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— 218 der Lieder, die sie abends, am Spinnrade sitzend, zu singen pflegte. Die musi kalischen Eindrücke, welche er im Elternhause empfing, weckten in dem Knaben schon früh das schlummernde Talent. Im Klavierspiel, worin er zeitig Unter richt erhielt, machte er bald überraschende Fortschritte. Auch andere Instru mente übte er und pflegte daneben seine prächtige Stimme. Nach dem ehrgeizigen Willen seines Vaters sollte Keinrich dereinst Vechtsgelehrter werden. Darum trat er 1804 in die Quinta des Zittauer Gymnasiums, zugleich aber auch in den damit verbundenen Sängerchor ein. Kier, wo ein reges musikalisches Leben herrschte, bildete er sich als zuverlässiger Solist aus, der Bachsche Motetten vom Blatt sang. Auch außer- 156. Das Marschner-Denkmal in Zitlau. halb der Anstalt spielte Marsch- ner eine Nolle als musikalische Größe. Das SchrammscheKaus auf der ehemaligen Bleiche >) war damals der Ort, wo sich Zittaus Kunstjünger zu musi kalischer Unterhaltung oft ver sammelten. Kier verkehrte er. Ebenso nahm er teil an den großen Gesangskonzerten, die der kunstsinnige Kaufmann Exner veranstaltete und der Bauhner Kantor Bergt leitete. Auf Veranlassung Bergts siedelte Marschner Weihnachten 1807 nach Bautzen über. Davon erzählt er selbst (in einem Briefe 2) an seinen Sohn August vom Jahre 1839) folgendes: „Du weißt, daß ich als Knabe eine schöne Sopran stimme gehabt habe, die ich mit viel Gewandtheit geltend zu machen wußte. Nun kam ein mal der berühmte Organist Bergt aus Bautzen nach Zittau, um daselbst eines seiner Ora ¬ torien aufzusühren. Da wurde schon vor der Kauptprobe seine mitgebrachte Kauptsängerin krank, und die Aufführung mußte unterbleiben, fand er keinen Ersah für sie. Da wurde ich, der kleine elfjährige Junge, ihm empfohlen, und ich kann nicht sagen, daß bei meinem Anblick in seinen Mienen sich viel Vertrauen ausgesprochen hätte. Ich aber dachte: „Das werden wir schon machen", nahm mit kecker Zuversicht den Part in die Kand, lächelte und sang darauf los, daß es nicht bloß mir, sondern auch ihm eine Lust war. Juchhe! Das Konzert fand wirklich statt, und die Folge davon war, daß ich als kleiner Mordsackermenter viel Ehre davon hatte. Ja, er war so in mich >) Außere Oybiner Straße 18. 2) Im Besitze des Kerrn Fabrikbesitzers Lehmann hier.