Volltext Seite (XML)
auf öffentlichen Plätzen niederfielen. Die Stadtbewohner wurden dadurch zwar schon in große Angst versetzt, da jedoch die Belagerer befreundete Truppen waren, so konnte niemand ahnen, was am folgenden Tage geschehen würde. Wohl nur wenige dachten daran, etwas in Sicherheit zu bringen. Diericke hatte die Stadt so gut als möglich in Verteidigungszustand gesetzt. Das Mebl, das sich anfangs auf der Schießwiese befand, war in die Stadt geschafft worden. Den größten Teil hatte man im Marstall unter gebracht. Mit den Fässern wurden die Tore versperrt. Die Straßen waren mit Wagen und Pferden überfüllt. An dem denkwürdigen 23. Juli machten die Belagerer früh einen letzten Versuch, die Stadt in Güte zu gewinnen. Wieder erschien, von einem Trompeter begleitet, Waldenau am Webertor, von wo er (nach altem Brauch mit verbundenen Augen) zum Stadtkommandanten geführt wurde. Die Unter redung mit diesem sollte für die Stadt verhängnisvoll werden. Diericke be merkte, es stünde außer seinen Truppen die Bürgerschaft unter den Waffen, und 8000 wehrhafte Bauern befänden sich innerhalb der Mauern, er werde die Stadt bis auf den letzten Mann verteidigen. Diese unwahre Angabe zog schreckliche Folgen nach sich. Dazu kam, daß die übliche Feuermeldung des Türmers (Stürmen mit der Glocke und Ausstecken einer roten Fahne aus dem einen Turm der Kauptkirche) als feindliche Zeichen gedeutet wurden. Solcher Übermut, einer großen Armee Trotz bieten zu wollen, mußte selbst bei den beiden im Keer befindlichen sächsischen Prinzen Taoer und Karl Christian die größte Erbitterung erregen und bewirken, daß man nun schonungslos gegen die „rebellische" Stadt oorging. Um 10 Uhr begann von 2 aus 32 Kanonen und 10 Kaubihen bestehenden Batterien, von denen eine auf dem Frauenkirchhofe, die andere auf einer Wiese südwestlich vom Schiebhause ausgestellt war, die Beschießung. Die Wirkung war bei der großen Nähe der Geschütze vernichtend. Jedes 4. Geschoß der Kirchhofs batterie wurde über dem Gitter einer Gruft glühend gemacht. Die ersten Bomben setzten den Gasthof zum Stern in Brand. Nach einer Viertelstunde brannte es schon an 9 Stellen. Bald war die Stadt in ein Flammenmeer verwandelt. An Löschen war nicht zu denken, ebensowenig konnte man flüchten, da überall gleiches Verderben drohte. Schrecklich war das Krachen der Ge schütze und das Prasseln der Flammen, schrecklicher noch das Wehklagen der entsetzten Bewohner. Von Qualm und Glut getrieben, eilten sie verzweifelt aus einer Straße in die andere, um sich und die Ihrigen zu retten. Kier trug eine jammernde Tochter ihren alten, todkranken Vater aus dem Bücken, dort führten bekümmerte Eltern ihre weinenden Kinder an der Land; dort wiederum suchte man alte oder kranke Personen auf Stühlen oder Kandwagen vor den Geschossen in Sicherheit zu bringen, ohne doch zu wissen, wohin man sich mit ihnen wenden sollte. Viele Menschen wurden durch Granaten oder herabstürzende Balken getötet. Andere erstickten in Kellern, wohin sie sich geflüchtet hatten, oder starben vor Angst. Einige suchten Zuflucht unter dem großen Bogengänge des Rathauses, als plötzlich die Glocke des Rathaus turmes mit entsetzlichem Getöse herabstürzte. — Fürchterlich war das Gedränge, als man endlich gegen N Uhr das Webertor öffnete. Wer draußen seine Lieben zählte und keines der Seinen vermißte, war glücklich zu preisen. Gerade die schönsten und ansehnlichsten Stadtteile waren am meisten der Verwüstung preisgegeben. Die schöne Iohanniskirche beschoß man von da an, wo die rote Fahne am Turme sichtbar ward, mit am heftigsten. Sie ward