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VI Vorrede zur ersten Auflage. Hülfe kommen sollen, wird das Interesse an der Chemie nicht zur Neugierde herabgezogen, sondern wach und rege erhalten, und das durch das Auge Wahrgenommene dient später dem Gedäclitniss als Anhaltspunkt für die Erinnerung. Da mithin die Experimente gewissermaassen als Illustrationen des Vortrags zu betrachten sind, so ist es natürlich, dass man auch einen gewissen Werth auf das schöne Aeussere der Versuche gelegt hat und daher den sogenannten „eleganten“ Vorlesungsy ersuchen den Vorzug giebt; nur darf durch die brillantere Form das wirklich Wichtige des Experiments nicht verdeckt oder in den Hintergrund geschoben xverden. Von einem solchen, die Wichtigkeit gut gewählter Versuche er kennenden, aber nicht überschätzenden Standpunkt aus habe ich mich,bemüht, vorliegende Anleitung zur chemischen Experimentir- kunst zu verfassen und dabei vorzugsweise das factische Bedürfniss nach einer Jedem zugänglichen Zusammenstellung von Vorlesungs versuchen im Auge gehabt, wie es sich so vielfach bei den Lehrern der Chemie an höheren Unterrichtsanstalten ergeben hat. Was die Auswahl der anzustellenden Versuche betrifft, so ver fahre man mit besonderer Vorsicht und vermeide vor Allem das Zuvielexperimentiren, wozu man durch die grosse Menge der in vorliegendem Buche gebotenen Versuche vielleicht verführt werden könnte. Um so mehr halte ich es für meine Pflicht, an dieser Stelle aus drücklich meine Ansicht dahin auszusprechen, dass es für den Er folg des chemischen Elementarunterrichts besser ist, etwas zu wenig zu experimentiren, als darin zu viel zu thun. Jeder Versuch, der in der Vorlesung ausgeführt wird, muss seinen bestimmten Zweck erfüllen; er hat entweder eine Eigenschaft oder eine Reaction sicht bar zu machen, welche ohne die directe, Wahrnehmung dem Vor stellungsvermögen eine zu schwere Aufgabe sein würde, oder er soll gewisse, für ein Element oder eine Verbindung charakteristische Thatsachen dem Studirenden in das Gedäclitniss einprägen helfen. — In letzterer Beziehung hat die Wahl anscheinend sehr weites Feld, doch zieht sich auch hier eine schärfere Grenze, insofern nur die theoretisch oder praktisch wichtigsten J ) Eigenschaften, Zer- 1 ) Es schien dem Verfasser geboten, die Entscheidung, ob eine Reaction wichtig genug ist, um experimentell ausgeführt zu werden, im Allgemeinen dem Lehrer selbst zu überlassen; die Gesichtspunkte sind gar verschiedene, und um den Bedürfnissen gerecht zu werden, konnte bei der Auswahl keine zu enge Grenze gezogen werden. Jeder möge nehmen, was ihm eben gut dünkt.