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625 wollte ihrer Angabe nicht glauben, denn er hielt die beiden Gäste für die anständigsten seines Hotels; indeß erhielt er bald die Ueberzeugung, indem von dem Silberzeug nach der Be- wirthung der beiden Gäste wieder eine silberne Gabel fehlte. Jetzt mußte ein Bursche den beiden Personen nachgchcn und sich nach ihren Verhältnissen erkundigen. Es waren Amerikaner, Mann und Frau, sehr vermögende und angesehene Leute, welche hier eine Wohnung für 1000 Fr. monatlicher Miethe besaßen. Zwei Tage später speiste das Ehepaar wieder und abermals fehlte eine Gabel. Dicßmal ging der Wirth selbst mit, trat mit seinen Gästen zugleich in ihre Wohnung und ersuchte den Herrn, ihm ein paar Worte unter vier Augen zu gönnen. Der Amerikaner aber sagte, daß er vor seiner Frau keine Heimlichkeit habe, und nun bat sich der Wirth ohne Umstände die Gabel aus. Dieß gab einen üblen Auftritt, der Ameri kaner gericth außer sich, der Wirth aber versicherte, er habe Beweise, und zuletzt brachte die Dame die silberne Gabel zum Borschein. Der Amerikaner erstaunte höchlich, und gab die Gabel zurück; der Wirth aber bemerkte ihm, daß, seitdem er und seine Gemahlin bei ihm speisten, für etwa 1000 Franken Silberzeug bei ihm abhanden gekommen sei, und der Ameri kaner war sogleich bereit, auch diese 1000 Franken zu bezahlen, welche der Wirth unter seine Marqueure vertheilcn ließ. Vor einigen Tagen reiste der Amerikaner ab, und kam noch einmal zum Restaurateur, indem er ihm dankte und ihn fragte, ob ec nicht noch einen Verlust verspürt, den er ihm gern ersetzen wolle. Der Wirth aber versickerte, daß ihm nichts mehr fehle. Die Frau hatte den Anfall von Wahnsinn, denn aus keinem andern Grunde konnte sie zur Diebin geworden sein, erst während ihrer Anwesenheit in Paris erlitten. Das Gestohlene hatte sie stets vernichtet. I. H Miszellen. Große Männer wie kleine Kinder. Richelieu, der sich selbst zum Ersten in Frankreich, so wie Frankreich zum Ersten in Europa gemacht, und über zahlreiche Ver schwörungen triumphirt hatte, an deren Spitze alle Großen, die Mutter, die Gattin, der Bruder des Königs und sein schwacher Ludwig XIU. selbst gestanden, konnte sich oft, wenn er vom geheimen Rathe herauskam, des unbändigsten Lachens nicht erwehren. Da pflegte er, und nicht selten, wenn er eben diesen oder jenen Gegner mit seinem eigenen Pulver in die Luft gesprengt hatte, oder eine ganz besondere Abge schmacktheit zum Besten gegeben worden war, um das Billard herum zu galloppiren, dabei wie ein Pferd überlaut zu wie hern, und rechts und links auszüschlagen. Dem großen Condä kam einst nach einem seiner vie len Siege eine Dankfagungs- und Glückwünschungs-Depu tation entgegen, deren Anführer, der Dorfschulze, sich anschickke, an den Prinzen eine lange und feierliche Rede zn halten. — Condü, dadurch in seinen ausgelassenen Laune bestärkt, ersah den Augenblick, wo der Schulze sich rief bückte, und voltigirte ihm über die Schulter weg, so baß er hinter ihn zu stehen kam. Der Schulze ließ sich nicht irre machen, drehte sich um, und fuhr fort, sich wohl hütend, durch ein neues Bücken noch einmal demselben centrifugalcn Erpcrimcnte Spielraum zu geben. Condö genirle sich gar nicht im mindesten,^ legte nun beide Hände herzhaft auf des armen Schulzen Schultern, und wiederholte Sprung und Sprung, worüber alles so in Bestürzung kam, daß die ganze Deputation über Hals und Kopf davon lief. Der geistreiche und tapfere, witzige und kindische Prinz Conti hatte die Gabe, verschiedene Thiere vortrefflich nach zuahmen, insonderheit zu bellen, täuschend wie ein kleiner, keifender Schoßhund. Das war ihm aber bei seiner Zer streuung so zur Gewohnheit geworden, daß er oft von man cher an ihn gerichteten Frage nur das Ende vernehmend, die Damen zu ihrer nicht geringen Verwunderung anbcllte, statt ihnen zu antworten. Einst kam ihm auch, als er en Corps im königlichen Thronsaale war, eine unwiderstehliche Lust zu bellen. Er wußte wohl, daß Ludwig XlV. in Din gen seiner königlichen Würde nicht den geringsten Spaß ver stehe. Doch konnte er seinem Drange nicht widerstehen, ge wann mit genauer Noch ein Fenster, drückte das Tuch an den Mund, und bellte ganz leise zum Fenster hinaus. — Bemerkenswerth ist, sagt ein französischer Journalist, daß die meisten Favoritinnen unserer Könige, wie überhaupt eine große Anzahl berühmter Damen im April starben. Johanna von Navarra (den 2.), Elisabeth von England (den 5.), Mademoiselle de Montpcnsicr (den 5.), Pctrarca's Laura (den 6.), Gabrielle d'Eströes (den 9.), Madame de Sevignü (den 14.), die Herzogin von Longeville, Frau von Maintcnvn und deren Nichte, Frau von Caylus (den >9.), Diana von Poilicrs (den 26.), re. Vielleicht ist hierin ein Wink des Schicksals zu erkennen, wie sehr alle diese Damen ihre Unter gebenen, Geliebten u. s. w. zum Narren hatten (in den April schickten). — Der Jesuit Bouhours (er starb 1702 zu Paris) bat in einem öffentlichen Blatte die Gelehrten um die Beantwor tung der Frage: „Ob ein Deutscher ein Schöngeist sein könnet" (8i un Xllemanä pout-ölr« un bel-esprit? !!! ) Unverdächtiges Lob. Joseph Vernet gehört unstreitig zu den vorzüglichsten Landschaftsmalern. Das meiste Lob crtheilte ihm einst ein Bauer, dem man einen Auf- und Untergang der Sonne, den Vernet gemalt, zeigte. Nachdem er beide Landschaften eine Weile, jedoch ohne alle Bewunde rung, angesehen hatte, sagte er: „Was ist denn da so beson ders daran, das sehen wir ja fast alle Tage bei uns auf dem Lande." Merkwürdige Frechheit eines Verbrechers. Vor einigen Jahren ward zu Mons ein Verbrecher, Namens Collct, zu fünfjähriger Festungsarbeit verurtheilt, welcher während des Betriebs seines diebischen Handwerks die Frech heit so weit getrieben, daß er einmal in der Grafschaft Nice als Erzbischof herum reifete, und 33 Priester einsetzte, ein andermal aber sich für einen französischen General ausgab,