Volltext Seite (XML)
elektrotechnische Rundschau — Polytechnische Rundschau — Zeitschrift für die Gesamt ^Interessen der elektrischen Industrie. Verlag von: G. L. DAUBE & Co., Frankfurt a. M. Expedition : Frankfurt a. M., Kaiserstrasse 10. Fernsprechstelle No. 586. Redaktion: Fr. Liebetanz, Düsseldorf, Herderstr. 10. Abonnements werden von allen Buchhandlungen und Postanstalten zum Preise von Mk. 4.— halbjährl., Mk. 8 — ganzjährl.. angenommen. Inserate nehmen ausser der Expedition in Frank furt a. M. sämtliche Annoncen-Expe ditionen und Buchhandlungen entgegen. Insertions-Preis: pro 4-gespaltene Petitzeile 30 Berechnung für 1 j u ‘/ 2 , '/ 4 und ‘/s Seite Erscheint am 1. und 15. jeden Monats. nach Spezialtarif. XXI. Jahrgang. Frankfurt a. M., den 1. Mai 1904. Heft 15 Alle für die Redaktion bestimmten Zuschriften werden erbeten unter der Adresse: Redaktion der „Elektrotechnischen Rundschau“ Beiträge für den elektrotechnischen und polytechnischen Teil sind willkommen und werden gut honoriert. , Düsseldorf, Herderstr. IO Mit dem vorliegenden Hefte der Elektrotechnischen Rundschau haben wir zur Erhöhung der Uebersichtlichkeit des Inhaltes verschiedene Aen- derungen in der Texteinteilung eintreten lassen. Hierdurch erschien auch eine Verlegung der bisher an dieser Stelle befindlichen «Umschau in In dustrie und Technik« angebracht, die von nun an unter dem Titel Industrielle Rundschau in dem neugestalteten «Geschäftlichen Teile« erscheint. Redaktion der Elektrotechnischen Rundschau, Polytechnischen Rundschau. Welches ist die nächste Aufgabe der Studien gesellschaft für elektrische Schnellbahnen? Von A. Hecker, Wiesbaden. Die seitens der preußischen Staatsbahn neuerdings augestellten Versuche, mit Dampflokomotiven höhere Geschwindigkeiten zu erzielen, haben einesteils, wie vorauszusehen war, vorläufig die Untauglich keit des vorhandenen Oberbaues, andernteils aber die Richtigkeit des von mir in Heft 7 der „Elektrotechnischen Rundschau“ Behaupteten ergeben. Und wenn es tatsächlich gelingen sollte, mit Dampfbetrieb höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, ohne wesentlich an Wirtschaftlichkeit einzubüßen, so werden wir vermutlich auf die Einführung des elektrischen Betriebes noch recht lange warten müssen. Es giebt meines Erachtens jedoch einen Weg, welcher geeignet ist, die Elektrisierung der Vollbahnen gegenüber den bisher aufgetauchten Projekten ein so vorteilhaftes Gepräge zu verleihen, daß sich auch der Staat dauernd nicht bloß in wohlwollender Stellung verhalten kann, sondern schließlich auch einmal zur Tat übergehen muß. Mit dem Weg, welcher die Elektrisierung der Vollbahnen schneller ihrem Ziel entgegenführen soll, meine ich die Anwendung des Sehwebebahnsystems. Dieses System hat den großen Vorzug, daß es, sofern man die Trace mit der bestehenden der Dampfbahnen zusammenfallen läßt, keinen Grund und Boden beansprucht. Ich wiederhole, „sofern man die Trace mit der bestehenden der Dampfbahnen zusammenfallen läßt“. Auf dieses Verfahren d. h. auf die Vereinigung der Linien beider Systeme, des vorhandenen und des neuen, ist der besondere Nachdruck zu legen. Während also die vorhandenen Gleise dem Lokal- und haupt sächlich dem Güterverkehr verbleiben, wird gewissermaßen eine Etage höher der Schnellfernverkehr sich abwickeln. Die vorhandenen Empfangsgebäude können auf solche Weise dem neuen Verkehrsmittel ohne Weiteres nutzbar gemacht werden - und die Gesamtdisposition und -Organisation bleibt im Wesentlichen ungeändert. Die Umgehung von Tunnels oder Unterführungen und die Abänderung von Brücken spielen bei der Behandlung dieser Frage jedenfalls eine weit geringere Rolle als die Anlegung des andernfalls zu fordernden dritten Gleises für den Güterverkehr. Nebenbei bemerkt würde die Anwendung des Schwebebahn systems aueh zum Teil die mit den Straßenübergängen gegen wärtig verbundene Kalamität beseitigen können. Ehe nun allerdings der Staat sich ernstlich mit der Prüfung einer Frage von so einschneidender Bedeutung befassen kann, müßte j die Technik den Nachweis absoluter Zuverlässigkeit des Systemes erbringen, und hierzu ist unzweifelhaft die Studiengesellschaft für Schnellbahnen berufen, weil sie ihre bisherigen Erfahrungen großen Teils bei den Versuchen mit Schwebebahn wagen verwerten und so zu deren Erfolg beitragen kann. Ich zweifle nicht daran, daß das Ministerium der öffentlichen Arbeiten die bisher für die Versuche überlassene Strecke auch zur Erprobung der Schwebebahn freigeben wird, zumal es sich nur um die Inanspruchnahme des oberhalb des Bahnkörpers befindlichen Luftraumes und der für die Errichtung der Strebepfeiler erforderlichen geringen Flächen seitlich der Fahrbahn handeln würde. Es erscheint mir auch ohne Weiteres angängig, den Schwebe bahnfahrzeugen hochgespannten Drehstrom zuzuführen und zwar mittels dreier besonderer Drähte, genau wie bei den beiden Schnell bahnwagen. Auf die anders geartete Eigenbewegung des Wagens zu seiner vertikalen Achse muß natürlich durch entsprechend geformte Stromabnehmer Rücksicht genommen werden. Ich bin der Ansicht, daß das erstrebenswerte Ziel nicht in der Erlangung außerordentlich hoher Geschwindigkeiten zu erblicken ist, sondern daß die dichtere Zugfolge in Verbindung mit einer maximalen Fahrgeschwindigkeit von 150 km unseren Wünschen viel näher liegt. Wichtig ist, daß die Schwebebahn die Befahrung kleinerer Krümmungshalbmesser bis zu 500 m herab bei der angegebenen Maximalgesehwindigkeit ermöglicht. Gerade in der Erforschung der Werte für den kleinsten Radius bei verschiedenen Geschwindigkeiten liegt eine der Hauptaufgaben der anzustellenden Versuche. Geradezu verführerisch ist jedenfalls die Eigenschaft der Schwebebahnen, den Raum nutzbar zu machen, der sonst völlig brach liegt und beim Grunderwerb, sofern der in Frage kommende Boden als Bauplatz hätte Verwendung finden können, bis zu gewisser Höhe mitbezahlt werden muß. Dort aber, wo die Schwebebahn ans irgend welchen Gründen etwa besondere Wege einzuschlagen und von der bestehenden Trace abzuweiehen gezwungen sein sollte, bleiben Wiesen, Aecker oder, welchem Zweck der Boden sonst dienen mag, demselben größtenteils erhalten; auch macht bei kleinen Flußläufen die Trage konstruktion an sich die Anlage teurer Brückenbauten entbehrlich. Es ist mir bislang nicht klar geworden, warum die Einführung der Schwebebahnen — wie beispielsweise jetzt wieder in Hamburg — auf solchen Widerstand stößt, denn ästhetische Rücksichten allein können unmöglich den Ansschlag geben, nachdem wir oft genug erfahren haben, daß das menschliche Auge sieh sehr schnell an Neuerungen gewöhnt, die ihm erst als Beleidigung erschienen. Ich denke mir übrigens die Fahrt in einem vom Erdboden weiter ent fernten, schnell bewegten Wagen schon deshalb behaglicher, weil bei hohen Geschwindigkeiten das Auge in dem Bestreben, einen Ruhe punkt zu finden, durch die größere Entfernung unterstützt wird. Daß die Strebepfeiler den Ausblick störend beeinflussen, kann aller dings nicht bestritten werden. Die mit dem Sch webebahn wagen anzustellenden Versuche müßten auch darüber Aufschluß geben, inwieweit durch Verschiebung des Schwerpunktes eine Verminderung der schwankenden Bewegung erzielt werden kann. Desgleichen zählt die Verringerung des Luft widerstandes zu den Aufgaben, deren Lösung in den Rahmen der Versuche fällt. Uebrigens gestattet die Schwebebahn in dieser Hin sicht dem Konstrukteur weit größere Freiheit als die Standbahn. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, auf die wenig passenden Bezeichnungen „Schwebebahn“ und „Standbahn“ aufmerksam zu machen. Erstens versteht man unter „schweben“ etwas Anderes als die von der Schwebebahn beobachtete Bewegung und zweitens drückt das Wort Standbahn den Unterschied nicht präzise aus und ist auch schon deshalb unlogisch, weil eine Bahn ihren Zweck nicht im „stehen“, sondern im fahren, laufen oder rollen hat. Der Schwebebahn fehlt der Boden, auf dem sie sich bewegt; sie hängt, und, da „hängen“ eine Bewegung nicht ansschließt, ist es richtiger, an Stelle des Wortes „Schwebebahn“ den Ausdruck „Hänge bahn“ zu setzen, während die Bezeichnung der auf festem Boden laufenden Bahn als „Bodenbahn“ sich aus dem Gesagten von selbst ergiebt. Die Versuche hätten sich des Weiteren mit der Konstruktion von Weichen zu befassen, da diese bei großen Haupt- und End stationen, sofern mehrere Linien münden, ohne erhebliche Verteuerung des Systemes sich nicht vollständig vermeiden lassen werden. Selbst verständlich kommt die Prüfung solcher Einzelheiten erst in zweiter Linie in Frage, die Hauptsache bleibt die Erzielung relativ großer Fahrgeschwindigkeit, Feststellung des dabei möglichen kleinsten Radius und die Ermöglichung ruhigen und tunlichst schwankungs freien Fahrens. Mir erscheint die Frage der Anwendung der Hängebahn für Schnellfahrten wichtig genug, um deren Prüfung den bisherigen Schnellbahnversuchen direkt anzugliedern, und die Studiengesellschaft hat meines Erachtens das größte Interesse daran, auch diese Ver suche selbst in die Hand zu nehmen. Erst dann hat sie nach dem heutigen Stand der Technik ihre Aufgabe voll erfüllt und braucht um den Erfolg ihrer Bemühungen nicht zu bangen.