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96 Der König streicht sich den grauen Bart: „Mir dünkt, ich habe das längst gewahrt." Durch die weiten Säle, durch die Hallen Die lustigen Hochzeitweisen schallen. „Mein Bräutigam, sprich, bist du so ernst, Daß du bei der Braut das Lächeln verlernst?" „„Prinzessin, ich ließ vergangene Zeiten An meiner Seele vorübergleiten."" Der König streicht sich den grauen Bart: „Viel raubt uns der Stunden flüchtige Fahrt." Durch die weiten Säle, durch die Hallen Die lustigen Hochzeitweisen schallen. „Mein Liebster, wie soll ich das deuten doch, Dein Auge wird immer trüber noch." „„Prinzessin, ich dachte, daß ich der Armen Heut unterlassen- mich zu erbarmen."" Der König streicht sich den grauen Bart: „Bei Gott, so gefällt mir des Sohnes Art!" Da schaute die Braut sich um im Kreise, Und winkt Catharinen zu sich leise. Und löset vom Hals ihre Kette golden Und reicht sie mit schlauem Lächeln der Holden. Der Bräutigam senket die Blicke nieder, Und hebt sie erröthend und senkt sie wiedw. Ein Höfling steht bei der Braut, der winkenden, Und reicht ihr den Becher dar, den blinkenden. Sie fasset den Becher, sie zittert nicht, Die Falsche mit lächelnder Lippe spricht: - „Mein Töchterchen, tritt nicht verschämt zurück, Trink auf mein hochzeitliches Glück." Der Bräutigam springt vom Sitze geschwind: „Trink nicht, trink nicht, verrathenes Kind!" . Er schwingt sein Schwert so blank und rein, Und stößt es dem Höfling in's Herz hinein. „Der Trank, den ich zu mischen befahl, Erlöse mich nun von aller Qual!" Sie streift von dem Finger ihr Brautringlein Und wirft es schnell in den Becher hinein. Sie setzet ihn an die Lippen, die bleichenden, Und trinket in sich den Tod, den schleichenden. Sie schaut sich nicht um, sie spricht kein Wort, Stumm schreitet sie aus dem Saale fort. Eatharinc weiß nicht, wie ihr geschehn, An des Liebsten Brust ihr die Sinne vergehn. Julius Hammer. Gedankerrblirme». Der Mensch hat Alles verloren, wenn er dm Glauben an sich selbst verliert; denn wer sich selbst nichts zutraut, der vermag auch nichts; wer an sich selbst verzweifelt, dem gebricht es an Lust und Kraft, das zu thun, was er- thun sollte. Daher bewahre dir diesen Glauben, Mensch, in jeder Lage des Lebens. Mit ihm vermagst du Wunderähnlichcs zu voll bringen, und Weisheit und Tugend, Zufriedenheit und Ruhe, Achtung und Liebe aller Edlen sind in seinem Gefolge. Marezoll. Reine Liebe, sie gleicht der stillerwärmenden Flamme, Eigenliebe allein macht sie zur sengenden Gluth. <2. D. Bier Dingen sei der Weise zu entsagen bereit: Rcichthum, Belohnung, Liebe und Eitelkeit. Türkischer Spruch. Staaten können großes Unglück ertragen; großm Fehlern erliegen sie. r. „O, könne ich dich sterben sehn tausendmal. Der du mit Gift getränkt den Pokal." Er umfaßt Catharinens schlanken Leib: „Dich lieb ich allein, sei nun mein Weib!" Mit todtbegierigen Blicken schaut Nach dem Becher die schuldbewußte Braut. r. P. Melzer in Leipzig.