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Hagesgeschichte. — Deutschland. Fürst Bismarck, der Baumeister des Deutschen Reiches, mit dem Ver fertiger von „Glimmstengeln", dem Cigarren arbeiter Schmalfeld in der Stichwahl! Vor 1'/, Jahren wäre noch Jeder ausgelacht worden, der auch nur die Möglichkeit eines solchen Ereignisses angedeulct hätte. Heute aber durcheilt die telegraph ische Kunde von diesem vorläufigen Ergebniß der Geestemünder Wahl die ganze politische Welt und wird sicherlich auch vielfach Kopfschütteln Hervorrusen. Der ruhmvolle Mitbegründer des neuen deutschen Reiches konnte nicht auf den ersten Anlauf ein Man dat jum Reichstage erobern; er muß mit einem völ lig unbekannten Arbeiter, der kein anderes Verdienst aufzuwcisen hat, als daß er der sozialdemokratischen Fahne folgt, um die Siegespalme ringen. In welchem anderen Lande wäre das wohl möglich, als in dem gelobten Lande der unverbesserlichen Träumer, Dokt rinäre und Philister! Wenn in England ein Staats mann von anerkannter Bedeutung, wie Gladstone, Salisbury oder selbst nur Roseberry als Bewerber nm einen Parlamentssitz auftritl, verzichten alle geg nerischen Parteien entweder ganz aus die Aufstellung von Gegenkandidaten oder stellen solche lediglich der Form wegen und ohne jede Wahlagitation auf. In Deutschland hat man bisher zu einer derartigen Ueb- ung des politischen suvnir vivru noch wenig Neigung. Bei uns bekämpft man gerade mit besonderem Eifer, mit ausgesuchter Leidenschaftlichkeit den Fürsten Bis marck, dessen Bedeutung und Erfolge als Staatsmann doch Alles verdunkeln, als Nichts erscheinen lassen, was ein Gladstone, ein Salisbury für ihr Land gethan haben. Es ist wahrscheinlich, daß Fürst Bismarck in der Stichwahl siegen wird. Eine besondere Freude über einen erst nach dem zweiten Anlauf genommenen Sieg wird er selbst schwerlich empfinden. Schon jetzt erscheint es unzweifelhaft, daß die Aufstellung des Fürsten Bismarck in einem unsicheren Wahlkreise ein schwerer Fehler gewesen ist. Was übrigens das genaue zifsermäßige Resultat des Wahlkampfes betrifft, so stellt sich dies also: Fürst Bismarck erhielt 7557, Adloff (sreis.) 2619, von Plate (Weife) 3343, Schmal feld (Sociald.) 3928 Stimmen. — AuS Anlaß der Schrift des Generals von Boguslawski über die zweijährige Dienst zeit, in welcher bekanntlich die starke numerische Ueberlegenheit der französischen Kriegsmacht den Aus gangspunkt der Erörterungen bildete, schreibt das Pariser Journal „La Paix": „Der deutsche General erzählt, wir hätten so viele tausende Soldaten mehr. Man muß sich aber ein- für allemal darüber im Klaren sein, was man unter „Soldat" versteht. Nach der Ansicht aller Offiziere kann man als Soldaten nur diejenigen jungen Männer betrachten, welche mindestens zwei Jahre gedient haben, weil diese allein vom Geiste der Disziplin, des Vertrauens zu ihren Vorgesetzten beseelt sind; Eigenschaften, welche den Mann in Stand setzen, seiner fünf Sinne in den schwierigsten Verhältnissen mächtig zu bleiben. Erst nach einer zweijährigen Dienstzeit hat der junge Mann die für das Schlachtfeld erforderliche Uebung und Geschicklichkeit im Schießen erlangt. — Leute mit neun bis zehn Monaten Dienstzeit unserer zwei ten Portion, die DiSpensirtcn, welche i6 Wochen lang einexercirt worden sind, die 70,000 Einjährigen nach dem neuen Gesetze kann man nicht ausgebildete Soldaten nennen, welche ihrem Vaterlande in den ersten schlachten wirkliche Dienste zu leisten im Stande sind, gerade so wenig wie die Ersatzreserve in Deutschland. Darum wird letztere auch meist zu Hülfs-Dienstleistungen verwandt. ... In der zehn jährigen Periode von 1880 bis 1890 zählt also Deutschland 1,642,000 Mann und Frankreich nur 1,123,000 ausgebildete Soldaten, d. h. 519,000 Mann weniger als Deutschland. — Da sich in den voran gegangenen zehn Jahren im Wesentlichen dieselben Resultate ergeben haben, so stellt sich heraus, daß in den zwanzig für den Kriegsfall unter die Fahne gerufenen Dienstklassen Deutschland eine numerische Ueberlegenheit über Frankreich von rund einer Mil lion ausgebildeter Soldaten hat." — Das rauchschwache Pulver, die Patronen und Gewehre für dasselbe, sind durch den BundeS- rath laut Bekanntmachung im „Reichs-Anzeiger" unter das Dynamitgesctz (vom 9. Juni 1884) gestellt worden. Danach ist die Herstellung, der Vertrieb und der Besitz dieser Gegenstände nur mit polizeilicher Genehmigung zulässig, und haben die jenigen, weiche sich mit der Herstellung oder dem Vertrieb davon befassen, ein Register über Bezugs quellen und Verbleib zu führen. — Detmold. Fast vergessene Reliquien be finden sich, wie der „Hann. C." mittheilt, Hierselbst: die Flagg en der Schiffe, welche einst die „deutsche Flotte bildeten und 1852 unter den Hammer kamen. Bis auf einige Exemplare sind die Flaggen in einer Hand vereinigt; der Neffe des einstigen lippischen Ministers Hannibal Fischer kaufte sie bei der berüchtigten Flotten-Anktion, die sein Onkel da mals ausführte. Der Neffe hat die Flaggen vor der Vernichtung bewahrt. Der jetzige Besitzer ist der KabinetSsekretär a. D. Fischer in Detmold. — Rußland. Das Lemberger Blatt „Przeg- lond" erhielt aus Kiew einen Bericht, wonach die Großfürstin Olga Feodorowna Selbstmord begangen hat. Die Großfürstin war mit dem Hof zuge in Charkow eingetroffen, woselbst der Zug einen Aufenthalt von einer Stunde nahm. Als der Zug weiterfuhr, schützte die Großfürstin Ruhebedürfniß vor und zog sich zurück. Um 4 Uhr klopfte die Hofdame an den Salonwagen. Als keine Antwort kam, rief sie bestürzt den Hofmarschall. Beide fanden beim Betreten des SaloncoupeeS die Großfürstin blutüberströmt liegen, die kaum mehr ein Lebens zeichen von sich gab. Man ließ den Zug nach Charkow zurückkehren, wo UniversitätSprosessoren den Verband anlegten. Anfangs hegte man Hoffnung auf Rettung; doch verschied die Großfürstin in der Nacht zum 13. April. — Petersburg. Eine Gruppe französischer Kapitalisten und eine Pariser Eisenbahngesellschaft hatten der rusischen Regierung ihre Dienste und Kapitalien behufs Errichtung von neuen Eisen bahnlinien, deren Bau schon lange geplant, aber bisher immer verzögert worden, angeboten. Die Unternehmer wollten die betreffenden Bahnlinien ohne jegliche Gewährleistung der Regierung bauen, wenn letztere die Verpflichtung übernehme, die Bahnen binnen 25 Jahren anzukaufen. Jetzt sind die Unter nehmer dahin beschicken worden, daß die Regierung ihr Anerbieten als den wirthschaftlichen Interessen des Reiches nicht entsprechend anerkenne und daher ablehne. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 20. April. Trotzdem wir den ersten LcnzeSmonat dieses Jahres bereits hinter uns haben, befinden wir uns noch mitten im Winter, denn seit Ostern hat das Schneewetter fast gar nicht nachgelassen. Ehe der alte Schnee völlig alle, fällt im mer wieder frischer dazu und haben wir daher gestern und heute wieder vollständige Schlittenbahn. Wie groß die Massen des niedergegangenen Schnees sind, läßt sich einigermaßen darnach beurtheilen, daß auf der Chaussee zwischen Johanngeorgenstadt und Wildenthal (auf dem Kamme des Gebirges) gestern der mit 8 Pferden bespannte Schneepflug verkehren mußte. — Schönheide. Zum ersten Mal tritt hier der Fall ein, daß Schulkinder, welche in der katholi schen Confession zu erziehen sind, mit dem Ein tritt in das 12. Lebensjahr auf Grund von 8 6 des Schulgesetzes nicht weiter am Religionsunterrichte der Ortsschnle theilnehmen. Eine größere Anzahl Kinder von hier u. verschiedenen anderen Orten des Schwarzen berger Schulbezirks werden künftig aller 14 Tage,Sonn tags, nach Zwickau reisen und daselbst, nach vorheriger Theilnahmc am katholischen Gottesdienste durch einen katholischen Geistlichen einen zweistündigen Religions unterricht in ihrem Bekenntnisse genießen. — Zum Geburtstage Sr. Majestät des Königs soll diesmal ein öffentlicher gemeinschaftlicher Schulaktus, und zwar im GambrinuS-Saale, abgehaltcn werden. Die Festrede hierzu ist von Herrn Schul-Direktor Tittel übernommen worden. Nachmittags 5 Uhr wird im Rathhause ein Festessen stattfinden. ' — Dresden. In der Streikangelegenheit in der Cigarrenfabrik A. R. Jedicke u. Sohn in Dresden-Trachau ist eine neue Wendung insofern eingetreten, als die Arbeiter, welche am 11. und 12. dss. Mts. die Arbeit daselbst nicderlegtcn, in einer Zuschrift an ihren früheren Chef erklärt haben, daß sie sofort bereit sind, unter den alten Verhältnissen die Arbeit in der Fabrik von Jedicke u. Sohn wieder aufzunehmen. Die Firma hat den Ausständigen daraufhin ein Schreiben zugehen lassen, in dem sie die bestehende Streiksache eingehend bespricht und den Streikenden zugleich ihr Verhalten gegen be sonnene Arbeiter vorhält. Die Firma ist entschlossen, von den Ausständigen nur denjenigen den Eintritt in die Fabrik wieder zu gewähren, welche sich als solid, friedlich und tüchtig bewährt haben. — AuS Dresden schreibt man: Trotz der winter lichen Temperatur konnten wir doch am Freitag Abend schon ein Gewitter beobachten, das unter Blitz und Donner sich im Elbkessel entlud. WaS über die Fol gen frühzeitiger Gewitterentladungen der Bauernmund erzählt, sei nicht verrathen, da so Mancher angesichts eines abermaligen rauhen RegenjahreS aus der Haut fahren könnte. Das scheint wieder gut zu werden! — Leipzig. Buchhändler Otto Maier hier, dessen Frau, Elisabeth Maier geb. Gehry, am 7. November v. I. von ihrer Wohnung aus mit dem Bemerken, sic wolle in einer halben Stunde zurück sein, einen Aus gang unternahm und hiervon nicht zurückkehrte, ist jetzt, nachdem alle Nachforschungen ohne Erfolg ge blieben, zu der Auffassung gelangt, daß seine Gattin da» Opfer eines Verbrechens geworden ist, ohne frei lich bestimmte Anhaltepunkte zu haben; er hat eine Belohnung von 1000 Mk. für die Aufdeckung de» Thalbestandes ausgesetzt. — Am 17. d. M. begab sich in Plauen i. V. ein Fremver in Begleitung eines Hausdieners zu dem Syrastraße 3 wohnenden 62 Jahre alten Möbel- und Kleidcrhändler Johann Christian Ger beth, um einen Rock zu verkaufen. Als derselbe die Treppe emporgestiege» war, sah er Gerbcth an einem in der Hausflur stehenden Schranke hängen. Er ging zu rück auf die Straße und erzählte Vorübergehenden, was er gesehen. Hiervon erhielt ein Scbutzmann Kenntniß, welcher sich in das Haus verfügte und den bereits tobten Gerbcth abschnitt. Die Umstände, unter welchen Gerbcth anfgesunden wurde, lassen auf Mord schließen, doch ist ein Selbstmord nicht ausgeschlossen. Gerbcth lag mit dem Rücken auf der Diele, nur der Kopf war etwas nach oben ge zogen. Am Kopfe befanden sich mehrere Wunden, die stark geblutet hatten. In der Wohnstube zeigten sich durchwühlte Kasten. Die König!. Staatsanwalt schaft hat im Verein mit der Kriminalpolizei des Stadtraths, sowie der Königl. Medizinalpolizeibehörde sofort die nökhigen Schritte gethan, um der Sache auf die Spur zu kommen. Da Gerbcth in seinem Hause ganz allein wohnte, wurde dasselbe poli- zeilicherscits abgesperrt, vor dem Hause wurde ein Schutzmann als Wache ausgestellt. Dem Schranke gegenüber, an welchem Gerbcth hing, wurde eine Blutlage vorgefunden, auch sind an den Wänden Blutspuren vorhanden. Man muß annehmen, daß zwischen Gerbcth und dem Mörder ein Kampf stattgefunden hat, denn in dem Schranke, an welchem Gerbcth aufgehängt war, ist ein Feld eingedrückt. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die That schon mehrere Stunden vor dem Ausfindcn Gerbeth'S auS- geführt worden, möglicherweise schon am Donnerstag Nachmittag, da Gerbetb an diesem Abend sein Zei tungsblatt in der nächsten Blattausgabestelle nicht abgeholt hat, was er sonst regelmäßig und sehr zeitig that. Gerbeth lebte seit etwa 8 Jahren von seiner Frau getrennt. — Zwickau, 18. April. Gestern wurde ein 70 Jahre alter, mit Lumpen bekleideter Greis, Bewohner eines Vorortes, wegen wiederholten Bettelns hier aufgegriffen. Der Verhaftete besitzt jedoch ein Ver mögen von 50 — 60,000 Mk. statt von den Zinsen seines Vermögens zu leben, spricht der übrigens kinder lose Mann aus Habgier die öffentliche Mildthätig- keit an. — Zwickau. Ein hartes, aber gerechtes Urtheil fällte am 16. d. Mts. das hiesige Landgericht gegen einen Fleischer aus Wilkau, Weidenmüller, wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz. Derselbe hatte das Fleisch eines plötzlich verendeten, aber noch abgcstochcnen Schweines sür Nahrungs zwecke verkauft und erhielt deshalb vier Monate Ge- fängniß zuerkannt. — Schwarzenberg. In Gegenwart der Mit glieder des LokalpatronatS und der Beiräthe, in An wesenheit der Oberin Frau Busch aus Leipzig, sowie der Eltern fand Dienstag vor. Woche, Nachmittags 5 Uhr vor versammeltem Schülercötus die feier liche Eröffnung der mit der Obererzgebirgischen Frauenschule nunmehr verbundenen Haushaltungs schule statt. Obcrregiernngsrath Amtshauptmann Freiherr von Wirsing, der Vorsitzende des Lokalpatro nats, hielt die Wciberede. Mit tief empfundenen Worten gab derselbe seine hohe Freude über das Ge lingen eines Werkes kund, das, vor wenig Monaten noch für unerreichbar gehalten, einzig u. allein — ebenso wie die im Jahre 1884 erfolgte Gründung der Frauen schule — der hohen Gnade und hochherzigen Fürsorge Ihrer Maj. unserer geliebten Königin Carola zu danken sei, zeichnete in klaren Zügen die innige Verbindung und den Zweck beider Anstalten, der kein anderer sei, als auf dem Grunde der Familie^guf- und auszubauen für dieselbe, richtete Worte liebender Ermahnung an die neuen Schülerinnen, unter besonderem Hinweise auf die Pflicht steter Dankbarkeit und Treue gegen die erhabene Protektorin der Anstalten, und wies schließlich die Leiterin der neuen Sckule, Fräulein Klotz-Zwickau, in ihr verantwortungsreiches Amt ein. Ein weihevolles Gebet des Ortspfarrers Graf erflehte den göttlichen Segen auf das hohe Königshaus, wie auf die Anstalt, die berufen sei zu einem rechten Gottesdienste an jungen Seelen. Beide Anstalten zählen zur Zeit 50 Schülerinnen, nämlich 30 in der Frauenschule und 20 (14 im Internat und 6 TageS- schülerinnen) in der Haushaltungsschule. — Kirchberg. Donnerstag Abend gegen 7 Uhr ertönten plötzlich die Sturmglocken und Nothpfeifen. ES stand die Jakobstraße Hierselbst in Gefahr durch ein auSgebrocheneS Schadenfeuer theilweise oder ganz vernichtet zu werden. Der Feuerwehr von hier und Umgegend aber gelang es, alle Nachbargebäude so zu schütze», daß nur das völlig in Brand begriffene Wischrob'sche Wohnhaus rettungslos ein Raub der Flammen wurde. Die Insassen haben nicht ver sichert. Entstehungsursache ist zur Zeit noch unbe kannt. — Marienberg. Am 15. d. MtS. wurden von einer Gendarmeriepatrouille die beiden Zigeunerfamilien Josef und Karl Weinlich aus Rochlitz in Böhmen, ins- gesammt 15 Köpfe stark, im Walde bei Lauter lagernd betroffen, wegen Bettelns, Wahrsagen«, Landstreicherei und verbotswidriger Rückkehr nach Deutschland fest genommen und an das hiesige Königl. Amtsgericht abgeliefert. Die Zigeuner reisten angeblich als Mu siker, hatten weder Pferd noch Wagen, aber eine alte Mutter von 70 Jahren bei sich, welche sie in einem kleinen Wägelchen mit sich führten.