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32Z Man kann sich denken, in welche höchst unan genehme Lage Sonnenschmidt durch solch' Gerede versetzt ward. Endlich erschien Langschädel, der Lieutnant und Brückengeldcreinnehmer. Er war heute wieder auf der Jagd gewesen, aber miserabler Laune. Langschädcl nahm sogleich neben dem Jnspector Platz und begann entsetzlich zu fluchen, so daß der mit todes- und gottessürchtigen Gedanken beschäftigte Sonnenschmidt ihn mit Milde bat, sich zu mo- deriren. Aber der Lieutnant ließ sich im Geringsten nicht stören. Er schwur hoch und theuer, er wolle lebendigen Leibes gespießt sein, wenn man ihm heute nicht einen Waidmann gesetzt habe. Ein Hase sei keine zehn Schritte vor ihm ausgestiegen und er habe ihn gefehlt. Eines solchen Malheurs könne er sich sein Lebetag nicht entsinnen. Der Jnspector gab dem jagdlustigen Freunde zu bedenken, daß die Sage von dem Waidmannsetzen wohl in das Reich der Fabel gehöre. Wenn Sonnenschmidt heute nicht selbst so seltsame Erfahrungen im Bereiche des Uebernatür- lichen gemacht hätte, würde er in seiner bekannten freigcistigcn Manier weit kürzer geantwortet und ge sagt haben: „Langschädel, seid kein Narr und laßt Euch nicht auslachen mit Euerm Waidmanne, der in die Spinnstube gehört." Jndeß wie mild auch der Jnspector dem ehema ligen Landwehrlieutnant widersprochen hatte, gerieth letzterer nichtsdestoweniger in Harnisch und vertei digte die Eristenz des Waidmanns mit einem Feuer und einer Zuversichtlichkeit, er wußte so viele außer ordentliche Beispiele dem Jnspector zu Gcmüth zu führen, daß dieser wirklich stutzig ward und in der That nicht wußte, was er von der Sache halten sollte. „Der Hofcommissair," sprach Langschädel nach einer Weile, nachdem er sich wegen des Waidmanns satt geflucht hatte, „wird heute nicht kommen und läßt sich entschuldigen. Wir sollen nicht aus ihn warten, denn er ist in Geschäften nach Kirchberg ge reist und wird erst in einigen Tagen zurückkommen." Dem Jnspector war diese Nachricht gar nicht un lieb; denn er hatte immer befürchtet, daß Eccarius, vermöge seines scharfen Blickes, bald seinen innern Zustand errathen und darüber seinen Witz machen werde. „Aber wo nur der Kappler bleibt?" frug Sonnenschmidt, der von Zeit zu Zeit nach der Thüre geschaut hatte, in der Hoffnung, den Er warteten hereintreten zu sehen; „es hat bereits sieben geschlagen." „Wenn der Kerl in diesem Unwetter seine Pro menade macht, so muß es in seinem Kopfe nicht richtig sein," versetzte der Landwehrlieutnant. „Wenn ich wüßte," fuhr er nach einer Pause fort, indem seine Gedanken immer wieder auf seine heutige Jagd zurückkehrten, „daß ich im Spiele gleiches Unglück haben würde, sollte'ich eigentlich heute keine Karte anrühren. Der Mensch hat ein mal seine guten und bösen Tage." Die letzten Worte des Lieutnants gaben dem Jn- spcctor wieder sattsame Gelegenheit, über transcendcn- tale Angelegenheiten nachzudenken. Da schlug's halb acht und wenige Minuten darnach erschien der für den Jnspector so ersehnte Kappler. Langschädel fuhr den sanften Mann ziemlich grob an, wo er bleibe und ob er wirklich gegen seine Gesundheit so gewissenlos gehandelt habe und in die sem Hundewetter um die Stadt gerannt sei. „Neins mein verehrter Herr Lieutnant," erwiederts der Sportelschreiber, „ich habe mich heute auf meine Stube beschränkt und bin darin auf- und abge schritten, was gerade so viel Schritte beträgt, als wenn ich meinen gewohnten Umgang halte. Jndeß muß ich mir doch erlauben, zu bemerken, daß die Sache, bei Lichte besehen, mit der Zeit etwas ein tönig wird." „Das will ich glauben," lachte Langschädel, „das macht Euch so leicht Niemand nach; aber sagt mir, wie sangt Ihr es an, daß Ihr Euch nicht verzählt?" „Es ist dieß nicht gut möglich," erklärte der Sportelschreiber, „meine kleine Bibliothek zählt eine ziemliche Anzahl Bände und Bändchen. Ich nehme nun jedesmal ein Buch und trage es auf die ent gegengesetzte Seite der Stube. So befördere ich in Summa die Bibliothek verschiedene Male hin und wieder und kann also nicht leicht in Jrrthum ge- rathen." Aber je leichtfertiger der Lieutnant mit dem guten Kappler verfuhr, um so rücksichtsvoller und wohl^ wollender behandelte ihn Sonnenschmidt. Der Sportelschreiber fühlte sich sehr beglückt dadurch, denn gerade bei dem Jnspector war er an Aufmerksamkeiten und zarte Behandlung im Geringsten nicht gewöhnt. Man beschloß heute, da der vierte Mann im Solo fehlte, Piquet zu dreien zu spielen.