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- 217 - besser entfalten konnte, und erklärt es, daß seine Arbeiten neben bedeutenden Vorzügen auch bedenkliche Mängel aufweisen. Weises Kauptoerdienst war, daß er gegenüber dem Schwulst, womit Lohenstein und andere Vielschreiber vor ihm die deutsche Sprache verunziert hatten, einen einfachen, natürlichen und volkstümlichen Ton anschlug. Doch ging er darin zu weib und wurde, namentlich in seinen Liedern, die darum mit Recht vergessen sind, platt und nüchtern. Aber schon seine Romane, die außer ordentlichen Beifall fanden und neben den Meisterwerken Grimmelshausens und Moscherosch' zu dem Bedeutendsten zählen, was in jener Zeit geschrieben wurde, zeigen seine hervorragende Begabung, die Welt und Menschen scharf zu beobachten und humorvoll und treffend darzustellen. Nur macht sich das Bestreben, die Leser von allerhand Torheiten abzuhalten, darin zu breit und überwuchert den eigentlichen Inhalt, so daß auch diese Werke eine schwer genießbare Lesekost bilden. Am besten sind Weises Dramen, die einen großen Fortschritt gegenüber seinen Vorgängern bedeuten. Während der Nürnberger Jakob Ayrer und die damals in Deutschland herumgehenden eng lischen Komödianten Stücke boten, worin der „Pickelhering" oder Kanswurst die Zuhörer mit rohen und plumpen Witzen unterhielt, unternahm er es zu erst, ein deutsches Lustspiel zu schaffen, wozu er den Stoff aus der eigenen Erfahrung schöpfte. Das Komische sollte ungesucht aus der Kandlung hervor gehen und jede Person genau so auftreten und reden, wie dies im wirklichen Leben geschieht, weshalb er auch schon mit Glück die Mundart verwandte. Die Intrigenstücke, worin die Personen sich gegenseitig zu überlisten suchen, sind ihm am besten gelungen, und namentlich die Darstellung des bäuerlichen Lebens ist geradezu meisterhaft. Zu seinen Kauptwerken gehören „Der neapoli tanische Rebell Masaniello", „Der bäurische Machiaoell", „Die böse Katharina", „Die Lateiner" und „König Wenzel". Das letztgenannte spielt auf zittau- ischem Boden und behandelt die Iugendgeschichte des genannten Fürsten. Der Kauptmangel fast aller dieser Stücke war, daß der Dichter, um möglichst viele Schüler zu beschäftigen, darin eine zu große Menge Personen austreten ließ, in der „Verkehrten Welt" z. B. mehr als hundert. Weises Dramen wurden auch anderorts zu seiner Zeit viel gespielt, erfreuten sich aber selbst in Zittau nur eine Zeitlang großer Beliebtheit. Nach seinem Tode wurden hier nur noch dreimal Stücke von ihm gegeben. Seine volkstümliche Eigenart, die sich nicht an das Kerkömmliche band, schuf ihm mächtige Gegner. Vor allem wurde durch den anmaßenden Leipziger Magister Gottsched sein Ansehen zum Schaden der deutschen dramatischen Dichtung, der Weise die ganz richtigen Wege wies, untergraben. Zwar erhob schon Lessing in einem Briefe an seinen Bruder seine gewichtige Stimme für ihn, aber sie verhallte. Erst in neuerer Zeit haben Geroinus und Ludwig Fulda unfern Dichter wieder zu Ehren gebracht. 53. Heinrich Marschner. Keinrich Marschner ward am 16. August 1795 in Zittau geboren. Seine Eltern lebten in dem kleinen Kaufe der ehemaligen Fleischergasse Nr. 5. Der Vater, ein aus Böhmen eingewanderter Korndrechsler, trieb viel Musik. Er spielte Flöte und Karfe und leitete eine Zeitlang die Kapelle der Bürger schützen. Auch die Mutter war musikalisch, und Marschner erinnerte sich gern