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Schmerz, indem sie einen kostbaren Shawl betrachtete, den sie am Morgen bei Rosset gekauft hatte. „Oh, Frau Marquise," riefen die Zofen ein stimmig, „welch' ein herrlicher, entzückender Cachemir!" Ein glückliches Lächeln schwebte über die Lippen der Frau von Arcillac. „Ich habe ihn selbst ausgewählt," sagte sie nicht ohne Stolz. „Er war der prächtigste in allen Ma gazins Rosset's, und je länger ich ihn betrachte, desto bewundrungswürdiger finde ich ihn. Seht nur dieses reizende Blau, diese indischen Dessins, diese Palmenzweige, welche zu leben scheinen!" „In der That, es ist ein Meisterstück von Fein heit, Farbe und Glanz," sprachen die Kammer kätzchen. „Die Wirkung ist unübertrefflich, es ist, als ob er das Werk einer Fee wäre!" „Und fort," sagte die Marquise wehmüthig, „auch er muß mit eingepackt werden." Und so verschwand der Cachemir von Rosset in der Tiefe eines ungeheuren Kastens. Am andern Tage führte ein Reisewagen mit vier Pferden die Frau Marquise auf den Weg nach Bor deaux. Die Güter des Marquis, ihres Gemahls, lagen fast alle im Süden von Frankreich. Herr von Arcillac hatte eine besondere Vorliebe für diese alten moosbedeckten Mauern, für diese hundertjährigen Bäume, für dieses halbzerfallene Schloß. Das war sein liebster Ruhesitz. Man begreift leicht, daß die Marquise vor solch' einem Aufenthalte einen unüberwindlichen Abscheu haben mußte. Schon der Gedanke, hier zwischen hohen Bergen, in einer düstern Gegend, in einer wildromantischen Natur eingekerkert zu sein, versetzte sie in Schrecken. Anstatt ihrer glänzenden, freund lichen, eleganten Gemächer — weite, traurige Räume, in denen sich alte plumpe Möbeln, verblichene Tapeten, die der Zahn der Zeit benagt hatte, befanden. Alles fehlte, was ihr ein Bedürfniß geworden — keine Bequemlichkeit, an die sie nun einmal gewöhnt war. Der Marquis war schon vor zwei Monaten, weil, wie er vorgegeben, wichtige Geschäfte seine Gegenwart nöthig machten, auf das alte Schloß vorausgereist. Einige Stunden von demselben empfand die Mar quise schon Schauder und Herzklopfen. Bis dahin hatte sie noch gar nicht an die Möglichkeit ihres nun mehrigen Aufenthalts geglaubt; sie meinte zu träumen. Aber wie sie die langen, dunklen Platanenalleen er blickte, welche zu dem Schlosse führten, erwachte sie aus ihrem Traume und sing an zu weinen. Als sie endlich ankam, konnte sie einen leisen Ruf des Er staunens nicht unterdrücken. Das Schloß hatte ein völlig verändertes Ansehen. Die Wände waren er neut und heiter geschmückt, Sculpturen zogen sich um Fenster und Thüren. Aber das war alles nichts gegen die innere Einrichtung. Die Marquise fand hier ihr Schlafgemach wieder mit seinen ebenholzenen verzierten Möbeln ä Ir Uoms XIV.; sie trat in die andern Zimmer — welch' ein Glanz! purpurner Damast an den Wänden — lange schwerseidene Vor hänge — die Grazien schienen diese Anordnungen ge troffen zu haben. Auch der gothische Salon fehlte nicht, kurz, die Veränderung war mit eben so viel Geschmack, als Verschwendung ausgeführt. Das alterthümliche Schloß war auf einmal wieder jung geworden. Die Marquise konnte von ihrer Verwunderung kaum zurückkommen. Sie betrachtete schweigend die Gegenstände und wähnte abermals zu träumen. „O, Dank, Dank, mein Freund, für diese Ueber- raschung," sprach sie endlich zu ihrem Gemahl. Es war das erste Mal wieder, seitdem die Abreise nach dem Lande entschieden war, daß sie ihn Freund nannte. „Willst Du nun noch nach Paris zurückkehren?" fragte dieser. „Wohin?" rief die Marquise, indem sie hoffte, daß ihr widersprochen werde, „hier wollen wir im mer bleiben." „Nun," versetzte der Gemahl, „weil ich mich denn nun überzeugt habe, daß der Luxus, der Glanz, der Reichthum, Eleganz und Putz dich wirksamer zu trösten vermögen, als meine Liebe, so überlasse ich das neu eingerichtete Schloß Dir ganz allein und kehre morgen nach Paris zurück." Die Prüfung war hart, aber der Gemahl un beugsam. Und daher kommt es, daß diesen Winter eine der hübschesten Frauen von Paris und der bezauberndste Shawl aus Rosset's Magazin von der Bühne der vornehmen Welt verschwunden sind. Ueberflüssig ist es wohl, noch hinzuzusetzen, daß der Name einer Marquise von Arcillac nur ein Name —für eine andere ist. Das Gerücht spricht übrigens noch von einer drit ten Person, die in dieser Geschichte nicht vorkommt, die aber sonst öfter in dem Salon des Marquis von Arcillac gesehen worden sein soll. Druck von C. P. Melzer in Leipzig.