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Elektrotechnische Rundschau Zeitschrift für Abonnements werden von allen Buchhandlungen und Postanstalten zum Preise von Mk. 4.— halbjährl., Mk. 8. ganzjährl., angenommen. — Polytechnische Rundschau — die Gesamt=Interessen der elektrischen Industrie. Verlag von: G. L. DAUBE & Co., Frankfurt a. M. Expedition: Frankfurt a. M., Kaiserstrasse 10. Fernsprechstelle No. 5S6. Redaktion: Fr. Liebetanz, Düsseldorf, Herderstr. 10. Erscheint am 1. und 15. jeden Monats. Inserate nehmen ausser der Expedition in Frank furt a. M. sämtliche Annoncen-Expe ditionen und Buchhandlungen entgegen. Insertions-Preis: pro 4-gespaltene Petitzeile 30 Berechnung für %, x / 4 und x / 8 Seite nach Spezialtarif. XXI. Jahrgang. Frankfurt a. M., den I. März 1904. Heft II Allo für die Redaktion bestimmten Zuschriften werden erbeten unter der Adresse: Redaktion der „Elektrotechnischen Rundschau“, Düsseldorf, Herderstr. IO. Beiträge für den elektrotechnischen und polytechnischen Teil sind willkommen »und werden gut honoriert. Umschau in Industrie und Technik. Als ein bedeutsames Ereignis für die zukünftige Gestaltung der Dampf turbinen-Industrie ist der nun erfolgte Zusammenschluß einiger Weltfirmen zu betrachten, der die von Escher, Wyß & Co. gebauten Dampfturbinen System Zoelty zum Gegenstände hat. Nachdem die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft ihre Ver bindung mit der General Electric Company vollzogen hatte, welche nicht zuletzt in der Curtis-Turbine ihren Schwerpunkt findet und nachdem eine weitere Vereinigung mit der Brown, Boveri-Gesellschaft bezüglich der von dieser gebauten Parsons-Turbine zu Stande gekommen war, war es für einige andere Werke eine zwingende Notwendigkeit, dieser festgeschlossenen geschäftlichen Phalanx eine andere gegenüber zu stellen, wenn man nicht anders in eine Nebenrolle zurückgedrängt werden wollte. Es handelte sich hierbei in erster Linie um die Siemens- Sehuekert Werke, denen ihre mächtige Bivalin, die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft auf dem Fusions- und ganz besonders auf dem Dampfturbinengebiete etwas zuvorgekommen war. Hinsichtlich des ersteren Punktes blieben auch nach den intensiven Vereinigungen der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft noch eine Reihe Anschlüsse offen, während sich bezüglich der Dampfturbinen die Verhältnisse insofern ziemlich ungünstig für die außenstehenden Werke gestalteten, als durch die Rathenau’sche Konzentration so ziemlich alle bemerkens werten Konstruktionen unter einen Hut gebracht worden waren. Es zeigte sich schließlich aber doch, daß auch in dem anscheinend so fest geschlossenem Ringe eine Lücke vorhanden war, in die eigentlich die Zoelty-Turbine gehörte. Dieser Maschinenkonstruktion hat sich nun eine Gruppe bemächtigt, welche allererste Firmen der deutschen Industrie umfaßt. Die Siemens-Schuckert Werke, Friedr. Krupp, Aktiengesellschaft, Augsburger Maschinen fabrik mit Werk Nürnberg, Norddeutscher Lloyd und Escher, Wyß & Co. haben hiermit eine Vereinigung geschaffen, die hinsichtlich der wirtschaftlichen Macht den A. E. G.-Turbinen konzern bedeutend überlegen ist und es bleibt nun abzuwarten, ob das auch hinsichtlich der nun konkurrierenden Turbinenkonstruktionen der gleiche Fall sein wird. Die Zoelty-Turbine hat hier einen schweren Stand, da ihr einerseits die bis jetzt überall vorherrschende Parsons-Turbine und andererseits zwei so .vorzügliche Konstruktionen wie die Riedler-Stumpf- und die Curtis-Turbine gegenüberstehen, deren bisherige Erfolge sich für die neue Vereinigung mehr oder weniger fühlbar machen werden, sobald sie in Konkurrenz treten wird. Jedenfalls beweist der neue Zusammenschluß, daß die pessimistischen Befürchtungen bezüglich der einseitigen Handhabung des Dampfturbinengeschäftes unbegründet waren, denn vorläufig ist wenigstens die Gewähr geboten, daß die Zoelty-Vereinigung für Dampfturbinen einen ver hältnismäßig offenen Markt geschaffen hat, auf dem nun auch andere aussichtsreiche Konstruktionen auftauchen werden, sobald sich die Erfahrungen einigermaßen geklärt haben werden. Der Wettlauf, welcher sich zwischen den beiden großen Elek trizitätsgesellschaften nun bald ein Jahr lang abspielt, ist mit der Gründung der beiden Turbinen-Syndikate in eine Phase getreten, welche wohl die bisher interessanteste ist. Haben sich doch damit beide Gesellschaften auf ein Gebiet begeben, das mit der Fabrikation elektrischer Artikel immerhin nur in losem Zusammenhänge steht, denn trotzdem die elektrische Industrie die beste Abnehmerin für Dampfturbinen werden dürfte, so liegt doch die Fabrikation dieser Maschinen abseits ihrer fabrikatorischen Tätigkeit, ganz ebenso wie die Herstellung aller anderen Antriebsmasehinen, wie Dampfmaschinen, Gasmotoren und Wasserturbinen. Der Siemens-Sehuckert-Konzern seheint von vornhinein eine Uebertragung der Dampfturbinen- Fabrikation auf die hierfür geeigneteren Maschinenfabriken in Essen, Augsburg, Nürnberg und Zürich vorgesehen zu haben, das A. E. G.- Syndikat hingegen schließt Werke dieser Art nicht ein, besteht überhaupt bis auf das Mannheimer Unternehmen von Brown-Boveri nur aus Elektrizitäts-Unternehmungen und mithin liegt die Wahr scheinlichkeit nahe, daß die A. E. G. selbst die Fabrikation von Dampfturbinen aufnehmen wird, zudem sie bereits die bisherigen Riedler-Stumpf-Turbinen haute. Ob mit dieser Dezentralisation der Interessen der Sache der A. E. G. gut gedient ist, sei dahingestellt. Die Erklärungen des preußischen Eisenbahnministers Budde, welche wir im letzten Hefte Wiedergaben, haben infolge des wohl wollenden Tones den Gedanken aufkommen lassen, daß die Ein führung der elektrischen Schnellbahnen in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit seien und die Linie Berlin—Hamburg hoffe man in garnicht allzuferner Zeit im Betriebe zu haben. Nun geht plötzlich eine anscheinend offiziös inspirierte Verlautbarung durch die Blätter, nach der in Deutschland elektrische Schnell bahnen vorläufig überhaupt nicht gebaut werden dürften. Als Grund wird angegeben, daß der Betrieb zu teuer kommt und ferner die notwendigen Aufwendungen für die Sicherung der Strecken und des Unterbaues zu hohe Kosten erfordern. Hin gegen sollen neue Dampf-Lokomotiven für die Hauptstrecken hergestellt werden, die eine Geschwindigkeit von 130 km pro Stunde erreichen. Am 6. Februar d. Js. wurde die erste derartige Maschine auf der Strecke Göttingen—Kreiensen erprobt, wobei eine (mit Dampf-Lokomotiven bis jetzt noch nicht erreichte) Geschwindigkeit von 127 km in der Stunde erzielt wurde. Die Lokomotive ist nach den Angaben des Regierungs- und Baurats im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Wittfeld, von der Firma Hen sc hei u. Sohn in Kassel erbaut. Sie tibertrifft natürlich alle bisherigen Lokomotiven an Größe und erregt wegen ihres eigenartigen Aussehens allgemeines Interesse. Der 27 m lange Koloß sieht einem D-Zug- Wagen nicht unähnlich, denn Maschine und Tender sind vollständig mit einem Blechmantel umkleidet und bilden deshalb ein geschlossenes Ganzes. Alles, was der Luft Widerstand entgegensetzt, ist bei dem Bau dieser Lokomotive möglichst reduziert; sie ist am Kopf keil förmig zugespitzt und selbst der Schornstein ragt nur 25 cm aus dem Blechgehäuse hervor. Das Triebwerk besteht aus drei Zylindern, von denen der mittlere, der auf die erste Treibachse wirkt, den Frischdampf empfängt; die beiden anderen Zylinder liegen außen am ! Rahmen und wirken auf die zweite Treibachse. Außer diesen beiden miteinander gekoppelten Treibachsen hat die eigentliche Lokomotive noch vier Laufachsen, von denen je zwei vorn und hinten in Dreh gestellen liegen. Der Tender besitzt ebenfalls zwei zweiachsige i Drehgestelle. Sämtliche Achsen der Lokomotive und des Tenders sind mit Hand- und Luftdruckbremse versehen, deren Bremsdruck den gewöhnlichen, bisher üblichen um zwei Atmosphären übersteigt. Die beiden Führer der Lokomotive haben ihre Stellung in dem } am vorderen zugespitzten Kopf der Lokomotive befindlichen Führer hause, das nach allen Seiten mit Fenstern ausgestattet ist. Die beiden Heizer befinden sich auf der entgegengesetzten Seite und j können sich mit den Führern durch ein Sprachrohr verständigen. Innerhalb des Blechgehäuses befinden sich um den Dampfkessel herum Laufgänge, um den gegenseitigen Verkehr zu erleichtern. Die Heizfläche des Kessels beträgt 257 qm; der Tender führt 20 cbm I Wasser mit sich und kann 140 Zentner Kohlen aufnehmen. Das Gewicht der Lokomotive beträgt 1580, dasjenige des Tenders 1140 Zentner. An der ersten Probefahrt dieser Lokomotive, die für eine stündliche Geschwindigkeit von 150 km (mit einer Be lastung von 40 Achsen) konstruiert ist, beteiligten sieh mehrere Beamte der Henschel’schen Fabrik und der Eisenbahndirektion Kassel. Auf der etwa 10 km langen und ziemlich gradlinigen Strecke zwischen Göttingen und der Haltestelle Bovenden wurde die höchste Geschwindigkeit erreicht, die zweifellos bei den nächsten Probefahrten erheblich gesteigert werden wird, da mit Rücksicht auf