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ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU. 308 XXI. Jahrgang. No. 23. 1903/1904. Elektrische Lokomotiven für Industriebahnen. Von den Verwendungen des elektrischen Stromes in größeren Anlagen ist es namentlich der Bergbau, der sich für seineZwecke der Elektrizität bemächtigt hat und die Grubenverwaltungen haben der Elektrotechnik in hohem Maße ihre Aufmerk samkeit zugewandt. Und tatsächlich dürfte wohl kein an deres industrielles Gebiet zu so vorteilhafter Anwendung der Elektrotechnik geeignet sein, wie die Berg- und Hüttenin dustrie, welche ja auch den Kern des Abnehmerkreises der Elektrizitätsindustrie darstellt. Es ist namentlich die schnelle und leichte Installation und die einfache Erzeu gung des elektrischen Stromes die vorzugsweise ins Gewicht fallen. Bei elektrischen Leitungen hat ein etwaiger Verlust, der bei Dampfleitungen die Gruben unzugänglich, bei Wasser den Boden schlecht oder unter Umständen unpassierbar macht, keinerlei Unzuträglichkeiteu im Gefolge. Infolge dessen hat sich in Bergbaukreisen die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß ein rationeller Betrieb ohne Zuhilfe nahme der Elektrizität unmöglich ist und wer die noch vor etwa 10 Jahren in den Bergbaubetrieben herrschenden Zu stände mit den heutigen vergleicht, der wird dieser Meinung sofort beistimmen, ganz abgesehen davon, daß in hygi enischer und sieberheitstechnischer Beziehung außerordent lich gewichtige Gründe für die Anwendung der Elektrizität in weitestem Maße sprechen. sekundlichen Geschwindigkeit von 3 in zu ziehen. Der geringste Radius auf der Strecke beträgt 8 m, die maximale Steigung 6 °/ 00 . Fig. 1. Neben dem elektrischen Be triebe von Ein zelmaschinen, wie Ventilatoren ,För- dermaschinen, Bohrmaschinen, Zündapparate, W asserhaltungen u. s. w. sind es besonders die elektrischen Bah nen, die für die Förderungen un ter und über Tage in hervorragen der Weise Ein gang im Bergbau gefunden haben. Ihre starke Aus breitung und die Gründe für diese kräftige Entwicklung sind zu bekannt, als daß hier näher darauf eingegangen werden müßte. Die gleichen Vorzüge des elektri schen Zugbe triebes, die den Straßen bahnen zu so gro ßer Ausdeh nung verholfen haben, sind nun auch maß gebend für die immer mehr zu Tage tretende Bevorzugung elektrischer Transportbah nen im Fabrik betriebe und ganz besonders im Berg- und Hüttenwesen. Hier tritt hauptsächlich die Leichtig keit, mit der sieh der elek trische Antrieb den verschie densten örtli chen Verhält nissen anpas sen läßt, in den Vordergrund und sehafft zusammen mit der bequemen Kraftzufuhr und Regulierung in der elektrischen Lokomotive ein Hilfs mittel für den Transport von Gut jeglicher Art, wie es einfacher und ökonomischer wohl kaum gedacht werden kann. Die Fig. 1 — 3 beziehen sieh auf Grubenlokomotiven der Steinkohlengewerkschaft Charlotte in Czernitz, welche von der E. A. G. vorm. W. Lahmeyer u. Co., Frankfurt a. M. geliefert wurden. Sie sind für eine Spurweite von 420 mm und für eine mittlere Zugkraft am Haken von 180 kg gebaut u. imstande, eine Bruttolast von 15 (maximal 21) beladenen Kohlenwagen gleich einem Gewicht von 15 t (bezw. 21 t) bei einer Fig. 3. Das Gehäuse der Lokomotiven besteht aus Gußeisen und besitzt eine Höhe von rund 1130 mm bis zur Abdeckplatte und eine Gesamtlänge über den Puffern gemessen, von 2435 mm. Das Gesamtgewicht beträgt ca. 3 t, der Radstand 702 mm. Betrieben wird die Loko motive von einem Gleichstrommotor für 9 PS bei 650 Minuten umdrehungen und 350 Volt, der mit Vorgelege und Zwischen vorgelege auf beide Laufradachsen arbeitet. Die Aufhängung des Antriebsmotors ist besonders kräftig gehalten, um starken Stössen Widerstand leisten zu können. Die Lager des Motors sind reichlich bemessen und mit ausgiebiger Schmierung versehen, deren Anord nung ein Eindringen von Fett und Oel in den Motor selbst aus schließt. Der ganze Motor ist, wie aus der Figur ersichtlich, von einem staub- und wasserdichten Gehäuse umschlossen, welches gleichzeitig einen wirksamen Schutz gegen mechanische Beschädigungen bietet. Für die Isolation der Wicklung sind ausschließlich in lang jähriger Praxis erprobte Isolationsmaterialen zur Anwendung gekommen. Der Führersitz ist an dem einen Ende der Lokomotive seitlich derart angeordnet, daß Bremse und Kontrollerkurbel bequem bedient werden können (s. Fig. 1). Die Bremse ist als Differentialbandbremse mit Bronzebelag ausgeführt und wirkt auf die letzte Zwischenvorgelege welle. Die Kontroller bestehen aus einer Anlaßwalze mit magnetischer Funkenlöschung und einer Umschaltewalze zur Umkehrung der Dreh richtung des Motors. Beide Walzen sind derart gegeneinander gesperrt, daß ein Umschalten nur in der Nullstellung möglich ist. Die Fahrdrahthöhe beträgt in dieser Anlage 1700 mm. Durch selbst tätig umlegbare Bügelstromabnehmer, welche für die geringe Fahr drahthöhe besonders konstruiert sind, wird der Betriebsstrom den Leitungen entnommen. Ein Schnitt durch die Lokomotive im unge fähren Maßstabe von 1:20 ist in Fig. 3 wiedergegeben. Eine Tageslokomotive ist von derselben Gesellschaft an die Salinas de la Trinidad in San Carlos (Spanien) geliefert worden. Die Spurweite der Geleisanlage beträgt 775 mm, der kleinste Kurvenradius 30 m. Die Lokomotive ist gebaut für eine maximale Bruttolast von 34 t, die sich auf 20 Wagen verteilt, die Zugkraft am Haken beträgt in der Ebene ca. 350 kg, die Fahrgeschwindigkeit ca. 3,9 m. i. d. Sek. Die Lokomotive selbst wiegt ca. 4 t. Der Führerstand ist in der Mitte der Lokomotive angeordnet und mit Glasfenstern verschlossen. Der Sitz ist an der einen Seitenwand in solcher Höhe angebracht, daß der Führer das Geleise nach beiden Richtungen übersehen kann. Außer dem mit der linken Hand zu bedienenden Kontroller und der zur Rechten angeordneten Bremse enthält der Führerstand in bequem erreichbarer Höhe Ausschalter und Sicherungen für die Lampen, sowie den Maximalautomaten, der bei unzulässigem Ansteigen des Stromes die Zuleitung unterbricht. Ein in Augenhöhe angebrachter Strommesser ermöglicht dem Führer ein Urteil über die jeweilige Leistung der Motoren. Für die Bremsung ist eine Spindelbremse vorgesehen, welche auf alle vier Räder wirkt. Die Stromzuführung von dem in 5 m Höhe aufgehängten Fahrdraht wird durch einen Bügelstromabnehmer bewirkt. Die ganze Lokomotive ist in Blechkonstruktion ausgeführt, der Rahmen ist doppelwandig, die Gesamtlänge, über den Puffern gemessen, beträgt 3440 mm, die Höhe 2400 mm. Die Lokomotive ist mit zwei Gleichstrom-Motoren zu je 11 PS bei 575 Minuten umdrehungen ausgerüstet, welche die beiden Achsen durch ein einfaches Rädervorgelege antreiben. In den Figuren 4—6 sind Lokomotiven wiedergegeben, die für Betriebe über und unter Tag bestimmt sind. Sie sind an Ch. & J. Collart, Bergbau- und Hüttenbetrieb in Esch-Höhl (Luxemburg) von der E. A. vorm. W. Lahmeyer & Co. geliefert und für eine maximale Zugkraft von 1000 kg am Haken bemessen. Auf einer Steigung bis zu 40°/oo sind die Lokomotiven imstande 8 Hunde, die