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397 Anfangs machte uns dieses Abentheuer außer ordentlichen Spaß; als aber nach fast einstündiger Anstrengung das Fahrzeug nicht von der Stelle zu bringen war, und wir doch je eher je lieber nach Hamburg wollten, ward uns die Sache nach gerade etwas ennuyant, zumal wenn man hier und da die bedeutsamen Redensarten ausstoßen hörte, daß wir unter vierundzwanzig Stunden, also vor Morgen Mittag schwerlich das Ziel unserer Reise erreichen würden. Aber wenn die Noth am größten, pflegt ein Sprichwort zu sagen, ist die Hilfe am nächsten. Letztere erschien uns in dem Kronprinzen von Preußen, nicht dem lebendigen, sondern in dem Elbdampfschiffe, das diesen Namen führt. Dieses kam von Hamburg herauf, und als es unsere beklagenswerthe Lage er kannte, machte es Halt. Unser Capitain bestieg ein Canot und fuhr nach dem Kronprinzen über. Wir wußten erst gar nicht, was diese Ueberfahrt bedeuten sollte, bis wir vernahmen, daß die beider seitigen Capitaine unfehlbar eine Capitulation ab schließen würden, wonach wir mit sammt dem Ge päck auf den Kronprinzen und die Passagiere dieses Schiffs auf den „Paul Friedrich," der wohl rück wärts aber nicht vorwärts konnte, übergesetzt werden sollten. Wie alle politische Conferenzen währte auch die der beiderseitigen Capitaine ziemlich lange. Wir wollten verzweifeln; da drüben lag das verwünschte Tangermünde, das auch stets aus einem Flecke blieb und dessen Zinnen uns allmälig ganz verhaßt wur den. Endlich war die Capitulation geschloffen; unser Nelson kam zurück gerudert und der Befehl zur Ueberschiffung ward gegeben. Dicß gewährte allerdings eine interessante Scene. Namentlich freuten wir uns, nun ein anderweitiges Dampfschiff der Magdeburg-Hamburger Compagnie kennen zu lernen. Wir wurden nebst unserm Mo biliarvermögen zu vier bis fünf Personen auf Kähne geladen und nach dem Kronprinzen übergesetzt. So lebe denn wohl, „Paul Friedrich," der du dein geliebtes Mecklenburg dießmal nicht erblicken solltest, sondern dem beschicken war, nach Magde burg zurückzukehrcn. Die beiden Kellner des Restau rateurs, welche sich sehr auf Hamburg gefreut hat ten, jammerten über alle Maßen, als sie wieder zurück mußten. Wir andern hatten unterdeß vom Kronprinzen. rechtskräftig Besitz genommen und stellten Ver gleichungen mit dem so eben verlassenen „Paul Fried rich" an, die keineswegs zu unserm Wohlbehagen aussielen. Dieses Dampfschiff war nämlich eins der ältesten der Compagnie, sah rauchrig und unfreund lich aus und bot bei weitem nicht die Bequemlichkeit des „Paul Friedrich" dar. An Betten, obschon wir solche in Magdeburg bezahlt hatten, war hier gar nicht zu denken. Jndeß sollte auch der Kronprinz sein Gutes haben. Man rühmte ihn als den besten Segler unter sämmtlichen Schiffen der Compagnie. Dieß war allerdings ein Umstand, welcher ihn uns aus sehr vortheilhaftem Lichte zeigte, denn nach drei stündigem Aufenthalte bei Tangermünde lag uns natürlich sehr viel daran, schnell fortzukommen. Auch besaß der Kronprinz eine kleine Bibliothek, die, wie wir später sehen werden, uns sehr zu Statten kam. Bei der Ueberfahrtsscene ward der Wagen eines Hamburger Kaufmanns zum Gegenstände des allge meinen Hasses. Derselbe sollte gleichfalls nach dem „Paul Friedrich" übergeführt werden; diese Trans location war jedoch mit solchen Schwierigkeiten ver bunden, daß man nach langen vergeblichen Versuchen die Sache ausgab und den Wagen wieder mit nach Hamburg nahm. Namentlich war das Publikum der zweiten und dritten Cajüte sehr über diese unge schlachte Lacomotive, welche den Aufenthalt so ver längerte, äußerst erbittert, daß nicht viel gefehlt hätte, und die Carosse wäre über Bord geworfen worden. Endlich ging die Reise wieder vorwärts. Wir waren wieder wohlgemuth, tranken unfern Kaffee auf dem Verdeck, denn das Wetter hatte sich voll kommen aufgeklärt. Mit der Aalsuppe heute Abend in Hamburg war freilich nichts. Die ausgesprochenen Zweifel eines Passagiers, daß wir Hamburg wahr scheinlich auch Morgen nicht erreichen würden, wurden fast allgemein belacht; wir fuhren wohlgemuth die sommergrünen Ufer entlang. Es konnte ja gar nicht prächtiger gehen. Die Abendsonne sank immer tiefer und beleuchtete prächtig die Wolken, unter welchen die zahlreichen großen Elbkähne mit ihren weißen Segeln wie große Schwäne daher fuhren. ' Ganze Flottillen, von günstigem Winde geleitet, tauchten empor und zogen an uns vorüber. Ost kamen uns solche Schiffe so nahe, daß es aller Vorsicht und oft großer An strengung bedurfte, um nicht mit ihnen zusammen zurennen.