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zu bestehen, wenn sie mit irgend einer Erfahrung in Wider spruch tritt, da alle Wahrheit in der Physik auf der Erfahrung beruht. Da unsere Kemitm'ß der Naturgesetze lediglich aus der Erfahrung fließt, wir aber nicht im Stande sind, alle Erfahrung zu erschöpfen, so kann unsere Kenntniß der Naturgesetze nur eine unvvllkvmmne sein, und wenn wir auch annehmen, daß der Schöpfer die Natur nach unwandel baren Gesetzen geordnet hat, so sind wir doch unendlich davon entfernt, auch nur eines dieser Gesetze erkannt zu haben. Was noch heute für unS als Naturgesetz gilt, kann schon morgen durch neuere Erfahrungen seine Giltigkeit verloren haben. — Die ältere Physik unterschied electri- sche und unelectrische Körper und sprach es also als ein Naturgesetz aus, daß nur gewisse Körper elektrisch werden könnten, während Gray'S Untersuchungen (1729) gezeigt haben, daß ein solcher Unterschied gar nicht besteht. — Das Mariotte'sche Gesetz, daß die Elasticität der Luft in gleichem Verhältnisse mit der Dichtigkeit zunimmt, eines der schönsten Gesetze, dessen Kenntniß für das richtige Verständniß einer Menge von Erscheinungen unentbehrlich ist, gilt dennoch nur, wie spatere Unter suchungen gezeigt haben, innerhalb bestimmter Grenzen. Viele unserer so genannten Naturgesetze sind ein höchst unvollkommener Ausdruck der wirklich statt findenden Erscheinungen. So lehren z. B. die physikalischen Lehrbücher, daß die Wege, welche die Körper beim freien Falle zurück legen, sich wie die Quadrate der Zeiten verhalten. Allein erstens be trifft dieses Gesetz einen Fall, welchen wir auch künstlich hervorzubringen nicht im Stande sind, nehmlich daß die Körper im leeren Raume sich bewegen; zweitens beruht dasselbe auf der nicht ganz richtigen Annahme, daß die Kraft, mit welcher die Körper nach der Erde hingezogen werden, während der ganzen Dauer des Falles dieselbe bleibe. Diese Kraft wächst aber, so wie die Körper sich der Erde nähern, und wenn auch dieses Wachsthum, so lange die Körper nicht von sehr großen Höhen fallen, nur ein geringes ist, so kann doch das oben angegebene Gesetz nicht für den vollständigen, sondern nur für einen näherungsweise rich tigen Ausdruck der wirklich stattfindenden Erscheinung gelten. tz s. Nutzen der Physik Von dem Nutzen der Physik für das bürgerliche Leben zu sprechen, scheint in unfern Tagen überflüssig, wo neuere Ent deckungen auch sogleich Anwendungen in den Gewerben (Dampf maschine, Lichtbilder, Galvanoplastik, elektrische Telegraphie, Zünd hölzchen u. dgl.) gesunden haben, an denen die Höchsten, wie die Niedrigsten im Volke Theil nehmen. Doch abgesehen von allem unmittelbaren Nutzen, sollte der Schöpfer die Natur im Kleinsten, wie im Größten darum so wunderbar bereitet und uns mit der Fähigkeit aufzufassen und zu begreifen ausgerüstet haben, daß wir