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63 Buche: „Was ich erlebte," war allemal höchst einsylbig und hochfahrcnd, sobald er — was freilich selten geschah — einige Thaler in der Tasche hatte. Einst traf cv in diesem Zustande mehre Freunde auf dem volkreichen Jahrmärkte, als er nach wenigen Augenblicken Stolzes plötzlich wieder ganz in die alte gute Laune verfiel. „Aber, was ist Dir denn, Wessel; Du bist ja mit einem Male wie umgewandelt?" — ,,Ei," ver setzte der Dichter seelcnvergnügt: „man muß mir so eben mein Geld gestohlen haben!" Das Gute belohnt sich. Vor Kurzem äußerte der be rühmte Bildhauer Sir Th. Chantry bei Gelegenheit einer Gerichtsverhandlung, den größten Gewinn habe ihm eine Büste, die er unentgeltlich gearbeitet, gebracht, nämlich die des Phi lologen Horne Tooke. Da sie beide nicht genug Geld ge habt, das Bild in Marmor auszuführen, so habe er es nur in Gyps gegossen, dennoch seien gleich darauf mehr als für 12,000 Pf. St. Bestellungen an ihn ergangen. Eiu schlimmes Zeichen war es, daß eine gute Anzahl von Journalen neulich die einer Wiener Zeitschrift entnommene falsche Kunde, daß der Dichter Steigentesch am vergangenen 30. Decbr. gestorben, Glauben geschenkt und sie weiter erzählt. Ein schlimmes Zeichen, entweder für jene Journalisten, die nicht gewußt, daß Steigentesch schon im Jahre 1826 gestorben, oder — für den Dichter. Naive Ankündigung. Ein Lieutenant a. D. F. Preußer in Lockwitz bei Dresden forderte neulich das Publikum zur Unterzeichnung von Beitragen zur Gründung einer allgemeinen deutschen umfassenden und gründlichen Bildungsanstalt für Land- wirthe auf und macht bei dieser Gelegenheit die spashaftesten Vorschläge. Einer derselben lautet: der Ehrensold der ange- stelltcn Lehrer sei nicht blos anständig, sondern reich bis zur Verschwendung. In einem andern §. heißt es: Zum Wohnen, Paläste, deren innere Einrichtung einfach und edel, und nicht Kasernen u. s. w. Am Schlüsse sagt der weise Herr Lieutenant Folgendes: „Bei der Wahl des Ortes wäre nur Klima und Boden zu berücksichtigen, wenn nicht noch andere Gründe dabei Einfluß haben könnten. Vielleicht die Ufer des Genfersees. Nicht deshalb, weil Jean Jaques da faselte, oder weil der größte Affe des Materialismus dort doch sein Deo erexit setzte, oder weil dort eine Republik ist, oder weil die calvinische Lehre und die französische Sprache dort vorwaltct! Nein! Son dern weil dje unvergleichliche und wundervolle Verschmelzung des Erhabenen und Schönen in der äußern Natur auf das Innere des Menschen einen Einfluß gewinnt, der dasselbe zur lebendigeren Auffassung aller Verhältnisse geschickter macht, als irgend ein anderes Mittel, insbesondere für die Jugend. Neapel macht für gewöhnlich nur Träumer, es ist blos schön." Man sollte so etwas nicht für möglich halten, aber es kommt Alles in der Welt vor. Sprachliches. Man ärgert sich oder lacht öfters über die Klang- oder Sinnlosigkeit deutscher Eigennamen. Doch — haben nicht z. B. Hegel, Goethe, Körner, Mosen die glück lichsten Reime? oder deuten nicht die Namen: Kant, Fichte, Jmmermann, Rotteck, Feuerbach rc. sinnvolle Begriffe an? Oder wo treffen Reim und Deutung zusammen wie bei: Schiller, Kosegartcn, Schwab; selbst die komischsten Wendungen lassen sich anbringen; z. B. bei: Weber, Hummel, Wieland, Knebel u. s. w. Was dagegen bieten wohl in ihrer Sprache Moliürc, Buffon, oder Balsac, B. Hugo, Janin; oder auch Petrarca, Ariosto, Manzoni — oder Byron, Shelly. Zwei Cochinchinefen halten sich jetzt in Paris auf. Sie find die Lions der Gegenwart, sehr civilisirt und galant. Uebrigens scheint es ihnen auch in der Gesellschaft außeror dentlich zu gefallen; ihre Freude ist nur etwas abschreckend. Sie amüsiren sich, so zu sagen, schauderhaft. Bei jedem Lächeln zeigen sic ihre langen schwarzen Zähne. Ein schwar zes Lächeln nimmt sich so traurig aus! Die liebenswürdigen Eochinchinescn haben ihr Vaterland verlassen, um europäische Sitten kennen zu lernen, und dabei sind sie so gewissenhaft, daß sie bei jeder Beobachtung, die ihnen einigermaßen wichtig scheint, Papier und Blcifeder aus dem Gürtel ziehen und eine Bemerkung nicderschreibcn; dicß thun sie selbst mitten auf der Straße. Nichts stört sie. In ihrem Lande sollen sie für vor nehme und sehr unterrichtete Leute gelten. Definition. Der Witz, sagt ein moderner Autor, ist ein Nasenstüber, den die Einbildungskraft dem Verstände gibt. Ein merkwürdiger Ausspruch Jean Paul's. In Beziehung auf seine philosophischen Studien sagt der Dichter in einem Briefe an seinen philosophischen Freund Heinrich Jacobi: „Seit dem dreizehnten Jahre trieb ich Philosophie, warf sie im sünfundzwanzigsten wieder weg von mir aus Skepsis, und holte sic wieder zur Satyre — und später näherte sich ihr, aber blöde, das Herz." — Solche Blödigkeit wäre Manchem zu wünschen. Einige kleine Capitel über Aeußerlich- keiten. (Siehe Nr. 3 des Salon.) T. Die Haare. Lange verwirrte Haare, welche den Rockkragen zu ihrem Spiegel machen und die Schultern mit ihren puderartigcn Spuren bezeichnen, gehöre» entweder! einem Menschen, der den Philosophen spielt, oder .einem Lyriker von Beruf oder auch einem Schneidergesellen an, welcher die Pomadenbüchse öfter, als den Kamm und die Haarbürste braucht, und der am Mor gen nach dem blauen Montag bis zum Sonntag Menschcnhasscr ist. Zur Classe der ungekämmten Leute müssen auch noch ge rechnet werden: der Philolog und der Theolog, wenn er Ra tionalist ist — die Orthodoxen tragen glattes und ordentliches Haar — der Mathematiker (bei welchem Liese Schwäche um so wunderbarer ist, da ihn seine Wissenschaft sonst auf die höchste Genauigkeit hinweist) — ferner'der Landschafts- und Genremaler; der Kaufmann, der mit seinem Geschäft unzu frieden ist; der Componist, wenn er nicht zugleich Virtuos auf einem Instrumente ist; der Improvisator, der Rcdactcur eines politischen oder Volks-Blattes, der Mechänikus, u. s. w. Den