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315 dier; mit vorgebeugtem Körper und den Kopf in den Rockkragen gesteckt, wunderten sie unverdrossen ihren Paß, als nach einem Marsch von etwas über sieben Stunden der Schneesturm zu einer solchen Wuth anschwoll, daß es nicht mehr möglich schien, zu widerstehen. Der Wind blies jetzt mit dem Un gestüm des Orkans. Wir sahen einander nicht mehr um zehn Schritte; die Schneeflächc, über die wir gingen, wogte wie eine wildbewegte See. Nom Winde je und je in Wirbel gefaßt, wurden wir in so dicke Wolken gehüllt, daß es uns wirklich war, als ob wir ersticken müßten. Wir machten ins- gesammt Halt: die Canadier erklärten, an ein Wei tergehen sei nicht mehr zu denken; zum Glück lag der Wald in der Nähe, wo uns die Fichten ihre dunkeln Zweige gastlich entgegen streckten. Die Scene, obwohl sie sich nun veränderte, blieb deshalb nicht weniger furchtbar: das Krachen der Bäume, die zu Boden stürzten und das Knarren der Aeste, die der Sturm zauste und schüttelte, daß sie borsten, brachte schauerliche, durchdringende Töne hervor, allein es war keine Zeit zu verlieren mit Betrachtungen: Wärme und Obdach thaten vor Allem Noth, daran hing das Leben, hier galt es wieder die Kunst und Arbeir der Canadier, die nicht ermangelten, eine kraftvolle Probe davon abzulegen. Mit Hülfe ihrer kleinen leichten Aexte harten sie in wenigen Minuten einen stattlichen Ahorn der Erde gleich gemacht, inzwischen räumten wir die Stücken, die wir von den gefallenen Bäumen losrissen, und an einer Stelle in Biereck den Schnee weg; die faserige Borke von der weißen Ceder, die man in der Hand zerrieb, diente zum Zündstoff, mittelst dessen bald ein Feuer angeblasen war. Als dieß brannte, warf man die weiche Faser der Rinde und dann die Rinde selbst hinein, deren harzige Materie die Flamme bald in volle Thätig- keit setzte, daß sie lustig aufloderte und eine stolze Rauchsäule aus dem Holzstoß, den wir durch unab lässiges Zuwerfcn von neuen Klötzen aufthürmten, hoch über die Wipfel der Bäume sich emporwand. Nachdem wir über unseren Häuptern aus Tannen ästen eine Decke gebildet hatten, die uns wenigstens theilweise gegen den Schnee schützte, setzten wir uns nieder, die Füße gegen das Feuer gekehrt; so ge nossen wir alle Bequemlichkeiten, die wir in unserer Lage erwarten konnten. Eine Seite unseres Nierecks begrenzte ein großer Baum, der quer herüberlag; neben diesem war unser Feuer angemacht; ein anderer Baum stand auf der entgegengesetzten Seite, gegen den ich meinen Rücken gekehrt hatte; und da dieser abgestorben war, so arbeitete ich eine Oeffnung hinein, die ich mir zu einer guten Herberge einrichtete. Rings umgab uns eine fünf Fuß .hohe Mauer von Schnee, die ungeachtet der mächtigen Esse in der Mitte kein Haar breit wich. Die Canadier, die sich mit Lebensmitteln besser versehen hatten, als ich, kochten sich eine Kraftbrühe in einer kleinen Pfanne; ich hatte darauf gerechnet, daß ich unterwegs Gelegenheit finden würde, mir das Nöthige anzuschaffen, ohne die Entfernung von dem civilisirten Theil der Provinz zu bedenken, in dem wir reiften, wo die Einwohner, wenn sie auch für sich genug haben, doch nicht im Stande, sind, davon an Andere abzugeben. Nun mußte ich zu- sehen, wie die Führer die schönen Bissen frischen Fleisches mit den Fingern aus dem Napfe heraus langten und es freigebig mit meinem Diener theilten, während ich Nichts hatte als ein Stück gesalzenes Schweinfleisch, daß ich an einen Hacken röstete. Die guten Bursche, die meine magere Kost bemerkten, luden mick) zu ihrer Mahlzeit ein, was ich jedoch ablehnen zu müssen glaubte. Mein Diener, weniger skrupulös, fuhr besser. Um mich für ihre gute Ge sinnung dankbar zu bezeugen, ließ ich ihnen eine tüchtige Portion von meinem Whisky zukommen, der auch seine Wirkung nicht verfehlte, so daß sie sich recht behaglich fühlten, die Pfeifen ansteckten und sortrauchten, bis einen um den andern, der Schlaf übermannte und zuletzt die ganze Gesellschaft schnar chend vor mir lag. Das Schneien hörte nicht auf und der Schnee stürzte massenweise herab. Unser ungeheures Feuer hatte mich indessen vollkommen erwärmt, daß ich von meiner Büffelhaut erst Gebrauch machte, als ich mich schlafen legte und hätte mich nicht im Anfänge der Rauch etwas genirt und die Funken, die, wo sie Hinsielen, Löcher in meine Kleider brannten, ich würde mich verhältnißmäßig ganz behaglich befunden haben. Lange saß ich da, eine Bettdecke über die Schultern geworfen und blickte sinnend ans das Schauspiel, das für mich eben so neu als furchtbar war. Diese glanzvoll emporsteigende Flamme, diese halb überschnciteu schlafenden Männergestalten, der wild durch die Bäume rauschende Wind, diese Bäume selbst mit ihren majestätischen Formen, die uns auf einer Seite überschatteten, und dieses Feuer, das