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Beiblatt zur Eilpost für Moden. ^ 12. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 4. März 1841. Die Mode, so flatterhaft sic sonst ist, scheint sich jetzt mehr, als jemals, dem Studium der Geschichte hinzugcbcn. Man weiß, wie sehr sie auf die sogenannte Renaissance - Zeit unter Franz dem Ersten von Frankreich Rücksicht genommen, man weiß, wie herzlich sie die Tage Ludwigs des Vierzehnten und Fünfzehnten geliebt und sich mit dem Rococo-Geschmack abgegeben — der, beiläufig gesagt, schon wieder im Sinken ist — man weiß ferner, wie ihr Auge selbst nach den Gefilden Indiens hinüber, nach dem schönen Cachemir, der Wiege der Menschheit, geschweift ist; aber auch die Gegenwart und nächste Vergangenheit mit ihren Staatsereigniffen kümmert sie jetzt, wo alle Welt an politischen Begebenheiten Antheil nimmt oder Antheil zu nehmen vorgiebt. So ist neuerdings eine Art von Hüten unter dem Namen Belle-Poule aufgekommen, eine allerliebste Erfindung der Madame Lcclöre, auf der rue <Ie liivoli Nr. lO. Seit einiger Zeit übcrtrifft diese Künstlerin überhaupt sich selbst. Wir hätten nicht geglaubt, daß ein solcher Höhepunkt des guten Geschmacks mit so einfachen Mit teln zu erreichen wäre, wie z. B. mit einigen Streifen Tüll, etwas Spitzenverzierung und ein paar Blumen. Aber diese Streifen und diese Spitzen sind mit vollendeter Grazie arran- girt und zusammengesetzt und die Blumen auf wunderbare Weise gruppirt. Nichts ist anziehender, überraschender, als die Verschiedenartigkeit jener kleinen Mützen, die gegen das Hinterhaupt hin gesetzt werden und, mit Blumen und Blät tern geschmückt, das Antlitz auf die vortheilhafteste Weise her vorheben. Um auf die Belle - Poule - Hüte zurückzu kommen, so erinnern sie ein wenig an die Toques ü la k'ran- tzoin I., aber sie sind leichter, einfacher und machen gleichsam nicht so viel Prätension, als diese. Eine wahrhaft elegante Coiffure, die die Bürgschaft für ihren Sucres und ihre Dauer in sich selbst trägt. Wir würden noch mehre Details über die Neuigkeiten des genannten Magazins geben können, wenn jetzt nicht Alles noch im Entstehen wäre, d. h. wenn zur Frühjahr mode nicht.erst die Vorbereitungen getroffen würden. Was die Roben betrifft, so trägt man deren noch immer viele von Eachemire mit Verzierungen von Atlas; eben so be liebt sind die von Mohr, garnirt mit einer breiten Paffe- menterie, die sich an den Acrmcln wiederholt. Ferner zu nennen sind die Sammetroben, die Roben von Tüll mit drei fachem mit Sammet bordirtcm Leibchen. Die Aermel sind aus drei Falten formirt, die mittlere in Sammet. Als Toilette zum Ausgehen nehmen junge Damen ein Kleid von Cachemire-Tuch oder von sogenanntem schottischen Eachemire. Die Farbe ist entweder violet oder myrthengrün, der Schnitt nach Art eines Ueberrocks. Ein mit feinen Spitzen gezierter Fichu umgiebt ihren weißen Hals und verbirgt sein "kleines Jabot auf der rechten Seite des Mieders. Das Taschentuch wird dabei einfach, ohne Spitzenbesatz und Broderie getragen, aber von sehr seinem Battist. Schwedische Handschuh bedecken die allerliebsten kleinen Hände. An die niedlichen Füße schmiegen sich Stiefeletten von Seidentuch. Ueber die Schultern wird eine Schärpe von schwarzem Sammet geworfen mit langen Franzen von Chenille, oder auch, wenn es kälter ist, eine Schärpe von Eachemire, die wie eine Boa. um den Hals ge schlungen wird; darüber ein Manchen von Marder. Der Hut ist aus dem Magazin der Madame Hoquet, rus kivlielieu Nr. 106, von schwarzem Sammet oder von derselben Farbe, wie die Robe. Er ist mit schwarzen Spitzen verziert, die an der Seite mit einer Gruppe von drei kleinen Federn von der Farbe des Hutes zusammenlaufen. Mitunter nimmt man auch nur eine große, niederliegcnde Feder als Verzierung. Dieß ist der Kopfschmuck bei der Toilette zum Ausgehen am Mor gen; sonst sind die Hüte in der Regel mit Blumen geschmückt, doch hat diese Mode, so hübsch sie ist, in der neuesten Zeit manche Modifikationen erleiden müssen und unsere vornehmen Damen brauchen auch die Blumen nur beim Ausgehen in der Stadt, zu anderer Zeit nehmen sie nur Spitzenverzierungen. Feuilleton. Sophie Löwe, die Berliner Primadonna, welche be kanntlich nach Paris gegangen ist, um ihrem Ruhm die Krone auszusetzcn, hat, wie man uns schreibt, dort Schwierigkeiten bei ihren Unterhandlungen gesunden, und zwar wegen ihrer extravaganten Forderungen. Die Pour-parlcr's ha ben eine Zeitlang gedauert und sind dann nach und nach ab gebrochen worden. Wie cs heißt, handelt cs sich jetzt um eine baldige Abreise der Sängerin. „Sie wollen sie nicht mehr haben!" Freue dich, Berlin! Vellini'S Erstlingswerk, Beatrix di Tcnda, ist vor Kurzem von der italienischen Gesellschaft in Paris aufgeführt worden. Diese Oper, sagt ein Berichterstatter, zeigt das erste Tasten eines musikalischen Genies, welches später ganz Europa