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Bedingungen zum Argen der Handweber aus. Sie verloren ihre Arbeit, wurden in Not und Elend gestürzt und erlebten menschliche Tragödien, wie sie Gerhart Hauptmann in seinem Drama „Die Weber“ unvergeßlich gemacht hat. So hat sich beiderseits der Spree ein wechselvolles Geschehen vollzogen. Stadt- und Landherren haben die Lausitz bedrängt und ausgesogen, haben sich befehdet um die größere Macht und den reicheren Ertrag. Das alles voll zog sich auf dem Rücken eines ausdauernden, fleißigen, geschickten, findigen Volkes, das dauerhafte Gebäude und liebliche Gärten schuf und schafft, das Urgestein bricht und mikroskopisch kleine Geräte feilt, das Industrie giganten betreibt, Kohle fördert und feine Tuche webt, das Äcker pflügt, über Gott und die Welt nachdenkt und friedlich sein Leben ordnet und gestaltet. Im Jahre 1945 wurde unter die Bilanz der Vergangenheit ein Strich gezogen. Die alten Herren sind verschwun den, des Volkes schöpferische Kräfte entfalten sich frei. Die Lausitz ist heute das Land einer gewaltigen Energie leistung unserer sozialistischen Produktion. Die riesigen Braunkohlenfelder der Niederlausitz und die Industrie giganten, die das „schwarze Gold“ verwerten, sind ein Herzstück der Industrie unserer Republik. Das Kohle- und Energieprogramm ist für unsere weitere industrielle Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung. Es weckt die alte Luch- und Heidelandschaft aus einem verträumten Dahindämmern, stellt sie jäh in ein pulsieren des, produzierendes, lebendiges, waches Dasein. Deutsche und Sorben arbeiten dabei gleichberechtigt nebeneinander in Lauchhammer, Senftenberg, Schwarze Pumpe, Hoyerswerda, Spreetal, Lauta, Lübbenau, Vetschau und wie die Produktionsstätten alle heißen. Wie die sorbischen und deutschen Namen auf den Ortsschildern einträchtig beieinanderstehen, so leben die Menschen • dieser beiden Nationalitäten heute friedlich miteinander und schaffen zu ihrem gemeinsamen Vorteil. Reich ist dieses Land, und bunt ist dieses Land, wie seine vielerlei Tuche und Stoffe. Auch wir haben versucht, tausend bunte Fäden in einem dekorativen Gewebe zu vereinigen. An zwei Kettenfäden, der Spree und der Neiße, haben wir ein Muster hinaufgeschossen von Lübben, Cottbus und Guben über Lauchhammer, Senften berg, Hoyerswerda, Spremberg, Weißwasser, Kamenz, Bautzen, Löbau, Görlitz bis Zittau. Ein Muster, in dem, wie wir hoffen, alle Grundfarben der Lausitz angemessen zur Wirkung kommen! Bei dieser Arbeit ist uns das Weberschiffchen Talisman und Pfadfinder geworden. Mit seiner Hilfe haben wir einen Leitfaden gesponnen, auf den wir die „Lausitzischen Merkwürdigkeiten“ reihten, die uns begegneten. Als Samuel Grosser, des „Görlitzischen Gymnasii Rectore“, im Jahre 1714 einen Folianten über „Lausitzische Merkwürdigkeiten“ erscheinen ließ, stellte er seinem Werke zwei Vorworte voran: ein großgedrucktes an den Gnädigen Herrn und eines mit entsprechend kleineren Schriftzeichen an den geneigten Leser. Wir können uns heute auf ein Vorwort beschränken, weil wir im „geneigten Leser“ unseren - wie wir erwarten - „gnädigen Herrn“ sehen, dem wir mit Bild und Wort dienen wollen. Wo unser Vorhaben keine Gnade findet, dort springt uns ein anderer Lausitzer, der Kamenzer Gotthold Ephraim Lessing, mit einem Verse bei, den man vielleicht als Ausrede wird gelten lassen: „Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt, Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden: So sei mir wenigstens für das verbunden, Was ich zurückbehielt.“ Uns aber wird mancher mit Recht vorwerfen: Ihr habt zuviel zurückbehalten! Ich weiß noch manchen schönen Platz, noch viele fleißige geschickte Handwerksleute, die es verdienten, genannt zu werden. Und wir müßten