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Angeklagte in D. wohl niemals in Geldverlegenheit gewesen sei, denn Beide hatten ihm sonst mit jeder Geldsumme aushelfen können. Auch der alte Vorsteher, befragt, bemerkt ergänzend zu seiner früheren Aussage über den Angeklagten», daß er von anderer, zuverlässiger Seite das Gcgcntheil von den verbreiteten Gerüchten erfahren habe. Er spreche hier öffentlich sein Bedauern dariibcr aus, daß er sich durch Verläumdungen Dritter habe irre führen lassen. Das Zeugenverhör ist hiermit geschlossen. Nach der Beweisaufnahme nimmt der Staatsan walt das Wort nnd beantragt nach einem längeren Vortrage, in dem er auSeinandcrgesetzt, daß die Herren Geschworenen durch die Beweisaufnahme in der Schuldfragc gegen den Angeklagten überzeugt sein würden — das „Schuldig" über den angeklagten Beamten auszusprechen. Der vorliegende Fall er heische eine nachdrückliche Ahndung, da von Seiten des Angeklagten das Vertrauen, das vorzugsweise ein Postbeamter genösse, in hohem Grade erschüttert sei. Er beantrage daher, man möge die höchste zu lässige Strafe über den Angeklagten anSsprcchen. Es beginnt hierauf der Vertheidigcr sein Plaidohcr. Derselbe führt aus, daß durch die Aussage der Zeugen nur ein höchst unvollkommenes Bild der That zu Tage gefördert sei. Namentlich müßte der Unistand allein, daß sein Client, wenn er die Absicht hatte, den Brief seines Inhalts zu berauben, doch nicht eine solche sofort ihn verdächtigende Einlage in den Briefumschlag gelegt haben würde, seine Freisprechung zur Folge haben. Hierzu käme aber noch die Person seines Clienten selbst. Könnte ein Mann nut dem Bildungsgrade, von einer durchaus rechtlichen, ja nob len Familie abstammcnd, ein solches Verbrechen be gehen? Es wäre ferner evident nachgewiesen, daß sei» Client zur Zeit der That sich in einer geregelten Vermögenslage befunden, daß er ferner einen reichen Onkel besitze, der ihm stets Baarmittel angeboten, daß er einen soliden, gesitteten Lebensivandel ge führt habe, sowie daß auch in dienstlicher Beziehung nichts Nachtheiliges gegen ihn vorliege. Die bei der Annahme und llebergabe des fraglichen Briefes nicht beachteten Vorschriften seitens seines Clienten seien rein zufälliger Natur oder im Drange der Dienstge- schäftc von ihm übersehen worden, wie das fachmänn ische Urtheil ergeben habe. Sein ganzes Verhal ten vor und während der Hauptverhandlung zeuge von seinrr Unschuld. Daß er vertrauensseliger, ja sogar etwas oberflächlicher Natur sei, das könnte inan zugeben. Dann müßte sich aber auch aus Vieser Thatsache Jedem die Uebcrzeugung aufdrängen, daß jene Eigenschaften den wirklichen Verbrecher bekannt und für seine Zwecke benutzt seien. Eine ganze Stunde lang redet der vortrefflich? Anwalt noch weiter für die Freisprechung des Ange klagten in wahrhaft überzeugender Weise, allein Alles, Alles, was er vorbringt, wird gleich darauf mit scharfsinniger Logik und vernichtender Redewendung von dem StaatSanwalte zu des Angeklagten Un gunsten widerlegt. Auf die Frage des Richters an den Angeklagte», ob er noch etwas zur Sache anzuführen habe, ver neint dieser. Die Geschworenen ziehen sich zur Bcrathnng in das anstoßende Zimmer zurück. Lebhafte Spannung liegt auf allen Gesichtern; hier und da flüstern im Zuschauerraum einige Per sonen mit einander. Der Major scheint sehr aufge regt zu sein, von Zeit zu Zeit sicht er mit funkelnden Augen der Reihe nach diejenigen Personen an, die gegen seinen Neffen gezeugt haben. Daß er ein sehr schmerzliches Uehel an einem Bein hat, das merkt inan ihm in diesem Augenblick nicht an, er steht hoch aufgcrichtet ohne jede Stütze da. Der alte Droop sieht sehr bleich, aber trotzdem gefaßter aus als jener. Der Postaintsvorstcher läßt traurig den Kopf hängen. Nach einer Viertelstunde erscheinen die Herren Geschworenen wieder im Sitzungszimmer. Der Ob mann derselben spricht laut die Worte: „Ans Ehre und Gewissen bezeuge ich als den Spruch der Ge schworenen" ... dann verliest er die von dem Richter entworfenen Fragen mit den darauf abgegebenen Ant worten. Sänuntliche im Gerichtssaal Anwesenden blicken überrascht auf . . . selbst Frank. Gleich nach der Verlesung des Spruches der Ge schworenen tritt ein Gerichtsdiener nut einem Tele gramm ein: es ist die Antwort des Untersuchungs richter in D. über die stattgefundene Aufsuchung des ohne Entschuldigung ausgebliebenen Zeugen Linde. Der Richter will sich offenbar nicht stören lassen, da er das Telegramm «»eröffnet vor sich auf den Tisch legt; was wegen Linde's Ausbleiben darin stehen wird, läßt sich ja auch errathen und hat der Inhalt des Telegramms demnach jetzt kein Interesse mehr für ihn. Der Angeklagte, Postsekretär Bäumer ans D., ist durch den Wahrspruch der Geschworenen für über führt erachtet: ll. Einen als Beamter in seinem Gewahrsam ge habte» Geldbrief ani Abend des siebenten September oder in der Nacht vom siebenten auf den achten September 187 . eigenmächtiger und gewaltsamer Weise geöffnet, 2. den Inhalt desselben mit dreitausend Mark in widerrechtlicher und eigennütziger Weise an sich ge nommen und 3. zur Verdeckung des Diebstahls nnd der Unter schlagung jener Summe eine Täuschung begangen zu haben. Eine unbeschreibliche Erregung bemächtigt sich des Angeklagten, sowie seines Onkels und Droop's; wie geistesabwesend starren si». den Verkünder des Wahrspruchs an. Mit Schaudern erkennen die letz teren Personen, daß nun Alles, Alles für den jungen Mann verloren ist. Aber sie nicht allein sind über rascht, auch unter den Zeugen und Zuschauern er blicken »vir aufs Höchste betroffene Gesichter. Dort wird eine junge Dame bleich wie die Wand des Zimmers, ei» alter Manu bemüht sich, sie vor dem Umsinken zu schützen. Hier schüttelt der Vertheidigcr mißmuthig sein Haupt. „Schuldig!" gellt es in Aller Ohre». Der Gerichtshof zieht sich, nachdem der Staats anwalt seinen Strafantrag gestellt und der Bcrthei- diger an die Milde dcs Gerichts appcllirt hat, zur Berathung zurück. "Nach seinem Wiedereintritt in den Sitzungssaal verliest der Präsident das Urtheil: es lautet auf drei Jahre Gcfänguiß, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ans zwei Jahre nnd Unfähig keit zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes ans Lebenszeit. „Haben Sie »och etwas anzuführen?" fragt der Präsident den Vernrtheilten. Dieser ist unter der Wucht der auf ihn cinstürmen- de» Thatsache» auf die nächste Bank zusanunengesunken. Seine Kraft scheint zn Ende zu sein. Doch nein, jetzt springt er mit der Anstrengung der Verzweiflung auf und die Rechte feierlich erhebend, stößt er die Worte aus: „Wenn es noch eine Gerechtigkeit hier ans Erden giebt, dann muß der Tag, an dem meine Unschuld leuchten wird so rein wie das Sonnenlicht, bald an brechen!" „Das haben schon Viele gesagt, die doch schuldig waren," mag der Präsident denken, denn er setzt sich ruhig nieder. — Wie würde seine Hand sich aber lebhaft nach dem unscheinbaren Blatt Papier, nach dem Telegramm, das da nneröffnet und unbeachtet vor ihm liegt, ausstrecken, wenn er wüßte, was es enthält. Doch dies geschieht nicht. Noch ein Lebewohl dem treuen Onkel und dem biederen Vater seiner Braut, die in diesem Augen blicke ans ihren Knieen Gott für die Rettung des thcurcn Mannes bittet, dann-ageht der Bcrnrthcilte, gebrochen an Leib und Seele, dem Schließer in's Gefängniß voran. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Eine tragikomische Begebenheit wird aus Tiflis gemeldet. Eine junge Dame hegab sich kürzlich in eines der Schwefelbäder, die in Tiflis so zahlreich sind, um ein Schwefelbad zu nehmen. Kanin war jedoch der Hahn mit dem Schwefclwasser geöff net, als sich die Hände und Arme, der Hals und das Gesicht der Dame schwarz färbten. Die Badefrau schrie vor Entsetzen beim Anblick dieser Metamorphose auf, die junge Dame sah entsetzt ihre Arme schwarz werden, warf einen Blick in den Spiegel, sah sich als Mohrin und fiel in Ohnmacht. Nach vielen Be mühungen gelang eS, die junge Dame wieder zu sich zn hringen. Die Metamorphose aber erklärte sich sehr einfach. Die Daine schminkte sich nämlich täglich Hals, Gesicht und Arme init einer stark zinkhaltigen Schminke. In dem Schwcfelbade verband sich die Schminke mit dem Schwefel u. Natrium dcs Wassers zu einer pechschwarzen Salbe, die zum Glück leicht zu entfernen war. — Das interessante Schauspiel des Mer kurdurchganges steht uns am Morgen des 10. Mai d. I. bevor. Allerdings wird in Deutschland und Oesterreich nur der Austritt des Planeten be merkbar sein. Da der Durchgang der beiden inneren. Planeten des Sonnensystems, des Merkur und dcs Venus, nicht so häufig wiederkehrt, darf er immerhin bei Forschern und Laien als Sehenswürdigkeit gelten. So ist z. B. der nächste Venusdnrchgang erst im Juni 2004 zu erwarten. Der Merkur leistet sich häufiger das Vergnügen des DefilSs vor der welt- erlenchtcndcn Sonnenscheibe. Zur Beobachtung sind schon sehr kleine, mit Blendglas versehene Fernrohre ausreichend. — Zur Gesundheitspflege im Frühlinge, der augenblicklich leider noch sehr spröde thnt, gehört das Frühaufstehcn. Eine herrliche Sitte, über die schon viel geschrieben und die doch, wenigstens in den größeren Städten, nur von einem kleinen Theil der Bevölkerung geübt wird. Der Schlaf, diese „tägliche Wiedergeburt des Menschen", ist jawohl eine absolute Forderung unseres Organismus, und wer sich dcnsel- hen allzusehr unv zu lange Zeit verkümmert, verliert an Spannkräften seiner Muskeln und Nerven, er ver mindert die Widerstandskraft gegen die mannigfaltigen feindlichen Einflüsse seiner Umgebung und wird em pfänglicher für Krankheiten. Aber auch ein Ueberge nuß dcs Schlafes, für den Erwachsenen mehr als 7—8 Stunden, zumal in die späten Morgenstunden hinein, ist unter gewöhnlichen Umständen nachtheilig; daher gilt der Weckruf der Natur ini Frühlinge be sonders auch den Winterlangschläfern, die so viel, wie das Volk sagt, auf liegenden Gütern hahen. Abge sehen davon, daß sie die kostbare Zeit der Frühstun den im Frühling und Sommer für die ausgiebigere Arbeit verlieren würden — Morgenstund' hat ja Gold im Mund' — erschlafft das zu lange Schlafen all- mählig den Körper, er wird fauler, anstatt frischer, der Stoffwechsel verlangsamt sich und es kommt zu einer übermäßigen Fettansammlung, die nicht zum Be griffe Gesundheit gehört. — Früchte sind die beste Medizin. Es ist erstaunlich, einen wie großen Arzneischatz die reifen Früchte bergen, und die häufig gemachte Be obachtung hat wohl zu der landläufigen Redensart geführt, daß das Obst sehr gesund sei. Die Wein- trauhen, und besonders die blauen Trauben, sind ungeheuer nahrhaft und sehr blntreinigend. Ihnen folgen im medizinischen Werth die Pfirsiche, die jedoch nicht überreif sein dürfen, und früh Morgens, ganz nüchtern am gesündesten sind. Eine täglich Morgens nüchtern gegessene Apfelsine ist ein vorzügliches Mittel gegen schlechte Verdauung und kurirt bei längerer Kur fast gründlich. Gekochte Aepfel sind für jüngere Kinder geradezu unentbehrlich nnd machen es den Müttern nnd Pflegerinnen möglich, ohne unangenehme Pulver nnd Mixturen auszukonnncn. Der Saft der Tomaten ist ganz ausgezeichnet bei Leber- und Darm- besckwerden, und der Saft der Wassermelone ist bei Fieber- und Nierenleiden geradezu unschätzbar. Er kann in beliebiger Quantität genossen werden und sollte nur bei Cholera-Neigung fortgelasscn werden, wo man ja überhaupt jedes Obst zu vermeiden pflegt. Der Saft einer Citrone in einer Tasse heißen Kaffees ist ein vorzügliches Mittel gegen Kopfschmerzen, und wie gut sind alle Fruchtsäfte als Beigabe zum Wasser in jeder Krankenstube. Ein Saft aus Brom beeren, mit Zucker eingekocht, ist ein vorzügliches Bcruhigungsmittel beim Husten, ebenso eine Marme lade aus schwarzen Albeere», niit Zucker eingekocht und mit heißem Wasser angerührt und Abends vor dem Schlafengehen getrunken. Bei Skropheln ist ein au« Schlehen gekochter und an Stelle des Wassers kalt getrunkener Thee äußerst heilsam, und die aus der Haut zerdrückten und angedrockneten frischen Erdbeeren sind vorzüglich bei Frostbeulen. Die Natur bietet uns somit unerschöpfliche Reichthümer von an genehmen Heilmitteln, deren Wirkung man nur etwas zu beachten nöthig hat, um sie erfolgreich anzuwenden. — Die Schädlichkeit der Katze. Wer ein Freund von Singvögel ist, kann kein Freund der Katzen sein, denn die Katzen sind die ärgsten Feinde unserer kleinen befiederten Gäste und Freunde, welche uns nicht nur durch ihren Gesang und ihr munteres Treiben erfreuen, sonder» dem Landwirth und Gärt ner Millionen von schädlichen Insekten und anderen Schädlinge» wegfange». Man weiß allgemein, daß durch die fortschreitende Kultur nnd Bevölkerung des Landes die Zahl der bei uns nistenden Singvögel im mer kleiner wird; zum großen Theil ist dieses mit da durch bedingt, daß kaum in einem Haushalt eine Katze fehlt, in vielen Häusern sogar eine ganze Reihe die ser Thiere anzutrefscn ist. Wo aber Katzen sind, da hleibt selten ein Vogel, mögen die Verhältnisse für seinen Aufenthalt sonst noch so günstig sein. 'Nament lich der jungen Brut, welche sich durch ihr Schreien von Weitem bemerkbar macht, werden die Katzen verderblich. Sie rauben ein Nest nach dem andern aus, bis auch nicht eins mehr zu erreichen ist. Daß Katzen, welche auf die Vogeljagd gehen, den Mäusen wenig oder gar nicht nachstellcn, ist bekannt; auch sind die Mäuse auf andere Weise wohl besser und mit ge ringcren Opfern zu vertilgen als durch Katzen; da rum fort mit allen Katzen ans dem ländlichen Haus halt. — Pfarrer: „Hab' ich denn recht gehört, Lam- melwirth, Ihr seid auch altkatholisch geworden?" — Lannnelwirth: „Halten.zu Gnaden, Hochwürden, ja, aber i betreib's nicht sehre." — Aus der Jnstruktionsstundc. Offizier: „'Nennen Sie mir ein Beispiel, wie der Soldat auch in Fricdcnszeitcn sich muthig zeigen kann!" — Rekrut: „Wenn er sich beschwert!" — Lakonisch. „Du machst ja der kleinen Olga so den Hof?" — „Ja, ich will sie zur Frau nehmen!" — „Aber was fällt Dir ein!" — „Ihre Mitgift!" — Ein Versehen. Söhnchen hei einem Wald spaziergang weinend zu seinem Vater: Vater, haben Brombeeren ooch Bcene? Vater: Ach was, dummer Junge! Söhnchen: Da habe ich eben eenen Mistkäfer gegessen. — In der neuen Klasse. „Mutter, nu haben wir G'ographie, da mußt Du mir 'n Atlas koofen." — Was?! Sich doch mal an, als ob for Dir Bengel nich Saklcinwand jut jenug wäre." Druck und Brrlag von E. Hannebohn in Eibenstock.