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FRANKFURT a. M., den 15. Oktober 1905. Abonnements werden von allen Buchhandlungen und Post anstalten zum Preise von Mk. 4.— halbjährl., Mk. 8.— ganzjährl., angenommen. Direkt von der Expedition per Kreuzband: Mk. 4.75 halbjährl., Mk. 9.50 ganzjährl. Ausland Mk. 6.—, resp. Mk. 12.—. Verlag von DAUBE & Co., G. m. b. H., Frankfurt a. M. Expedition: Frankfurt a. Ml, Kaiserstrasse 10. Fernsprechstelle No. 586. Redaktion: Fr. Liebetanz, Düsseldorf, Hansa-Haus. Alleinige Inseratenannahmen durch die Annoncen-Expeditionen von August Scherl, G. m. b. H. und Daube & Co., G. m. b. H., Berlin S.W., Zimmerstr. 37/41. Insertions-Preis: pro 4-gespaltene Colonelzeile 30 Pfg. Berechnung für 1 / i , 1 f t , 1 / 4 und 1 / 8 etc. Seite nach Spezialtarif. Alle für die Redaktion bestimmten Zuschriften werden nach Düsseldorf, Hansahaus erbeten. Beiträge sind willkommen und werden gut honoriert. Inhalt: Elektrische Streckenblockierung* Von Friedr. Löb, Ingenieur, München. — Die Gefährlichkeit elektromagnetischer Kräne. Von Ingenieur Karl Wernicke, Pankow. — Interessante Brunnenbauten in Indien. — Kleine Mitteilungen: Naturwissenschaft. — Elektrotechnik. — Elektrochemie. — Polytechnik. — Auszüge aus den Patentschriften. — Vom Tage. — Wirtschaftlicher Teil: Der Kampf in der Berliner Elektrizitätsindustrie. — Etwas vom Disponieren. — Projektierte elektrische Anlagen, Erweiterungen. — Neuanlagen, Neubauten. Erweiterungen. — Betriebsberichte. — Firmenregister. — Marktberichte. — Anzeigen. Sleltfrisclje Strec^enblocl^ierung. Sicherung der Eisenbahnziige auf der fre en Strecke. Von Friedr. Löb, Ingenieur, München. Die Basis der Sicherheit des Zugsverkehrs auf den Eisenbahnen bildet bekanntlich die Signalisierung, mit der Einrichtungen geschaffen sind, die es den Bahnorganen in den Stationen und auf der Strecke ermöglichen, den Begleitern der Züge (Lokomotivführer, Zugführer etc.) die drei Mitteilungen: 1. Erlaubte Fahrt, 2. Langsame Fahrt und 3. Verbot der Fahrt — Halt — zu geben. Die Mittel, deren man sich in manchen Staaten zur Signali sierung bedient, sind ebenso verschieden — als eigenartig, doch sind es zwei Arten von Signalen, nämlich sichtbare (optische) und hörbare (akustische), welche gegenwärtig auf Eisenbahnen inVerwendung stehen. Der Hauptsache nach hängt die Sicherheit des Zugsvetkehrs von der Anzahl und Regelmäßigkeit der auf einer Bahn verkehrenden Züge, von deren Geschwindigkeit und von der Anlage der Gleise innerhalb und außerhalb der Stationen ab. Auf eingleisigen Bahnen kann natürlich nur eine bestimmte, von der Fahrgeschwindigkeit und von der Entfernung der einzelnen Stationen abhängige Anzahl von Zügen verkehren, da die aus einer Richtung kommenden Züge in den Stationen immer erst die Ankunft der Züge aus der Gegenrichtung abwatten müssen, ehe sie weiter fahren können. Diese Wartezeit ist im allgemeinen um so größer, je kleiner die Geschwindigkeit der Züge ist und je weiter die Stationen von einander entfernt liegen. Es liegt auf der Hand, daß je mehr Züge in einer Station Zu sammentreffen, um so größer die Gefahr und Wahrscheinlichkeit ist, daß der eine oder andere Zug aus Unvorsichtigkeit, aus Versehen oder aus Nachlässigkeit des Stations- und Zugspersonals auf ein durch einen Zug bereits besetztes Gleis einfährt und mit diesem zusammen stößt. Im In eresse der Verkehrssicherheit muß man daher die An sammlung mehrerer Züge in einer Station tunlichst hintanzuhalten und Zugskreuzungen zu vermeiden suchen. Dieses ist aber bei starkem Zugsverkehr nur durch Legen eires zweiten Gleises und dadurch möglich, daß die in der einen Richtung verkehrenden Züge immer nur das eine und die in der anderen Richtung sich bewegenden das andere Gleis befahren. Aber auch auf Doppelbahnen kann, wenn die Züge in kurzen Zeitintervallen hintereinander verkehren, der eine Zug den andern einholen und in seiner Fahrt bedrohen, weshalb die Sicherung des Zugsverkehrs auf der freien Strecke auch hier die volle Aufmerksam keit der Eisenbahnverwaltungen erfordert. Als wesentlicher Umstand für die Beurteilung der Zweckmäßig keit einer solchen Sicherheitsvorkehrung kommt heute die Fahrge schwindigkeit der Personenzüge in Betracht. Ein Schnellzug durchfährt in der Minute 1000—1300 m, ein gewöhnlicher Personenzug ungefähr 700—800 m, sodaß, wie daraus hervorgeht, die Annäherung an einen stehenden Zug durch einen Nachfolgenden schnell stattfindet. Nun besteht allerdings auf jenen Bahnen, auf denen noch nach Zeitinter vallen gefahren wird, die Vorschrift, daß ein nachfolgender Zug einem vorausfahrenden sich niemals auf ein geringeres Zeitinterval- als auf fünf Minuten nähern darf und ist es Aufgabe des Strecken wärters oder des am Schlüsse eines Zuges postierten Kondukteurs oder Bremsers, des sogen. Stockmanns, eine größere Annäherung zweier sich folgender Züge durch Abgabe von Langsam- und eventuell Haltsignalen an den nächstfolgenden Zug zu verhüten. Ein auf freier Strecke angehaltener oder liegen gebliebener Zug ist zudem sofort nach beiden Seiten, also sowohl nach vorwärts wie nach rückwärts entsprechend der Signalordnung durch Haltsignale zu decken, wobei außer den gewöhnlichen Signalen noch Knallsignale auszulegen sind, Die Unverläßlichkeit des mit dieser Signalisierung betrauten Personals, sowie der Umstand, daß die Leute nicht immer in der Lage sind, diese Signale rechtzeitig zu geben, ist wohl ein Beweis dafür, daß dieses System der Zugsdeckung unzulänglich und für den heutigen Zugsverkehr, namentlich auf Plauptbahnen, wo derselbe eine rasche und exakte Durchführung erheischt, durchaus nicht mehr genügend ist. Bei der Unzulänglichkeit dieser Sicherheitsmaßregeln sind auch schon einige nicht unbedeutende Unfälle von Zügen auf der Strecke vorgekommen. Es ist doch, wie ohne Weiteres einleuchten muß, unter Um ständen unmöglich, daß alle zur Deckung eines Zuges erforderlichen, von den Instruktionen vorgeschriebenen Manipulationen in dem Zeit raum von 5 Minuten zur Ausführung gelangen können, denn man kann wirklich keinem Menschen wie einer Maschine, die frei und unabhängig ist von seelischen Erregungen und äußeren Einflüssen und bei der kein zeitgebrauchender Uebergang besteht von der Auf fassung eines Ereignisses zu der die Folgen desselben bekämpfenden Tat, genau die Geschwindigkeit seiner Bewegungen und Handlungen vorschreiben. Dieses auf die Einhaltung von Zeitintervallen beruhende Sig nalisierungssystem läßt sich nur auf Eisenbahnen mit schwachem Zugsverkehr anwenden und haben die besagten Mängel dieses Systems die Verwaltungen jener Eisenbahnen, auf welchen sich schon früher ein lebhafter Zugsverkehr entwickelt hat, wie in England, Belgien und Amerika, dann in Deutschland und in neuester Zeit auch auf einigen Strecken in Oesterreich, bestimmt, an Stelle des Systems der Zeitintervalle, das System der Raumdistanz einzuführen und wurde dabei als Zugsdeckungsdistanz die Strecke von Station zu Station (»Stationsdistanz«) festgestellt.