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Der Neistturm Der Neißtnrm, der getrennt von seinem Tore IZZO erbaut worden war, hatte zwischen sich und der Stadtmaner ein weiteres Tor, das noch diesseits des Neißtores den Aufstieg zum Burgberge schützte. Wir sehen ihn in seiner neuen Kraft und Schönheit im Jahre iZg.Z auf Seite 4Z- — Doch schon im Jahre 1726 legte ein neuer Brand fast das ganze Neißviertel in Asche und zerstörte den Turm bis auf das Mauerwerk. Seine Wiederherstellung wurde im Jahre 1737 bcscblosfen, und Scabinus Oi. Gehler fübrte den Neubau ans, der rund i Z.zo Taler kostete. Seine untere Gestalt ist, wie man siebt, in« wesentlichen die frühere geblieben, mir der Oberteil im Gescbmacke der Zeit umgestaltet. Die vier Renaissancegicbel, aus deren Mitte ein schlanker Turm mit hoher Spitze aufstieg, haben vom Kranze ab einem einfachen Aufbau mit schlichter, durchbrochener Hanbe Platz gemacht. Er schaute auf eine Brücke, die mit ibrcm Tore alles verloren batte, was an die schweren Kämpfe und Belagerungen der Vergangenheit erinnerte. Die alte, scbönc, bedeckte Brücke hatten die Aussen 181Z verbrannt, und eine ganz einfacbe offene Brücke war an ibre Stelle getreten, die nur noch ein Torbogen gegen die Stadt bin abschloß, und an die sich links statt alter Webrbänscr ein Wobngebäude schloß, das den alten Görlitzern noch in klarer Erinnerung geblieben ist. Den Turm selbst fällten nicbt die Kämpfe des Krieges, sondern die des Friedens — wobl mißverstandene oder übertriebene Forderungen neuen gesteigerten Verkehrs oder vielmehr die Neuerungssucht in beklagens werter Unterschätzung der alten geheiligten Formen des Stadtbildes, dessen früherer gewaltiger Reiz leider nur noch im Bilde Auge und Herz erfreut! — Im Jahre 18Z6 wurde der Turm abgetragen, und die Görlitzer Bürger begleiteten sein Hinfchwinden in Wort und Schrift in gradezu rübrender Weise wie das eines Menschen. Sein „Biograph" schließt mit den Worten: „Seiner geleisteten Dienste nnd seiner Hellen wacbsamen Stimme will icb nicht mebr gedenken, aber er wird allen, die ibn kannten, nnvergeßlicb und des Andenkens würdig bleiben!" — So fpricbt treue Liebe zur Heimat! — Webmütig wenden ancb wir unfern Blick von ibm ab — denn, ach, sein Schicksal traf aus gleichen Gründen noch manch andres, ja noch wertvolleres Jnwel der Baukunst — und tun einen Blick in den Namn zwischen Neißtor und Ocbsentor. Dieses Bollwerk, das den Zutritt von Süden ber außerbalb der Mauern zum Neißtor und zur Brücke abschloß, hieß in älteren Zeiten Kahltor nnd wird als solches bereits iZllli erwäbnt. Aber seinen gewaltigen wnchtigen Ausbau mit seiner Front nach Süd und Ost zur Neiße, wie wir ihn Seite 4Z kennen lernten, bat ibm erst das i Z.Jabrbnndcrt mit seinen innner- wäbrenden tatsächlichen oder drobenden Gefabren einer Belagerung geschaffen. Vom Brande IZ2Z schwer beschädigt, baute es 1ZZ6 der berühmte Bürgermeister Haß wieder aus und schrieb in lateinischer Sprache an seine Mauer: „Die Stadt schützt die Liebe der Bürger besser als Hobe Bollwerke." — Von den Wunden der Belagerung von 1641 bellte es die Gesabr der Türkenkriegc im Jabre 1680, bis iin Jabre iliZZ die zerstörungslnstige Neuzeit selbst hier am stillen Ncißenfer wenigstens an einem Teile des alten Tores ihr R.cütcben küblte, uns aber doch noch einen Rest als Andenken an große Zeit ließ. Im Raume zwischen diesem Reste des Ochsentores und der Neiß- brücke finden wir im Jahre 18ZZ parallel der von Strebepfeilern ge stützten Jnnenmauer mit ihren Schießscharten noch die Außenmauer, die mit ihrem Ziegeldach — wie wir das heute vielfach in Nürnberg nud.Rotbenburg seben können — ans einer offenen Fachwerkwand ruht. Ein Bild des Friedens ist bereits zwischen den Manern eingezogen und bat mm schon lange auch diese Mauer den» dicken Aktenbande „Görlitz gegen Görlitz" beigesügt.