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war es geblieben. Der A. u. S.-Rat änderte nichts an diesen Ver hältnissen. Neben gemeinen Beschimpfungen durch die LNN mußten sich die Arbeitslosen „Arbeitsangebote“ der sächsischen Kohlenbarone ge fallen lassen, die verheirateten Arbeitern bei getrenntem Haushalt 9,— KM pro Arbeitstag in der Braunkohle und verlauste ehemalige Kriegsgefangenen-Baracken als Unterkunft zumuteten. Um diese Zeit entsprach selbst der geforderte Tageslohn von 15,— RM noch nicht dem Existenzminimum. Ein Regierungsbeschluß verfügte, daß den Arbeitern, die von auswärts kamen und erwerbslos wurden, nach vier Wochen überhaupt keine Unterstützung mehr gezahlt zu werden brauchte. Und dabei sprach die SPD von einem „Wohlfahrtsstaat“. Den äußeren Anlaß für eine große Arbeitslosendemonstration bildete eine Kürzung der schon völlig Unzureichendenunterstützungssätze der Arbeitslosen. Zehntausende Erwerbslose demonstrierten am 5. Fe bruar 1919 in einer machtvollen Protestdemonstration gegen diese provokatorischen Maßnahmen der Bourgeoisie. Auf dieser Kund gebung sprachen vorwiegend KPD-Mitglieder und klärten ihre arbeitslosen Klassengenossen über die wahren Ursachen ihrer Not und ihres Elends auf. Nach dieser Kundgebung zogen die Arbeits losen durch die Grimmaische Straße zum Neuen Rathaus, um damit die von ihnen gewählten Kommissionen, die im Rathaus mit dem Oberbürgermeister und dem Rat der Stadt Leipzig verhandelten, in ihren Forderungen nachdrücklich zu unterstützen. Die Arbeitslosen verlangten, die Getreidelieferungen der jungen Sowjetmacht, die das russische Proletariat in selbstloser Weise der deutschen Arbeiterklasse zur Verfügung stellte, anzunehmen. Dieses hervorragende Beispiel internationaler Solidarität hatte die Re gierung der damaligen „Volksbeauftragten“ mit höhnischer Ableh nung beantwortet. Weiterhin forderten die Arbeitslosen, eine Rote Garde zu bilden. All diese Forderungen waren Ausdruck dafür, daß die Politik der Leipziger Kommunisten immer stärker von den Ar beitern Leipzigs zur Grundlage ihres Handelns gemacht wurde. Seger und Liebmann unternahmen alle Anstrengungen, die vor dem Neuen Rathaus versammelten Arbeitslosen zu beruhigen und sie mit leeren Versprechungen hinzuhalten. Dabei warnte Seger vor „gewissen unverantwortlichen Leuten“, die sich jetzt als Führer auf spielten. Damit meinte er, wie schon so oft, die KPD-Genossen. Die Führer des A.- u. S.-Rates Leipzigs sahen sich veranlaßt, folgen des den Arbeitern mitzuteilen: „Am Mittwoch fand eine Arbeitslosendemonstration vor dem Neuen Rathaus statt, die den Zweck hatte, die Verhandlungen der Arbeits-