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Elektrotechnische Rundschau — Polytechnische Rundschau — Zeitschrift für die Gesamt=lnteressen der elel<triscjiefl Industrie. Verlag von: G. L. DAUBE & Co, Frankfurt a. M. Abonnements «erden von allen Buchhandlungen und Postanstalten zum Preise von Mk. 4.— halbjährl., Mk. 8 — ganzjährl., angenommen. Expedition: Frankfurt a. JYl., Kaiserstrasse 10. Fernsprechstelle No. 586. Redaktion: Fr. Liebetanz, Düsseldorf, Herderstr. 10. Inserate 'ausser der Expedition in Frank- 0 ß furt' ; a. M. jsämtliche Annoncen-Expe- M / ditipnen Buchhandlungen entgegen. •, % : £ Insertions-Preis: ■'pro^'^-gespaltene Petitzeile 30 4^. Berechnung für l /i, V», 'U und % Seite Erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — nach Spezialtarif. XXI. Jahrgang. Frankfurt a. M., den 15. März 1904. Heft 12 Alle für die Redaktion l •« stimmten Zuschriften werden erbeten unter der Adresse: Redaktion der „Elektrotechnischen Rundschau“ Beiträge für den elektrotechnischen und polyt< chnischen Teil sind willkommen und werden gut honoriert. , Düsseldorf, Herderstr. io. Umschau in Industrie und Technik. Die Beratungen der 16. Kommission des preußischen Abgeord netenhauses betreffend den Gesetzentwurf über die Prüfung und Ueberwachung elektrischer Anlagen schreiten nur langsam voran; hierdurch gewannnen die beteiligten Kreise Zeit, den Standpunkt, welchen die Regierung dem Gesetzentwürfe gegenüber einnimmt, näher zu beleuchten. Das Resultat ist ein derartiges, daß man sich verwundert fragt, ob wir wirklich mitten in einer der größten Epochen industrieller Entwicklung und technischer Intelligenz leben, oder erst an deren Schwelle stehen, in den ersten Anfängen der Starkstromtechnik begriffen sind. Der ominöse grüne Tisch hat sicher seit langer Zeit nicht die geduldige Unterlage, für eine Be hauptung abgegeben, welche die elektrotechnische Industrie auf das schwerste zu schädigen gegeignet ist. Bei den Beratungen der Kom mission hat der Regierungsvertreter nämlich erklärt, daß 62 pCt. aller Brände durch fehlerhafte elektrische Anlagen in letzter Zeit entstanden seien. Auch der Nichtteehnicker muß sofort erkennen, daß die enorme Höhe dieser Zahl unmöglich stimmen kann, dem Techniker würden vielleicht anstatt der 62°/ 0 6,2% als möglicherweise richtig vor- sehweben, wie aber an Hand ei ner amtlichen Statistik vom Re gierungstische aus die erstere Zahl als den Tatsachen ent sprechend bezeichnet werden kann, ist unerklärlich und es wäre interessant, näheres über die Statistik und deren Zustandekommen zu erfahren. Mit Recht wurde seitens eines Abgeordneten da rauf hingewiesen, daß die Elek trizität nicht gefährlicher sei, wie Gas und viele der anf das Konto der ersteren gesetzten Unfälle haben Ursachen, welche mit der Elektrizität nichts zu schaffen haben. Tatsächlich ist das Wort nicht umsonst geprägt worden: „Was man sich nicht erklären kann, sieht man als einen Kurzschluß an.“ Wenn in der Begründung zu dem Gesetzentwurf dennoch dem Kurzschluß zahlreiche Brandunfälle und „beklagenswerte Verluste an Menschen leben“ zur Last gelegt werden, so kann man auf der anderen .Seite ruhig behaupten, daß bis jetzt bei allen Bränden und Unfällen, welche der Kurzschluß verursacht haben soll, noch nicht ein einziges Mal ein einwandsfreier Beweis hierfür erbracht worden ist. In allen Fällen handelte es sieh um mehr oder weniger begründete Mutmaßungen, auf welche sodann Behauptungen aufgebaut wurden, die durch eine oberflächliche Presse unbesehen kolportiert wurden. Daß sich die angezogene Statistik auf solche schwankende Ver mutungen stützt, scheint nach der Aufstellung der hohen Ziffer von 62 pCt. mehr als wahrscheinlich, obgleich es eigentlich unglaublich ist, auf Grund von Mutmaßungen gegen eine der stärksten Trägerin der deutschen Industrie die schwere Anschuldigung zu erheben, weit über die Hälfte aller Brände in den letzten Jahren veranlaßt zu haben. Gegenüber dem Standpunkte der Regierung konnte nur eine prompte Widerlegung der Behauptung am Platze sein und in ebenso erfreulicher wie gründlicher Weise erfolgte diese durch den Verein deutscher Maschinenbau-Anstalten, die Schiffbautechnische Gesell schaft und den Verein deutscher Ingenieure, welche an die Mit glieder der genannten Kommission ein Schreiben richteten, in dem es heißt: „Wir gestatten uns darauf liinzuwei-en, daß nach der offiziellen Statistik des Verbandes deutscher Privat-Feuerversicherungs-Gesellschaften in den letzten 3 Jahren bei 18 Verbandsgesellschaften durchschnittlich in jedem Jahre 58000 Bräi de vorgekommen sind, wovon als auf elektrische Anlagen zurückzuführen gemeldet wurden 1900: 270, 1901: 265 und 1902: 238, durchschnittlich also 258 Brände. Hiernach entfallen nicht 62 pCt., sondern nur 0,44 pCt. sämtlicher Brände auf elektrische Anlagen. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß man eine große Reihe von Füllen mutmaßlichem Kurzschluß, mutmaßlichen elektrischen Funken, mutmaßlichen Isolationsfehlern usw. zugesehiieben hat. Würde man nur die durch wirklich erwiesene Fehler der elektrischen Anlagen hervorgerufene Brände in Bucksicht ziehen, so dürften diese kaum % pCf. sämtlicher Brände betragen. Von einer besonderen Feuergefährlichkeit der elektrischen Anlagen kann man angesichts dieser Statistik doch wohl ernstlich nicht sprechen.“ Außerdem hat der Verein deutscher Ingenieure im besonderen den Passus in der Begründung des Gesetzentwurfes widerlegt, welcher lautet: „Die Unfälle durch Starkstromleitungen bilden eine fast ständige Rubrik in den Tageszeitungen, und ebenso fordert die Verwendung elektrischen Stromes in den Fabrikbetrieben und Bergwerken jährlich zahlreiche Opfer.“ Hierzu wird bemerkt: Nach der amtlichenUnfallstatistikfür das Reich vom Jahre 1897 (eine neuere Veröffentlichung ist noch nichterfolgtlhabenimJahrel 897 insgesamt45971 entschädigungs pflichtige Unfälle stattgefunden. Davon entfallen: auf Elektromotoren und Dy namomaschinen 9, auf elektrische Leitungen 19. Von den 9 Unfällen an Elektromotoren und Dynamo maschinen sind mindestens 4 nicht auf den elektrischen Strom zurückzuführen, sondern auf Quetschungen und dergl., wie sie bei jeder anderen Maschine auch Vorkommen. Also 28 Unfälle auf 45971, d. i. 0,06 pCt. der sämtlichen Unfälle! Gegen über folgenden Zahlen ist es nicht möglich, die Behauptung aufrecht zu erhalten, daß elek trische Anlagen außergewöhn lich gefährlich seien. Diese unzweideutigen Beweise der vollkommenen Haltlosigkeit der seitens der Regierung gegen die elektrischen Anlagen erhobenen Vorwürfe müssen den ganzen Gesetzentwurf bedenklich erscheinen lassen, ebenso bedenklich, wie der nicht zur Annahme gelangte Ent wurf eines Reichs-Elektrizitäts-Gesetzes von 1891. Trotzdem wäre unter gewissen Bedingungen das letztere die einzige Möglichkeit, den Erfordernissen der Industrie einheitlich gerecht zu werden. Es ist zwar anzunehmen, daß die übrigen Bundesstaaten das preußische Gesetz unverändert zu dem ihrigen machen, doch sind auch Aus nahmen' möglich, und was dann? Die Buntscheckigkeit (Deutsch lands könnte unter solchen Umständen der elektrischen Industrie viele Unbequemlichkeiten und Hindernisse bereiten. Daß die er wähnte Möglichkeit vorliegt, ergibt sich aus dem ablehnenden Ver halten der übrigen Regierungen gegenüber dem Entwurf. Ein dahin gehender Antrag, welcher bei der Kommission während der Be ratungen am 1. März einging, sprach sich auch in dieser Richtung aus. Leider wurde er nach kurzer Debatte abgelehnt. Die Besprechung konzentrierte sich dann vornehmlich um die Frage, von wem und nach welchen Grundsätzen die Ueberwachung ausgeübt und dann, wie es zu vermeiden sei, daß unnötige Kosten entstehen. Seitens der Regierung wurde erklärt, daß man die elek trische Industrie keineswegs belästigen, im Gegenteil, die interessierten Die schnellste Dampf-Lokomotive der Welt. 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