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ON. Beiblatt zur Eilpost für Moden. ^13. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. 184L. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den II. März 1841. Der Karneval ist gleichsam der Frühling des Winters, obgleich cs sein letzter Gruß ist; der Winter hat sein ganz besonderes Leben; er wird nicht, wie alle andern Jahreszeiten, mit jedem Tage älter, sondern jünger, und in der Carnevals- zcit steht er in seiner schönsten Blüthe. Der leise Hauch des nahenden Lenzes streicht ihm die grämlichen Falten von der Stirne, und versetzt ihn in die heiterste, ausgelassenste Laune von der Welt. Mit harmloser Schadenfreude lacht er die Menschen aus, daß er sie so lange gequält und geneckt, aber die Menschen, welche die Noch stets leicht vergessen, lachen mit, schmücken sich mit den buntesten Trachten und feiern zu gleich ein Abschieds - und ein Willkommsfest. „Ade, Winter! Willkommen, Frühling!" das ist ihr frohes Motto. Dieser freilich läßt seinen schelmischen Sinn auch nicht ganz; er kommt nicht gleich, wenn man ihn ruft, und daran thut er wohl, denn ein Weilchen Ruh ist uns Allen von Nöthen. Die Ge sellschaften und Bälle werden seltener, und die Mode weiß noch nicht recht, was sie thun soll. Die Mode, ja das ist ja die Hauptsache! Darum verzeihe mir, schöne Leserin, daß ich nicht sogleich von ihr gesprochen, denn obwohl sie im Augen blicke ein wenig sparsam in neuen Productionen ist in Ver- hältniß zu den vergangenen Monaten, so ist sie doch immer noch reich genug. Das Hab' ich in diesen Lagen wieder zu bemerken Gelegenheit gehabt, als ich mich in einer großen Abendgesellschaft bei Frau von R.... befand. Folgendes schien mir besonders bemerkenswerth. Zuvörderst waren äußerst geschmackvoll drei Jupons von weißem Crep, der einfach bordirt und auf der einen Seite von sechs aus goldener und ponceaufarbener Seidenschnur aus Algier geknüpften Knoten gehalten wurde. Am letzten Kno ten, welcher oben am Jupon befestigt war, verlängerte sich die Schnur bis zur Taille, wo sie durch eine Art Agraffe von Steinen wieder befestigt wurde. Zwei ähnliche Agraffen hiel ten die Draperie des Eorsets an den Schultern zusammen. Diese Behänge waren aus dem Magazin der Madame Sorrö- Delisle, rus Vivienne Nr. 33, deren kunstgcschickte Hand noch mehre allerliebste Gegenstände der Toilette gefertigt hatte; unter andern eine Tunica en tarlatane. Eine Robe von dem selben Stoffe bildete das Unterkleid. Beide, dieses wie die Tunica waren von einer hohen Franze, auf welcher kleine Goldperlen in Vierecken glänzten, umgeben. Nichts kann sich anmuthiger und leichter ausnehmen, als diese kleinen Gold punkte, welche aus den reichen wallenden Falten des ganz weißen Eostums hervorflimmcrten. Eine andere Dame, welche gegenwärtig war, trug eine Robe von rosenfarbenem Atlas mit Spitzengrund; dazu eine Art von Schärpe in nüancirter Seide, mit Spitzen besetzt. Diese Schärpen hat man in ver schiedenen Farben, gewöhnlich in Orange oder Hellblau. Die Erfinderin, Madame Penona, rus 8t. lllerro-Hlontinartrv Nr. 5, hat auch für das Frühjahr Bournous-Shawls in rosen- farbencr und blauer Seide vorräthig; sie sind mit Paffemen- terie oder Sammet besetzt und sehen äußerst elegant aus. Was die Haustoilette betrifft, so empfehlen wir den Da men zur Morgentracht nach dem Aufstehen die Eorsets -e In banne seinine an, welche immer so beliebt bleiben, daß sogar manche elegante Frauen sich derselben auch des Abends be dienen. Die Amazoncn-Corsets sind nicht minder bemerkens werth, natürlich am meisten für diejenigen Damen, welche zu reiten pflegen. Eine Art von Frühlings-Sammet ist die hübscheste Neuig keit unter den Stoffen zu Roben. Dieses Zeug ist von hin reißendem Effect und nimmt sich besonders vortheilhaft aus, wenn es von der Sonne beschienen wird. Die Männermode für die schöne Jahreszeit ist noch im Entfalten. Breite Schöße haben ausschließlich während des Winters geherrscht, derselbe Schnitt wird auch wahrscheinlich beibehalten werden. Die Röcke mit kurzer Taille und einer Reihe Knöpfe sind sehr in Aufnahme. An den Reitröcken trägt man vergoldete Knöpfe, niedrigen Kragen, die Schöße sehr weit und mit Seide gefüttert. Die Cachemir-Gilets sind noch immer beliebt, viele sind auch von Piquü, ungemustert oder mit ganz kleinen Dessins versehen; die Knöpfe vergoldet, wohl auch von Amethisten oder Türkisen. Die Hüte sind jetzt höher, als früher, und die Krempen breiter; die Schnur breit und in einen Knoten geknüpft; das Futter weiß oder Paille. Feuilleto Karl August von Weimar, der fürstliche Freund Goethe's, spielte als Knabe mitten unter der andern Jugend der Stadt. Da thcilten sich denn die Kleinen einst auch all' ihre Wünsche mit. Der eine wollte durchaus General werden, der andere Kaufmann, ein Meistcrssohn Klempner, wie sein Va- > ter war, u. s. w. Rur der kleine Erbprinz wußte lange