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No. 3. Iy03/1904. 23 XXI. Jahrgang „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ beträgt im Winter 12,000 Kilowattstunden und im Sommer über 18,000 Momentane Ueberlastungen von 75 und sogar 100 pCt. kommen vor und im Sommer betragen diese oftmals 2000—2200 Kilowatt, d. h. 1700—1800 indu zierte PS. pro Dampfmaschine. Trotz dieser ungünstigen Verhältnisse hat man doch sehr gute Resultate in den Betriebskosten erreicht. In den letzten 6 Monaten des Jahres 1902 wurden mit 3800 Tonnen Kohlen 2,500,000 Kilowatt' stunden erzeugt und man hofft, diese Summe noch steigern zu können. Die Gesamtausgaben der Kraftstation betrugen in dieser Zeit nicht mehr als 133,000 Hk, entsprechend einem Kilowattstundenpreis von 5,25 Pfg. Die Kraft station ist mit 7 Transformatoren-Unterstationen verbunden, welche von ähnlicher Bauart sind, wie die hei Gleichstrom benutzten Unterstationen. Die Spannung wird hier von 13,200 auf 600 Volt für Bahn- und auf 3000 Volt für Kraftverteilungszwecke auf die umliegenden Ortschaften herabgemindert. Jede Unterstation enthält zwei umlaufende Umformer von 500 Kilowatt Leistung und 3 Transformatoren für diese Umformer. Außerdem ist noch eine je nach der Belastung der Unterstationen verschieden große Akkumulatoren batterie vorhanden, z. B. besitzt die in der Unterstation bei Musocco befindliche eine Kapazität von 500 Ampere. Die Leistung jeder Unterstation beträgt 3500 Kilowattstunden, der mittlere Wirkungsgrad 82—85 pCt. und die Betriebs kosten pro Jahr und Unterstation etwa 5000 Mk. Kurz nach der Betriebseröffnung kamen infolge ungeschulten Personals häufig Kurzschlüsse vor, jetzt tritt aber der Maximalstromunterbrecher selten mehr als einmal pro Tag auf jeder Unterstation mit Ausnahme der Festtage in Skizze der elektrischen Vollbahn Mailand—Gallarate. Tätigkeit. Das Schaltbrett der Unterstationen enthält auf der einen Seite die Instrumente für den Drehstrom, auf der andern die Apparate für den Gleich strom, darunter ein Begistrierwattmeter, welches zwischen Leitung und dritte Schiene geschaltet ist. Die Fahrschienen sind durch Kupferbügel miteinander leitend verbunden und bilden die negative Seite, während die dritte Schiene, welche alle 4 m durch Isolatoren aus künstlichem Granit getragen wird und im Uebrigen den Geleisschienen vollkommen gleicht, an den positiven Pol ange schlossen ist. Auf Stationen etc., ist die dritte Schiene durch Verrichtungen aus Holz geschützt, desgleichen auf Bahnübergängen. Die Isolatoren für die dritte Schiene waren zuerst mangelhaft, weil die eisernen Kappen sich lösten und Kurzschlüsse eintraten. Der mittlere Isolatorwiderstand beträgt 60,000 Ohm pro Isolator, der mittlere Stromverlust pro Kilometer und Schiene infolge unvollkommener Isolation bei trockenem Wetter etwa 0,1, bei feuchtem Wetter 0,2 Ampere. Das rollende Material umfaßt eine Lokomotive für Güterzüge und 20 Triebwagen, 20 gewöhnliche Laufwagen für Personenzüge. Alle Motorwagen wie auch die Lokomotive besitzen Gleichstrommotoren von je 160 PS. und Lauf räder von 1.05 m Durchmesser. Das Gewicht jeden Motors mit Zahnradüber setzung beträgt 2500 kg. Die Schaltung erfolgt von dem Führerstande aus, das Bremsen geschieht mittels Druckluft, die von einem elektrisch betriebenen Kompresser erzeugt wird. Die Geschwindigkeit beträgt bei Zügen von 75 bis 90 Tonnen 55—72 km, kann jedoch ohne Unzuträglichkeiten für Zahnradüber setzung, Stromabnahme und Lager auf 90 und selbst 100 km gesteigert werden. Die Maximalanzugskraft pro Zug beträgt 400—450 Kilowatt. Um einen Zug auf ebener Strecke mit einer Geschwindigkeit von 90 km fortzuschleppen, genügen 240 Kilowatt, während bei einer Geschwindigkeit von 55—72 km pro Stunde auf ebener Bahn 100 Kilowatt bei in Reihe geschalteten Motoren genügen. Der zwischen Mailand und Gallarate laufende Schnellzug legt die Strecke aufwärts in 34 und abwärts in 33 Minuten zurück, was einer Ge schwindigkeit von 72 km pro Stunde entspricht. Zwischen Gallarate und Porto Ceresio wird die Geschwindigkeit wegen der vielen vorhandenen Kurven be trächtlich vermindert, jedoch wird die ganze Entfernung zwischen Mailand und Porto Ceresio von Schnellzügen in l*/ 4 Stunde zurückgelegt, d. h. mit einer stündlichen Geschwindigkeit von 60 km. Der mittlere Stromverbrauch pro Tonnen-Kilometer auf den Unterstationen gemessen, beträgt 50 Watt. Die bisherigen Betriebsverhältnisse sind in jeder Hinsicht durchaus be friedigende und haben alle Hoffnungen übertroffen. Der Verkehr ist folgender maßen gestiegen: Im ersten Betriebsjahre der elektrischen Vollbahn wurden von den elektrischsn Zügen insgesamt 11 Millionen km zurückgelegt, während diese Zahl in dem vorhergehenden letzten Dampfbahnjahre nur 4,769,000 km betrug, d. h. die mittlere von den Zügen pro Tag zurückgelegte Kilometerzahl betrug im 1. Jahre 580, sie beträgt jetzt 3712 d. i. etwa 7mal soviel. Trotz Ver minderung des Fahrgeldes um 50 pCt. stiegen die Einnal men in den ersten 9 Monaten des ersten elektrischen Betriebsjahres auf 993,150 Lire, während sie im letzten Dampfbahnjahre für denselben Zeitraum nur 663,000 betrugen. Die Maximal-Einnahme pro Tag betrug bei Dampfverkehr 22,900, beim elektrische 11 Betrieb 50,000 Lire. Alles in Allem hat die Einführung des elektrischen Be triebes den Bahnverkehr außerordentlich gehoben. Die ganze elektrische Aus rüstung wurde durch die französische Thomson-Houston de la Mediterrane geliefert. Erfindung eines Verfahrens, Selen in einen Elektrizitätsleiter zu verwandeln. Der Zentral-Zeitung für Optik- und Mechanik entnehmen wir folgende interessante Ausführungen des Herrn A. Knothe, Salzungen: Als ieh damit beschäftigt war, einen Apparat herzustellen, bei dem eine lichtempfindliche Selenzelle eine Rolle spielen sollte, stellte ich eine Reihe von Versuchen mit Selen an, und erfand ein Verfahren, dieses Element in einen Leiter zu verwandeln, der jedoch die Elek trizität nicht wie krystallinisehes Selen vornehmlich bei Licht, son dern auch in der Dunkelheit leitet, überhaupt dieselben Eigenschaften hat wie ein Körper, den man als „absoluten“ Leiter bezeichnet. Die neue Entdeckung hat hauptsächlich deshalb Wert, daß man nun mehr über die Konstitution des Selens und seine Eigenschaften zu klaren Ansichten gelangen kann. Selen zählte man früher zu den Nichtleitern, weil man nur das amorphe, schwefelähnliche Selen, nicht aber auch das krystallinische in dieser Beziehung untersuchte. Daß geschmolzenes Selen, das man langsam erkalten läßt, krystallinisch wird war bekannt. Erst in neuerer Zeit ist durch die Entdeckung, daß krystallinisehes Selen die Elektrizität leitet und daß das Leitungsvermögen von der Be leuchtung abhängt, die Aufmerksamkeit wieder auf dieses im Jahre 1818 von Berzelius entdeckte Element gelenkt worden. Die erste praktische Anwendung dieser Eigenschaft geschah 1880 an dem von Bell erfundenen Photophon. Um Selen in die krystallinische Form zu überführen ist es nötig, dasselbe zuerst zu schmelzen, hierauf rasch auf 210° abzukühlen und längere Zeit auf dieser Teperatur zu erhalten. Dabei steigt die Tem peratur von selbst auf 217°—dem Schmelzpunkt des Selens — und es bilden sich bleigraue Krystalle mit den angegebenen Eigenschaften. Dies läßt sich jedoch, wie man ohne weiteres einsehen wird, durchaus nicht leicht exakt durchführen. Die eine Schwierigkeit besteht darin, die Masse bis genau zur angegebenen Temperatur zu erkalten, die andere, sie dauernd auf derselben zu erhalten. Dies veranlaßte mich, zu versuchen, ob sieh nicht noch ein anderer Weg finden lasse, Selen in einer Form zu erhalten, in der es die erwähnte eigentümliche Eigenschaften besitzt, und diese Versuche führten zu der neuen Entdeckung. Die Versuche nahmen mehrere Wochen Zeit in Anspruch, ge langten jedoch rasch zum Abschluss, als durch das aufmerksame Studieren des Verhaltens des Selens gegen Reagentien ein Weg deut lich vorgezeichnet schien. Amorphes Selen ist an den Kanten rot durchscheinend. Selen wird außerdem aus seinen Sauerstoffver bindungen durch reproduzierende Mittel rot niedergeschlagen, so z. B. aus seleniger Säure (Se O s ). Letzteres führte dazu, Selen mit Me tallen zu vergleichen, welche ebenfalls aus ihren Sauer Stoff Ver bindungen reduziert werden können. Selen in reduzierter Form und von roter Farbe muß also die Elektrizität besser leiten als solches, was vielleicht durch Wärme oxydiert worden ist und braun- oder grauschwarze Farbe hat. Diese Kombination erwies sieh später als vollkommen richtig. Bevor ich jedoch Versuche damit machte, studierte ich zunächst das Verhalten des Selens beim Sublimieren und fand, daß man dabei eine Reihe von Selenmodifizierungen erhält, die ver schiedene Eigenschaften haben. Das Sublimieren wurde in folgender Weise ausgeführt. Ein kleines Quantum Selen wurde auf einem Eisenblech verdampft und auf einer ungefähr 5 cm darüber befindlichen Sehieferplatte, an welche es sieh in feinen Nadeln ansetzte, aufgefangen. Das Entweichen der Selendämpfe, welche wie faule Rettiche riechen, verhinderten Seiten wände aus Gips. Gips wurde deshalb genommen, damit die Wärme nicht so schnell zur Schieferplatte gelangen konnte, denn dieselbe darf keine zu hohe Temperatur haben und der Prozeß muß deshalb öfter unterbrochen werden, oder man muß immer genügend abge kühlte Schieferplatten zum Zudecken verwenden. Das Selen setzt sich nun meist in feinen Nadeln, weniger in kompakten Massen ab, welche von sehr verschiedener Farbe sein können. Die Nadeln haben verschieden graue, rötlich-graue, rote, rötlich-weiße und weiße Farbe. Es sind Verbindungen des Selens mit Sauerstoff in verschiedenen Graden. Ich muß darauf aufmerksam machen, daß man bisher in Gelehrtenkreisen über das Selen noch zu keiner bestimmten klaren Ansicht gelangt ist, seitdem die Entdeckung, daß krystallinisehes Selen leitet, die alte Anschauung, daß es ein Nichtleiter und Nicht metall sei, umgeworfen hat. Diese meine neue Entdeckung ist jedoch geeignet, über das, was Selen ist, völlig aufzuklären. Nach meinen