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— 119 — bei allen gewerblichen Streitigkeiten. In ihren Zunftstuben hielten die Meister von Zeit zu Zeit Versammlungen („Morgensprachen") ab, wobei die Innungs- lade, die ihre Statuten enthielt, geöffnet und die gemeinsamen Angelegenheiten besprochen wurden. Auch die Gesellen hatten ihre Laden und ihre Zusammen künfte. Streng hielt die Zunft auf schickliches, ehrbares Verhalten ihrer Mit glieder, wie auf reelle Bedienung der Kunden. Die zu liefernden Waren wurden durch die Schaumeister geprüft und ihre Güte durch Stempelung mit dem Zunftsiegel verbürgt. Die gefertigten Tuche z. B. zeichnete man als ver- kaussfähig in einem Kaufe der „Zeichenstraße". Schlechte Waren wurden vernichtet und betrügerische Verkäufer bestraft. Eine wichtige Rolle spielten die Zünfte im Bürgerheere-, wohlbewaffnet bildeten sie die Kerntruppen des städti schen Fußvolkes. Wenn es den Kampf gegen Kussiten oder andere Feinde galt, „wie haben da die Gerber so meisterhaft gegerbt, wie haben da die Färber so blutigrot gefärbt!" Die Innungen feierten auch bisweilen fröhliche Feste mit Ilmzug unter Vorantragung des Zunstzeichens (so die Schuh macher noch 1836). Die Büttner hielten bisweilen (z. B. 1777) ihren Reifentanz vor ihrer Ker- berge in der Büttnergasse. Die Fleischergesellen zogen einst (1726) mit einer 625 Ellen langen, mit Blumen geschmück ten Wurst unter Musikbeglei tung durch die Stadt. Wer in ein Kandwerk ausgenommen werden wollte, mußte ein Deutscher und „ehr licher" Geburt sein. Einst wur den alle hiesigen Schmiede in 109. Das Zittauer Stadtbad. (S. Seite 14.) den Böhmischen Turm gesetzt, weil sie einen wendischen Lehrling nicht annehmen mochten. 1687 wollten die Tuchmachergesetlen einen Burschen wegen unehr licher Abkunft nicht unter sich dulden. Sie zogen nach Friedersdorf, wo sie 300 Taler Kosten machten, gingen dann noch weiter, wiegelten auch ander wärts die Gesellen auf „und trugen Kunst und Kundschaft in die Ferne". Zwistigkeiten gab es auch bisweilen zwischen verwandten Gewerben aus Brot neid. So stritten sich die Strumpfmacher mit den Krämern, die Küchler mit den Bäckern. Meister ward man nach Fertigung eines Meisterstückes und Zahlung einer Einkaufssumme an die Innung -, in der Regel mußte der Auf zunehmende auch Bürger und vermählt sein. Wer eine Meisterstochter oder -witwe heiratete, dem ward die Aufnahme gewöhnlich sehr erleichtert. Da die Innungen nur eine beschränkte Anzahl von Meistern aufnahmen, konnten diese, ohne zu große Konkurrenz fürchten zu müssen, in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen und hatten doch ihr gutes Auskommen. Im 19. Jahrhundert machte die Entwickelung des gewerblichen Groß betriebes dem alten Zunftzwange ein Ende. An seine Stelle traten später