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87 Ruhm einem lebenden Sterblichen lächeln kann, war er mir günstig, vielleicht — ja gewiß — mehr, als ich es verdiente. Ich habe mich in eigener Erfahrung durch ein paar seltene Beispiele überzeugt, daß der Name eines Mannes oft bis zu entfernten, wild fremden Orten dringt und Eindruck macht. Bor beinahe drei Jahren (im August oder Juli 1819) erhielt ich einen Brief in englischen Werfen aus Drontheim in Nor wegen, von einem Norweger geschrieben, voll schmeichelhafter Worte. Fast zu gleicher Zeit wurde mir eine Einladung nach Holstein, von einem Herrn Jacobson aus Hamburg, und auf demselben Wege eine Uebcrsctzung des Sanges der Mcdora im Eorsaren, von einer westphälischen Baronesse, nebst einigen Originalvcrscn von ihr selbst (recht artig und Klopstockisch) und deren wörtlichen Uebersetzung, auf meine Verhältnisse zu meiner Frau. Da das Gedicht mehr sie, als mich, anging, so schickte ich es ihr nebst dem Schreiben des Herrn Jacobson. Es war seltsam genug, daß während meines Aufenthaltes in Italien Jemand, den ich nicht kannte, mich einlud, den Sommer in Holstein zu verleben. Der Brief war nach Vene dig adressirt. Welch wunderbares Ding ist doch des Menschen Leben! Ständ' ich jetzt an der Thür des Hauses, wo meine Tochter wohnt, man würde mir die Thür vor der Nase zu schließen, wofern ich nicht (was nicht unmöglich wäre) erst den Portier Niederwürfe; und wäre ich damals (vielleicht auch noch jetzt) nach Drontheim oder nach Holstein gegangen, ich wäre dort mit offenen Armen empfangen worden, in der Wohnung blutfremder Leute, die keine andern Bande an mich fesselten, als die des Geistes und meines Rufes." Irreligiosität bei den Franzosen, vr. Cazanviell, der Verfasser einer Schrift über die Ursachen des häufigen Selbstmords, des Wahnsinns und der Verbrechen im heutigen Frankreich, sieht die Wurzel alles Uebels mit vielen unbefan genen Franzosen im jetzigen Zustande des Schulunterrichts da selbst. „Lesen und schreiben lernen," sagt er, „ist nur wenig, vnd viel zu wenig; ja manche Leute, die weder das Eine noch .s Andere können, sind doch besser erzogen, als andere, die darin Fertigkeit haben. Selbstmord und Verbrechen sind sogar in den Departements am häufigsten, wo Unterricht und In dustrie lühen. Dicß kommt daher, weil Unterricht ohne Bil- ,g des Gemüths, ohne Sittlichkeit, ohne religiöse Richtung ,d Erhebung, keinen Werth hat. Nur religiöser Sinn und Älaube ist der Zaum für die immer wachsende Entsittlichung in Frankrekch, für den immer zunehmenden Unglauben auf dein Lande. Noch im vorigen Jahrhundert besuchten die Land leute regelmäßig die Kirchen. Später, in der Revolutionszeit, fehlten dem Volke religiöse Lehrer und Führer; heutzutage sind zwar diese wieder da, aber ihnen fehlt das Volk. Die Kirchen um Paris herum stehen immer leer. Zwar fehlt es ihnen nicht an Priestern, diese aber stehen, wie ihre Kirchen, ver lassen; zu ihnen kommen höchstens einige Weiber, aber keine jungen Leute und keine reifen Männer." Karls XII. Wahrheitsliebe. Von dem tapfern Schwedenkönige sind mehre Anekdoten sehr populär geworden. Folgende, die K. Lundblad in seiner Geschichte Karls XII. berichtet, wird Wenigen bekannt sein. „Noch erzählt man sich," schreibt der eben so gewissenhafte, als glaubwürdige Historiker, „als ein Beispiel von der großen Wahrheitsliebe des Königs, wie er eines Tages im Begriff stand, einen Major, der sich bei einem Ausfälle sehr brav benommen hatte, zum Kommandeur eines vacanten Regiments zu er nennen. Dieser Ofsicier hatte vor dem Ausbruche des Kriegs seinen Kameraden im Duell erschossen, und als ihm Karl deshalb den Proceß machen lassen' wollte, das Land ver lassen. Während des Königs Abwesenheit aus dem Reiche, und als das Land an kecken Offizieren Mangel litt, war er zurückgckehrt und wieder in Dienst genommen. Aber Karls scharfes Auge und glückliches Gedächtniß ließen ihn den Mann gleich wiedcrerkcnnen, doch äußerte er sich mit keinem Worte darüber, denn er bedurfte der tapfern Armee, und die Zeit hatte ihm das Vergehen übersehen lassen. Er nahm sich also vor, den Tapfern mit dem vacanten Kommando zu belohnen, und hatte bereits andern Generalen diesen Vorsatz mitgetheilt, als er sich plötzlich an den Major'wandte und ihn fragte, ob er nicht der Ofsicier wäre, der einen Kameraden im Zweikampf getödtct. Von der unerwarteten Frage verdutzt und verlegen gemacht, leugnete dieser eine That, die er schon durch seinen Heldenmuth versöhnt hatte. Da kehrt sich Karl von ihm ab, indem er zu den umstehenden Generalen sagte: „Schade um den Mann! er lügt; ich kann ihn nicht belohnen." — Dazu macht Lundblad die richtige Bemerkung: Von manchem braven Manne hat man bei Höfen gerade umgekehrt hören müssen: „Schade um den Mann! er sagt die Wahrheit; wir können ihn also nicht brauchen." Ei» französischer Student. Die deutschen Studenten, hat man oft nicht ohne Grund gesagt, bilden eine ganz eigenthümliche Klasse von jungen Leuten, welche aber nur auf deutschem Boden sortkommt. Doch muß man es den Studenten in Frankreich zugeben, daß sie sich alle mögliche Mühe geben, ihren Komilitonen auf den Universitäten über dem Rheine gleich zu werden. Hören wir zum Belege dieser Behauptung die Schilderung, welche uns ein ehemaliger ditolliosus surls, jetzt Advokat und Journalist, von einem Rcchtsbeflissenen in Paris gegeben. „Woran er kennt man," sagt er, „was das Aeußcre betrifft, einen solchen 8lu<Iiosus suris? Einfach daran, daß er sich nie nach der neuesten Mode kleidet, sondern sich immer selbst eine besondere schafft. Er läßt die Haare, und wenn er einen Bart hat, auch diesen frei wachsen, um, wie er sagt, keinem Commis gleich zu sehen; ehe er jedoch seinen Examinatoren sich vor stellt, schafft er sorgfältig diese revolutionären Abzeichen bei Seite. Er sieht mit seiner Haardressur aus, wie ein Jaco- biner, mit seinem Hcnriquatre wie ein Herr vom Hofe Lud wig XIII. Einst sah man ihn mit einem grauen Hut und einer rothen Weste r» la Robespierre einherstolziren; jetzt, sei er wirklich von Bcarn oder nicbt, trägt er die Baskenmütze und den rothen Gürtel, weil diese Tracht ihm etwas Kharak-