraus geformte Wort „Kaisertrutz" hat seitdem die ursprüngliche Benennung „Neue Pastei" völlig verdrängt und mit diesem stolzen Namen das altersgraue, prächtige Werk noch mit einem besonderen Nimbus für alle Zeiten umkleidet. Die alte Anlage war auf der Feldseitc mit einem tiefen, breiten, runden, gefütterten Graben umgeben, welcher auf der niederen Seite Wasser, nach oben zu aber Morast hatte. In der Mitte des Rund baues war ein freier Platz, in dessen Mitte ein Türmlein, von Grund aus in die Höhe geführt, frei stand, ein gut Teil höher als das Rondell, mit einer Kuppel nnd einem Knopf versehen (vgl. S. 4z). Inwendig in dem Rondell konnte man unter Schwibbogen um nnd um gehen, auch Wagen und dergleichen in das „Trnckene" dacunterfahren. Oben an der Mauer wäre« Kragsteine eingemauert, auf welchen aus wendig berum eine besondere Mauer mit Fenstern und Schieß scharten stand, und zwischen der und der inneren Mauer ein Gang ganz berum zu finden war, — der schöne Webrgang, der sich ringsum nach unten zu Pechnasen öffnet. — Die Mauern waren nach dem früheren Töpfertore, einem Borstadttore, zu am stärksten, nämlich 4,1z Meter, auf der Stadtseite 1,7 Meter bei einem Durchmesser der ganzen Bastei von 19 Meter. Die ganze Anlage erklärt am besten eine Zeichnung, die im Jahre 1641, genau 200 Jahre nach dec Belagerung, vom Reichenbacher Turme aus von kunstverständiger Hand gefertigt wurde. — Das Tor in der rechten Flügelmauer, das während der Belagerung verbaut und ver rammelt war, öffnete sich für die Straße nach Bautzen, die weiterhin noch durch ein Staketentor — I)— führte, an dem der Torkontrolleur wohnte —c:—. Hier bog nach links der Weg nach den, Grünen Graben um beim Haufe des Schmiedemeisters Kettmann —— vor über, an der Stelle, wo ungefähr heute die Hmnboldt-Apotheke steht. Im Hintergründe, rechts von der mit n bezeichneten Röhrbütte, er blicken wir den Eingang zur „Goldnen Sonne", zu der das niedrige Häuschen gehört. Die Straße nach Bantzen bog hier nach links bei dem Nceilensteine —in— vorüber, der die Jahreszahl 1724 und das kurfächsische Wappen zeigte. Im Vordergründe rechts sehen wir WasserleitnngSröbren —s—, die von der steinernen Brücke Herkommen, im Innern dec Flügel mauern, an ihre beiden Seiten angelehnt, kleine Häuschen, die in den späteren Friedenszeiten geschaffen nnd als Kaufläden vermietet wurden(li). Das Tor i im linken Vordergründe führt in den Bau zwinger, den heutigen Demianiplatz in der Richtung nach dem Theater. Im Hintergründe ziehen sich (von n bis m) die Häuser hin, die beute die Westseite des DemianiplatzeS bilden. Den ganzen linken Teil des Bildes nehmen stattliche alte Bäume ein, die die alten Rade- länben verdecken. Es ist der Platz, auf dem jetzt das Stadttheatcr mit feinen Anlagen steht — damals die „Alte Promenade". Schwer hat sieb der Plan durchgefetzt, gerade hier das Theater z» bauen, wie sein Erbauer, der Stadtrat Kießler, der Schöpfer des Viadukts, es wünschte. Erst sollte eine offene Kauf- und Markthalle die entbehrlich gewordene Promenade beglücken, dann ein großes Gebäude für eine höhere Bürgerschule, das dann an die Ecke des Klosterplatzes kam. — Und im Hintergründe verliert sich im ungeahnten Görlitz-West die Straße nach Bautzen, am Fuße unsrer lieben Landeskrone vorüber. Erst das Jahr 1848 brachte die neuen Veränderungen am Kaiser trutz. Auch sie haben ihren Zweck verloren nnd den Weg endlich frei gemacht für eine Benützung des alten ehrwürdigen, in seiner Eigenart einzigen Gebäudes, die seiner Geschichte als Urbild Görlitzer Bürger kraft nnd Heimatliebe würdig entspricht.