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mir bekommen können, ja noch mehr... er erhält ja später Alles, was ich besitze, konnte mithin lustig Schulden machen, wenn eS sein mußte. Wer hat denn die Verhaftung Hermann'- veranlaßt?" „Der Postinspektor!" „So! — Hab'S dem Jungen vorher gesagt — sollte andere Carriere ergreifen, als bei der Post. Mein Neffe hat ganz das Exterieur des Soldaten, wäre schneidiger Offizier geworden, wenn er nach dem Kriege die Uniform nicht auSgczogen hätte — Pro tektion wäre von selbst gekommen — half aber Alles nichts, wollte selbst sich und seine Mutter ernähren. Ist ganz lobenSwerther Vorsatz gewesen. Na, nützt jetzt nichts, darüber zu philosophircn, werde nachher mal zu Korfs fahren —" Nachdem der Herr Major in der Gesellschaft der Familie Droop dinirt, sich von den Strapazen der Reise erholt und alle seine Höflichkeiten gegen die Damen aus der Rumpelkammer seines Herzens, wo sie schon seit fünfundzwanzig Jahren als verbrauchte Gegenstände geruht, hervorgeholt hat, hinkt er, auf seinen Krückenstock gestützt, dem vor der Thür harren den Wagen zu. Die Damen und Herr Droop be gleiten ihn und sind ihm auch beim Einsteigen be- hülflich. Nachdem dies mit einiger Mühe geschehen, nimmt auch Droop neben ihm Platz, und fort geht's dem Gerichtsgebäude zu. „Also in dieses Eulennest haben sie ihn einge sperrt?" sagt der Major beim Aussteigen. „Wie mag dem armen Jungen hier wohl um's Herz sein?" ES dauert eine Weile, ehe man die steinernen Stufen erklommen hat. Jetzt stehen die beiden Herren vor dem Zimmer des Richters. Ein Gerichtsdiener, der sie gemeldet, öffnet ihnen die Thür. Der Major humpelt vorwärts, während Droop im Vorzimmer zurückbleibt und sich mit den Worten: „Können und dürfen Sie mir etwas über den verhafteten Post sekretär Bäumer mittheilen?" an den Diener der Gerechtigkeit wendet. Der Gefragte nimmt eine wichtige Miene an. „Ich kann es wohl, aber ich darf cs nicht!" lautet seine Antwort. „Verstehen wir uns recht... ich meinte mit meiner Frage: wie eS dem Arrestanten geht, ob er gesund ist und wie er die Haft erträgt?" „Nun, gesund ist er ja noch, obgleich er nur so viel Nahrung zu sich nimmt, wie ein kleines Kind. In den letzten Tagen ist er auch ruhiger geworden. Anfangs geberdete er sich wie ein Rasender. Nun, es mag ja auch hart sein . . unschuldig eingesperrt zu sein." „So?" sagte Droop mit bewegter Stimme. „Dann betheuert er wohl sehr oft seine Unschuld?" „Ja, sehr oft! Aber nun darf ich nicht mehr mit Ihnen über den Verhafteten sprechen, ich habe schon mehr gesagt als ich verantworten kann." Droop nahm ganz richtig an, daß der Gerichts diener sich mit Bäumer, während er in dessen Zelle zu thun hatte, dann und wann unterhalten würde; deshalb sprach er so mehr vor sich hin, um eben dem alten Beamten durch Fragen keine Gewissensfkrupel zu bereiten, daß der Onkel des Verhafteten wohl den Richter dazu vermögen würde, die Untersuchungshaft des Neffen abzukürzcn, ja, daß vielleicht noch heute oder doch in den nächsten Tagen seine gänzliche Frei lassung würde erfolgen können. Trotzdem viele An zeichen gegen Bäumer seien, glaubten doch sehr viele im Orte, vor Allem seine Freunde, nicht an seine Schuld. Der alte Droop hatte richtig gerechnet, denn nach Verlauf einer Stunde wußte der junge Beamte schon, was in Gegenwart des Gcrichtsdieners von Droop ausgesprochen war. Man kann sich daher die Freude des Verhafteten ausmalen, als er erfuhr, daß sein treuer Onkel sich für ihn an Ort und Stelle selbst verwandte! Nicht minder erfreulich war ihm aber auch die Gewißheit, daß er, trotz der erdrückenden Beweise, die gegen ihn vorzuliegen schienen, noch Freunde und Bekannte besaß, die fest an seine Un schuld glaubten, ein ganz besonderer Trost in seiner hoffnungslosen Lage. Er sah jetzt auch seine Unhöf lichkeit gegen den alten Gerichtsdiener ein und nahm sich vor, dessen ihm erwiesene Gefälligkeiten von heute an mit größerer Freundlichkeit zu lohnen. (Fortsetzung solgt.) Der Tempelschlaf. Von L. Engel. Bei dem Studium der religiösen Gebräuche der Aegypter und Griechen des Alterihums, finden wir eine besondere Art der Krankenbehandlung, welche als Tempelschlaf bezeichnet wird. Dieser bestand darin, daß Kranke in den Tempeln der heilspenden- dcn Gottheit von den Priestern besonderen Vorbe reitungen unterzogen worden, die sie befähigen sollten, im Traume dasjenige Mittel zu finden, welches ihr körperliches Leiden bessern, bezüglich heben sollte. Dieser Gebrauch des Tempelschlafes hat seinen Ur sprung in Aegypten und gelangte von dort nach Griechenland, sowie in späterer Zeit zu den Römern. Lange Zeit hat man nicht recht gewußt, was aus diesem Gebrauche des Alterihums zu machen ist, ob derselbe lediglich in das Gebiet des Aberglaubens, in das Bereich der an mystischen Erscheinungen reichen, jeden haltbaren Inhaltes aber entbehrenden Götter verehrung zu suchen sei, oder ob ein brauchbarer Kern zu Grunde liegt, der unserer modernen Forschung noch entgangen ist. Or. Carl du Prel in München hat nun nachgewicsen, daß letzteres der Fall ist und daß hier Phänomene des Seelenlebens vorzuliegen scheinen, die dem Psychologen genügenden Stoff zum Forschen bieten dürften. Wir wissen aus den Ucbcr- lieferungcn griechischer Schriftsteller, sowie auö den direkten Zeugnissen ägyptischer Papyrosrollen (z. B. Papyros Ebers), welche ungemein umfassende Kennt nisse die Priester des alten Aegyptens sich auf medi zinischem Gebiete erworben hatten und daß die Arz neikunst nur von diesen ausgeübt wurde. Letztere aber entwickelt schon durch die Praxis eine Kenntniß der seelischen Eindrücke, ohne daß es gerade nothwendig wäre, ein Studium der Psychologie in unserem Sinne vorauSzusetzen. Die sämmtlichen Tempelmysterien, sowie der Göttcrkultus gingen darauf hinaus, seelische Stimmungen hervorzurufen, welche das Gemüth zur Bewunderung der Göttergröße und Erkennen der Nichtigkeit des Menschen wachriefen, alle mystischen Erscheinungen der Natur und des Seelenlebens wurden auf das Einwirkcn der Gottheiten zurückgeführt und das willkürliche Hervorrufen dieser Erscheinungen, wie Physik und Chemie es jetzt Jedem gestattet, galt als Eindringen in höhere Weisheit, mit der Aussicht ein Liebling der Götter zu werden. Dieses alles wohl bedacht und verglichen mit den Ueberlieserungen, welche auf unsere Zeit gekommen sind, lassen die Wahrschein lichkeit zur Gewißheit werden, daß den Priestern Aegyptens die gcheimnißvollen Erscheinungen des Magnetismus und Hypnotismus nicht nur wohlbe kannt gewesen, sondern auch in der ausgiebigsten Weise von ihnen ausgenutzt worden sind. Es läßt sich nämlich nachweisen, daß das Gebiet des Tempelschlafes die Erscheinungen dieser Theorien umfaßt, wie sie in unserer Zeit erst allgemeiner bekannt geworden und zwar ist durch Or. Carl du Prel zuerst dieser Beweis durch das Experiment in folgender Weise geliefert worden. Einer im sogenannten magnetischen Schlafe (Hypnose) befindlichen kranken Person wurde von ihm der Befehl (Suggestion) gegeben, in der folgenden Nackt zu träumen, welches Mittel das geeignetste sei, um ihren leidenden Zustand zu heben. Der Effekt war, daß dieselbe eine Wasserverordnung im Traume erhielt, welche auch das Leiden beseitigte. — Die Erklärung für die Möglichkeit dieser auffallenden That- sache soll in der Hervorrufung des, jedem lebenden Wesen innewohnenden Instinkts für Zuträgliches oder Schädliches liegen. Man hat beobachtet, daß kranke Thiere oftmals irgend ein bestimmtes Kraut suchen und zu sich nehmen, worauf sie gesunden. Aehnliches finden wir bei kranken Menschen, die in Krankheits fällen von irgend einem bestimmten Appetit für eine Speise so heftig ergriffen werden, daß sie nicht wie- derstchen können und nach Befriedigung desselben ge nesen. Diese Thatsache hat Stoff zu zahlreichen Anek doten gegeben. Wodurch aber entstehen diese instinktiven Handlungen? Sie sind das Produkt der unbewußten Seelenthätigkeit, die den Körper zu schützen und zu erhalten sucht. Die Theorie des Tempelschlafes geht nun darauf hinaus, dieser Seelenthätigkeit Gelegenheit zu geben, sich zu entfalten und dem Bewußtsein ein zuprägen, was am leichtesten im natürlichen Schlafe geschieht. Der persönliche Wille, die Eindrücke des Tage- sind in diesem Zustande am meisten unterdrückt, und somit kann diese Thätigkeit die herrschendere werden, um ein Resultat im Sinne des Tempclschlafes zu erzielen. Es sind auch bereits gelungene wissen schaftliche Versuche von anderen Forschern gemacht worden, die der Veröffentlichung noch harren und jedenfalls das größte Interesse beanspruchen, denn selbstverständlich besitzt ein einzelnes Gelingen eines solchen Experimentes noch nicht hinreichende Beweis kraft für die Richtigkeit der entwickelten Anschauung. Dazu bedarf cs mannigfaltiger Thatsachen und sehr genauer Beobachtung. Immerhin ist cö interessant zu hören, wie selbst der gaukelnde Traumgott mit seinen wirren, phantastischen Bildern zum Dienste der Menschheit herangezogen wird. Sache der exakten Forschung ist es jedoch, zu untersuchen, wie weit auch auf diesem Gebiete die Ueberlieserungen des Alter- thums sich decken mit den Errungenschaften unserer modernen Wissenschaft. Vermischte Nachrichten. — Paris. Dieser Tage wurde in Paris eine bildschöne Engländerin, Eveline Leal, verhaftet, welche HeirathSschwindeleien im größten Stile betrieben hat. «ie ging dabei folgendermaßen zu Werke: sie ver öffentlichte in Zeitungen eine Anzeige, der zufolge eine junge Erbin mit einem Vermögen von einer Million Frank sich zu verheirathcn wünsche. Es stellten sich natürlich zahlreiche Bewerber ein, die hingehalten und dabei verlockt wurden, gelegentlich für Miß Leal Auslagen zu machen und Geschenke zu kaufen. Sie ist erwiesenermaßen dreiundvierzigmal ordnungsmäßig, aber „heimlich" verheirathet. Nach der „Trauung" bat Eveline Leal jedesmal den Bräutigam, sie im Schlafzimmer zu erwarten, worauf sie regelmäßig sofort verschwand und nach Paris zurückkehrle, um das Handwerk des Gimpelfanges von neuem wieder auf zunehmen. — Die längste Eisenbahn der Welt wird Rußland besitzen, sobald die projektirte sibirisch-trans- asiatische Eisenbahnlinie von Petersburg über Irkutsk nach Wladiwostock am Stillen Ozean zur Ausführung gelangt. Dip Länge dieses riesigen, allerdings stellen weise auf kurze Strecken unterbrochenen Schienen weges dürfte nahezu 6500 Kilometer betragen; eine cndgiltige Entscheidung über die Richtung der einzel nen Zweige dieser Bahn konnte bislang noch nicht getroffen werden. Die neue Bahn wird es ermöglichen, die Reise um die Welt in etwa 40 Tagen auSzuführcn. Gegenwärtig braucht ein Brief von Petersburg nach Wladiwostok im Sommer 2'/^, im Winter bis 4 Monate; die projektirte Bahn wird die Briefe in l l—l2 Tagen befördern. — Von den bisher längsten Eisenbahnlinien der Welt erwähnen wir die Atlantische Pacificbahn mit 5600 Kilometer, die Nord-Pacificbahn mit 5300 Kilometer und die Kanadische Eisenbahn mit 5000 Kilometer. — Schlechte Lampenchlinder kommen jetzt, zum großen Verdruß Aller, welche bei Lampenlicht zu arbeiten genöthigt sind, in den Handel, und zwar, wie man aus den von den verschiedensten Seiten laut werdenden Klagen annehmen möchte, in großen Men gen. Diese Cylinder nehmen nach kurzem Gebrauch auf der brennenden Lampe eine dunkle, manchmal völlig schwarze Farbe an, die das Licht trübt und in folge dessen beim Arbeiten stört. Wie Sachverständige versichern, liegt die Ursache dieser Erscheinung, für welche einige Unkundige wohl das Petroleum verant wortlich zu machen geneigt sind, darin, daß in dem Glase kleine Bleitheilchen enthalten sind. Blei aber hat die 'Neigung, sich beim Heißwerden zu schwärzen, namentlich jedoch beim Erhitzen durch die Gasflamme, weshalb auch bei den auf Gasflammen gebrauchten Cylindern die Erscheinung am auffälligsten hcrvortritt. — Wie man im Mittelalter aß. Das Alterthum hat auf die schlagendste Weise gezeigt, wie man sich das Leben an der Tafel bequem machen kann. Verzehrten die Römer doch halb liegend ihre Mahlzeiten, als ob eine anfrechte Stellung mit zu großen Anstrengungen verknüpft wäre. Dieser Ge brauch pflanzte sich dann auch auf die Gallier fort, sonst aber zeichnet sich das Mittelalter — wenigstens im Anfang — durch solidere Neigungen aus; denn selbst in den Palästen der Könige mußte man mit einfachen hölzernen Schemeln oder Bänken vorlieb nehmen, und erst später gestattete inan sich den Luxus von Teppichen und Kissen, bis die Vornehmen auch äußerlich eine Sonderstellung beanspruchten und Arm sessel für sich Herrichten ließen. Die Eßtische waren polirt und gefirnißt. Als ein Zeichen großer Selten heit galten die drei aus massivem Silber gefertigten Eßtische Karls des Großen, die sich jedoch nicht allein durch ihren Werth, sondern auch durch ihre künstler ischen Verschönerungen auszeichneten. So war auf dem einen Rom auf dem andern Konstantinopel und auf dem dritten Tische die Karte der ganzen bekannten Welt abgebilvet. Ein besonderer Gebrauch schrieb vor, daß die Könige und Vornehmen den Beginn ihrer Mahlzeiten durch Hörnerschall verkünden ließen und damit das Zeichen zu einem allgemeinen Hände waschen gaben. Das Wasser war köstlich mit Rosenöl und wohlriechenden Essenzen durchduftet. Um dem Gespräche eine größere Anregung zu geben, placirte man die Gäste paarweise, d. h. je einen Herrn und eine Dame. Beide aßen dann von einem Teller und tranken aus einem Becher. Man pflegte gegen 10 Uhr morgens das Mittagsmahl einzunehmen, und sich zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags zum Abend brot zu begebe». Um jedes Mißtrauen hinsichtlich der Speisezubereitung zu bannen und zu beweisen, daß sie frei von schädlichen Substanzen sei, kostete der Mundschenk den Wein, der Oberbrotmeister das Brot und der Waffenträger das Fleisch. Fleisch und Brot berührt man niit dem Hornc eines Einhorns, glaubend, daß eine solche Berührung fähig sei, jeden bösen Ein fluß abzuwenden. — Väterlicher Rath. Moritzleben, wenn Du Dich verheirathest, nimm Dir eine so reiche Frau, daß Du sie auch nehmen würdest, wenn sie die häß lichste wäre — und so schön soll sie sein, daß Du sie auch nehmen würdest, wenn sie die ärmste wäre! — Fürchterliche Drohung. „Doktor, ich leide schrecklich." — „Ach, ich glaube nun einmal an Ihre Schmerzen nicht." — „Wissen Sie, Doktor, Sie verdienten, daß ich Ihnen vor der Nase sterbe!" — AuS der Dorfschule. Lehrer: „Wirhaben den Satz gelesen: Die Kartoffeln kommen sowohl im Thal als auch auf den Bergen fort. Kannst Du dies nicht auch anders auSdrücken?" — Der kleine Pepi (Sohn eines Oekonomen): „Die Kartoffeln werden sowohl im Thal als auch auf den Bergen gestohlen!" Druck und Verlag von E. Hannebohn in Eibenstock.