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90 XXI. Jahrgang. .ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 9. 1903,1904 historikers J. H. von Hefner-Alteneck in Aschaffenburg geboren, besuchte er die technischen Hochschulen in München und Zürich und trat 1867 in die Telegraphenbau-Anstalt Siemens u. Halske in Berlin ein, die kurz vorher errichtet worden war. Er ge hörte der Firma ununterbrochen 23 Jahre als Oberingenieur und in den letzten Jahren als Mitglied des Aufsichsrates an Die Wertschätzung, deren sich der Vorstorbene erfreute, doku mentierte sich treffend während des Leichenbegängnisses. Die Königliche Akademie der Wissenschaften und die König liche Akademie des Bauwesens waren durch Abordnungen vertreten und Hessen ebenso wie zahlreiche andere Institute und Gesellschaften. prächtige Kränze mit ehrenden Inschriften an dem Sarge ihres Mitgliedes niederlegen. Als Vertreter des Reichs - Postamts nahmen an der Trauerfeier Unterstaats sekretär Sydow und der Vortragende Rat Geheimrat Berner, als Vertreter des Ministeriums des Innern Geheimrat Herrmann, Umschau in Industrie und Technik. Die von langer Hand vorbereitete Reorganisation der deutsehen Elektrizitäts-Industrie nimmt weit größere Dimensionen an, als bisher erwartet wurde. Zwar stand es fest, daß mit den Vereinigungen der großen Gesellschaften die in dieser Richtung geplanten Maßnahmen noch nicht erschöpft waren und ein Uebergreifen der Fusions bestrebungen in der einen oder anderen Form auch auf die Tochter unternehmungen des Auslandes zu erwarten war, aber die letzten Wochen brachten uns Nachrichten, die eine völlige Verschiebung der Verhältnisse dieser Industrie bedeuten. Inwieweit die kursierenden Gerüchte von neuen Zusammen schlüssen, Kapitalserhöhungen, Neugründungen u. s. w. auf bloßen Kombinationen oder Thatsachen beruhen, ist schwer zu erkennen, jedenfalls sprechen die Anzeichen dafür, daß wir uns mitten in einer bedeutsamen industriellen Umwälzung befinden, die über den Begriff einer Reorganisation weit hinauszugehen scheint. Die Schlag auf Schlag erfolgende Durchführung von Plänen, die noch kurz vorher erst in ganz unbestimmten Umrissen bekannt wurden und zu ebenso unbestimmten Besprechungen reichlichen Anlaß boten, haben eine Situation geschaffen, die tägliche neue Ueberraschungen erwarten läßt. Die hierdurch in der Industrie herbeigeführte Unruhe kann ihr nicht ersprießlich sein, aber anderseits können die verschiedenen Aenderungen ohne eine derartige Wirkung nicht vor sich gehen und die hieran nicht direkt beteiligten Kreise werden gut thun, die weitere Ent wicklung der Verhältnisse möglichst gründlich zu verfolgen, ohne sich von unnützer Schwarzmalerei beeinflussen zu lassen, denn wie die Bäume nicht in den Himmel wachsen, so wird auch dafür gesorgt werden, daß eine schädliche Ausnutzung der durch die Fusion ge schaffenen Macht nicht eintreten wird. Hierfür bürgt einerseits daß tiefe Verständnis und die große Erfahrung der leitenden Persönlich keiten für die hier in Betracht kommenden Fragen und anderseits diejenigen wirtschaftlichen Faktoren, welche in jedem Industriestaate einem zu großen Uebergewicht einzelner Unternehmungen ständig entgegenwirken und als Regulator auf dem "Wirtschaftsgebiete dienen. Auch die jüngsten Erfolge der von Generaldirektor Rathenau äußerst geschickt geleiteten Konzentrationspolitik sind in diesem Sinne aufzufassen. Dieselben bestehen zunächst in der Schaffung einer ausschließlich der elektrischen Industrie dienenden Finanzierungs gesellschaft, die aus der Trustbank der Allgemeinen Elektrizitäts- Gesellschaft, der Bank für elektrische Unternehmungen in Zürich hervorgeht. Die Verwaltung dieses Instituts hat beschlossen, seine Geschäftsthätigkeit mehr als bisher auch auf solche Unter nehmungen auszudehnen, die nicht direkt mit der A. E. G. in Ver bindung stehen oder von derselben ins Leben gerufen worden sind. Die Bank hat infolge der seitens der Officine Elettriehe Genovesi kürzlich erfolgten Ausgabe von Obligationen den Betrag ihrer stillen Beteiligung bei letzterer Gesellschaft zurückbezahlt erhalten. Weitere Mittel werden ihr dadurch verfügbar, daß Werte, welche sie in ihrem Portefeuille hält, zum Teil bereits veräußert worden sind, zum Teil in den nächsten Monaten voraussichtlich begeben werden, sodaß ein sehr erheblicher Betrag an Barmitteln zur Verfügung stehen wird. Andererseits stehen größere neue Unternehmungen, die zu finanzieren wären, augenblicklich nicht in Sicht. Die Bank gedenkt daher, sich künftig speziell auch in der Richtung zu bethätigen, daß sie bereits bestehenden, jedoch in ihrer Entwicklung zurückgebliebenen Unter nehmungen die für ihren Ausbau und eine eventuell nötige technische und administrative Reorganisation erforderlichen Gelder nebst den hierfür erforderlichen Erfahrungen bewährter Kräfte zur Verfügung stellt. Ueberhaupt beabsichtigt die Bank, sich zu einem allge meinen Finanzierungsinstitut für die elektrische In dustrie auszugestalten, wie es schon bei der Gründung vorgesehen Rhd in den Statuten niedergelegt war. Um den Verkehr der Bank besonders mit deutsehen Unternehmungen zu erleichtern, ist für ge eignete Vertretung der Organisation einer Geschäftsstelle in Berlin Vorsorge getroffen. Diese Erweiterung der Thätigkeit der genannten Bank ist nicht so zu verstehen, daß sie sich von der A. E. G. trennt, sondern daß sie auch solche Unternehmungen zu finanzieren beabsichtigt, welche als Vertreter des Reichsversicherungs-Amts Geheimrat Bielefeld teil. Neben der trauernden Witwe umstanden den Sarg Arnold und Wilhelm v. Siemens, Frau Ellen v. Siemens, Geheimrat Dr. Bödiker, der frühere Präsident des Reichsversicherungs- Amts, jetzt Generaldirektor der Siemens-Gesellschaft, Geheimrat Rathenau und Direktor Jordan von der Allgemeinen Elektrizi täts-Gesellschaft, der Direktor der Königlichen Münze, Ge heimrat Conrad, der Direktor der Grossen Berliner Strassenbahn- Gesellschaft, Miniterialdirektor a. D. Dr. Micke, Geheimrat v. Mendelssohn-Bartholdy, Geheimrat Warschauer, Kommerzien rat Behrens, Bankier v. d. Heydt, Dr. Martius, Dr. Pschorr, Offiziere des Grossen Generalstabes. Nach der Trauerfeier wurde die Leiche - in feierlichem Zuge nach dem Kirchhof gebracht, wo sie beigesetzt wurde. Liebetan z. in die Interessengemeinschaft der A. E. G. einbezogen werden sollen Die A. E. G. hat auch nach Verkauf eines Teiles der Aktien ge nannter Bank noch die Majorität in dem Unternehmen, und befestigt ihre hervorragende Machtstellung durch die neue Transaktion noch mehr, wie bisher. Es ist nicht zu leugnen, daß die Einbeziehung von Finanzierungsgesellschaften in den Konzert der Elektrizitäts firmen einen Vorteil für die elektrische Industrie bedeutet, da hier durch die Möglichkeit geboten wird auch solchen Unternehmungen vorwärts zu helfen, die unter der Ungunst der Verhältnisse unver schuldet zu leiden haben, aber einen gesunden Kern in sich tragen. Ebenso wie die Siemens-Schuckert-Werke durch die Vereinigung mit der Aktiengesellschaft für Licht- und Kraft-Anlagen und der Ge sellschaft für elektrische Anlagen in Köln sich ein eigenes Finanz institut schufen, so hat die Allgem. Elektrizitäts-Gesellschaft jetzt, wenn auch in anderer Form sich ihre Trustbank organisiert. Daß der Bank ein großes Feld für ihre Thätigkeit eröffnet wird, ist bei der Machstellung der A. E. G. mit ihren weit ver zweigten Einflüssen und Beziehungen naheliegend und dürfte schon in kurzer Zeit im größeren Umfange einsetzen. Hierzu wird die ge plante Vereinigung der A. E. G. mit d er Oesterreichischen Union und die vollständige Verschmelzung der Berliner Union mit der A. E. G. die erste Gelegenheit bieten. Wie nämlich aus Wien gemeldet wird, weilte kürzlich der Direktor Deutsch von der A. E. G. in Wien, um sich über die zweckmäßigste Regelung der weiteren Führung der österreichischen Geschäfte der A. E. G. an Ort und Stelle zu orientieren. Seine Anwesenheit in Wien galt auch der Aktivierung des Tu r b i n en g es ch äf tes in Oesterreich. Be kanntlich legt die A. E. G. großen Wert auf die Turbinenfabrikation, für die sie soeben in Berlin eine eigene Gesellschaft, errichtet hat. Was die weitere Geschäftsführung der A. E. G. in Wien anlangt, so ist diese Frage auch dadurch akut geworden, daß der bisherige persönlich haftende Gesellschafter der Firma Reuter u. Ko., Ingenieur Kar eis, demnächst die Direktorenstelle bei der Vereinigten Elektrizitäts-Gesellschaft antreten wird. Es ist nun eventuell eine vollständige Verschmelzung der Wiener Repräsentanz der A. E. G. mit der Oesterreichischen Union E. G. in Aussicht ge nommen und auch bereits zum künftigen Leiter der Unternehmungen Abteilungschef Heller aus Berlin ausersehen. Bemerkenswerter wie dieser, fast als selbstverständlich erwartete Vorgang, ist ein Gerücht, nach dem die A. E. G. eine Ver einigung mit der A. G. vorm. Ganz u. Co. in Budapest anstrebt. Der Generaldirektor der A. G. vorm. Ganz u. Co. E. von Asboth weilte vor einiger Zeit in Berlin und es wird vermutet, daß er dort mit der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft Ver handlungen gepflogen hat. Ferner meldet die „Wiener Zeit“, daß in Bezug auf den Verkauf der Nernstlampe in Oesterreich- Ungarn und Italien eine Neuregelung eingetreten ist. Bekanntlich besitzen bisher Ganz u. Co. und die Vereinigte Elektrizitätsgesellschaft in Budapest die Nernstpatente für Oesterreich-Ungarn. Doch gelangten bisher in Oesterreich - Ungarn keine Nernstlampen zum Verkauf, wie in Branchekreisen behauptet wird, weil es diesen Unternehmungen noch nicht gelungen ist, eine leistungsfähige Nernstlampe für den Massenverkauf zu konstruieren. Die Neuregelung, die unser Korrespondent mitteilt, dürfte also ent weder darin bestehen, daß die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, die große Summen auf die Verbesserung der Nernstlampe verwendet hat, nunmehr auch die Zusatzpatente und Erfahrungen Ganz u. Co. überläßt, oder ihnen den Verkauf für die genannten Länder über trägt. Abzuwarten bleibt dabei, in welcher Weise die Auseinander setzung mit der Vereinigten Elektrizitätsgesellschaft erfolgt. — Was aber eine weitergehende Kooperation zwischen der A. E. G. und Ganz u. Co. anlangt, muß man wohl die Veranlassung vor allem darin sehen, daß Ganz u. C o. sehr große Erfahrungen in bezug auf elektrische Vollbahnen haben, deren Erwerbung selbst für die A. E. G. von Wert wäre, insbesondere auch deshalb, weil sie in Oesterreich -Ungarn gegenüber dem Siemens-Schuckert- Konzern allein und auch in Verbindung mit der Oesterreichischen Union E. G. nicht allzuviel Chancen hätte, an der praktischen Durch führung der verschiedenen Vollbahnprojekte in größerem Maße teil zunehmen. Andererseits müßten auch für Ganz u. Co. die großen