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261 holte der junge Deutsche tief Athem und seufzte schwer. Dann schlug er die schönen großen Augen auf und heftete auf Diotima einen Blick, von dem sie im Innersten ergriffen wurde. Erröthend raffte sie zugleich den Shawl auf, der ihr von den Schul tern gefallen war und zog sanft ihre Hand aus der seinigen zurück. Der Arzt untersuchte die Wunde, verband sie, gab strenge Vorschriften und eilte fort, um bald zurückzukehren. Die Fürstin folgte ihm langsam. „Was hoffen Sie, mein Herr?" fragte sie dringen der als zuvor. „Nichts von der Kunst," erwiederte jener. „Die Natur kann ihn allein noch aufhelfen; aber es muß ein Wunder geschehen." So nahte sich also dem armen Jüngling die Nacht des Todes; ohne seine Schuld war er ein Opfer der Brutalität eines Verwandten der Fürstin geworden. Sterben sollte er, fern von seinem Vaterlande. Ach, auch Diotima war eine Deutsche. Dieser Gedanke tröstete ihn. Sie aber fuhr fort, ängstlich für seine Pflege zu sorgen, und ihre Gebete, die sie zum Himmel sendete, blieben nicht unerhört. Friedrich lebte wieder auf und befand sich bald außer Gefahr. Während derselben hatte Diotima den Hof ver gessen; anstatt in die glänzenden Soireen zu gehen, brachte sie Tag und Nacht am Bette des Kranken zu, der in seinem Fieber von seiner Mutter und von einem Engel sprach, der die Hand auf sein Herz ge legt habe, wodurch er genesen sei. Die Fürstin hatte dem jungen Mann, so lange ihn noch der Tod bedrohte, die unverkennbarsten Zeichen eines für sie gefährlichen Mitgefühls ohne Rückhalt gegeben. Als aber der Arzt erklärte, es sei für das Leben des Verwundeten nichts mehr zu befürchten, zog sie sich zurück, und besuchte nur täg lich mehre Male den Kranken, der ihr die rührende Geschichte seines Lebens erzählte. Dann las er ihr auch Bruchstücke aus einem noch unvollendeten Ge dichte vor, das er Hyperion nennen wollte und das sich eben so sehr durch Tiefe des Gefühls, als Gluth der Phantasie auszeichnete. Die Fürstin hörte ihm mit höchster Theilnahme zu. Eines Abends lehnte der noch schwache Dichter sein Haupt an die Schulter Diotima's, und diese, von Gefühlen überwältigt, hauchte einen Kuß auf die bleiche Stirn Friedrichs. Da konnte er nicht länger schweigen, er gestand ihr seine Liebe und küßte ihr Geständniß von ihren Lippen. Aber ach, ihr reines, obwohl schuldiges Glück dauerte kaum zwei Monate. Der Fürst kehrte nach Paris zurück und las in den Blicken der Liebenden ihr verhängnißvolles Geheimniß. Die Fürstin reiste sogleich nach einem vierzig Meilen von Paris ent fernten Lustschlosse ab und einige Tage nachher er hielt Hölderlin den Befehl, Frankreich zu ver lassen. Noch leidend in Folge seiner Wunde, begab er sich von Paris hinweg, doch nicht, um in sein Exil zu gehen. Er reiste nach dem Schlosse, wo Diotima lebte. Hier schloß er sie noch einmal in die Arme und hing weinend an ihrem Halse, um ihr Lebewohl, vielleicht auf ewig zu sagen. Eben wollte er sich losreißen, als die Thür hastig geöffnet wurde — der Fürst, welcher Argwohn geschöpft hatte, erschien und überraschte ihn am Herzen seiner Ge mahlin. Niemand, außer den Dreien, hat erfahren, was zwischen denselben vorgefallen. Hölderlin aber begab sich nach Deutschland zurück. (Beschluß folgt.) Zwanzig Servische Volkslieder. (Fortsetzung.) Vorsicht. O du Mädchen, o du rothe Rose! Nicht gepflanzet, nimmer auch versetzet, Nicht mit kühlem Wasser je begossen, Nicht gepflückt, die keinem noch geduftet, Nicht geküßt, nimmer noch geherzet -- Könnt' ich nur dich, Seelchen, einmal küssen. Lieber Junge, könnt'st es wohl nach Wunsche, Stößt mein Garten doch an deine Wiese; Kommen würd' ich, Blumen zu begießen, Und du kämst,, die Rose loszubinden. Küßtest, Lieber, mich dann wohl nach Wunsche, Müßtest nur mir nicht die Wange beißen, Das die Mutter nicht das Zeichen merke. V r t h e i l. Blumen säeten aus drei hübsche Mädchen. Quendel auf dem Berg und Münz im Thal«. Und ein led'ger Knabe kommt vermessen, Pflücket einen Strauß sich aus den Blumen. Doch die Mädchen stellen heimlich Netze, Und gefangen ist der kecke Knabe.