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612 Hügeln und Spicgelgründen und schattigen Gängen im Parke zu Greenwich. Ein Wagen voll Musikanten, unmittel bar hinter dem Lender, eröffnet den unabsehlichen Lrain. Zwar geht die Fahrt an großartigen Gebäuden nicht vorüber, allein der Blick, durch tausend andere Dinge beschäftigt, sucht auch nichts weniger als architektonische Schönheit. Bon Häu sern sieht man fast nur die Dächer; schwärzliche, rußige, ohne Glanz, ohne Zierde, düster, die meisten niedrig und klein. Um so herrlicher aber tritt das grandiöse Bild heraus, welches sich dann und wann aufthut, wenn der Blick den Strom in der Tiefe erhascht. Mast an Mast, Wimpel an Wimpel drängt sich dort, so weit das Auge abwärts dringen kann, und durch die Mitte dieses unabsehlichen Waldes wälzt sich der Themse glitzerndes Gewässer, auf dem ein lebendiges Treiben von kom menden und gehenden Schiffen, Leuchtern, Boten und schnau benden Pyroscaphen hin und her wogt. Ein unverständliches Tosen, das Product von hundert verschiedenen Tonelementen, dröhnt herauf. Westlich aber erhebt sich das unermeßliche London selbst, nur in den nähern Parthien dem Auge klar und deutlich; seine Ferne in Halbhelle und in Nebel, die fernsten Punkte in undurchdringliche Dunstwolken gehüllt, über denen die Thurmgestalten wie graue Riesenschatten ragen. Das Ganze ist ein Bild, dessen Mannigfaltigkeit und Großartigkeit seines Gleichen auf Erden suelMr-Die ganze Fahrt nach Greenwich dauert nur 6 Minuten, und im bunten, lauten, frohen Gewimmel, das am Ziele empfängt, verschwimmt das Geschehene wie Wolkenbilder einer Traumwelt. Chinesische Schönheiten. Ein englischer Reisender berichtet über dieselben: Wir fanden in der Provinz Foh-kien die Weiber mit mehr Geschick und Geschmack gekleidet, als dieß bei ihren nördlichen Schwestern der Fall war. Ihre Köpfe waren mit künstlichen Blumen geschmückt, ihre Haare geschmack voll hergerichtet, und die Knoten derselben mit einem kreis förmigen Schmuck umgeben, der viel Achnlichkeit mit einem Schildkrötenkamm hat, was, vereint mit ihren baumelnden Ohrringen und langen Haarnadeln, ihnen ein recht munteres Aussehen verlieh. Einige hatten ihre Haare in verschiedenen Flechten und Bogen gewunden, während andere schwarze Sam- mctbänder um ihre Stirn gebunden hatten, die ihre blasse Gesichtsfarbe nicht unlieblich hervorhoben. Ihre Füße waren die kleinsten, die wir je, selbst unter den Chinesen, gesehen hatten. Nach in dem Sande zurückgelassenen Eindrücken zu schließen, betrug der größte nicht mehr, als vier Zoll, oft noch weniger; deinungeachtet watschelten, ja sprangen sie selbst mit vorgebeugtcm Körper weit besser, als man hätte erwar ten sollen. , Gntenbcrg und seine Erfindung, von Gustav Nieritz. Diese Erzählung „über Sprache, Schrift und Buch druckerkunst für Jung und Alt" entspricht vortrefflich der Ab sicht des schon durch frühere ähnliche Merkchen als Jugend- und Volksschriftstellcr vortheilhaft bekannten Verfassers. In dem Gewände der Erzählung spendet er seinem Lesekreise, ohne alle Pedanterie, klare und einfache Belehrung über die allmäh liche Ausbildung der Sprache, der Schreibckunst, der Erfindung und Vervollkommnung des Papiers, u. s. w. bis zu der gro ßen Erfindung Gutenbergs. Um den Meister reihen sich, treff lich charakterisier, die historischen Nebenfiguren, welche zum Lheil, nach und nach jenen beneidend und ihm den Ruhm seines Werkes mißgönnend, ihn undankbar verlassen, ihm die vorgeschossenen Geldmittel entziehen und auf ihre eigene Hand die Kunst des nun in Armuth schmachtenden Gutenberg be treiben, z. B. Peter Schösser. Auch vr. Faust, der Bruder des Goldschmids, tritt aus die Scene als Bedrücker Gutenbergs. Endlich aber wendet sich für diesen Alles wieder zum Besten; sein Verdienst wird erkannt und belohnt, und glücklich darf er den Abend seines Lebens genießen. Wir empfehlen diese (in Leipzig bei Im. Tr. Möller erschienene) Erzählung allen Denen, für die sie der Verfasser bestimmt hat, der Jugend, dem Bürger, dem Landmann; sie werden das Büchlein nicht ohne Frucht durchlescn. Hoher Ncgeradel. Wenn wir in Mährchen von einer schönen Prinzessin Blumenkohl oder einem Prinzen Marcipan hören, so finden wir das nicht auffallend, aber wenn uns ähn liche Namen in der Wirklichkeit vorkämen, so würden wir ge wiß darüber lachen; und dennoch giebt es in der That etwas Analoges in der Geschichte unseres Jahrhunderts. Das junge Kaiserthum Haiti, das überhaupt nichts war, als eine Parodie des napoleon'schen Kaiserreichs, versäumte nicht, gleich diesem, sich eine Adelsaristokratie zu schaffen, und erwählte Herzöge, Grafen, Marquis u. s. w. Aber diese Herren führten ihre Titel nicht von den Ländereien und Städten, sondern von Le bensbedürfnissen und Speisen. So gab es Herzöge von Eho- kolade, Marmelade, Grafen von Limonade, Marquis von Geläe, und dergleichen. Wahrscheinlich hatten die Engländer dieß den armen Schwarzen eingeredet, um die Franzosen damit zu ärgern. Komische Pariser GerichtSsccne. Ein Mann, Na mens Lroupcau, war einer kleinen Nachlässigkeit im Dienste angeklagt und sollte vor den Schranken erscheinen. Anstatt seiner tritt seine Frau ein, welche einen großen Blumenstrauß in der Hand hält. Dcd: Präsident. Was bedeutet das? Frau Troupeau. Das bedeutet, Herr Präsident, daß ich Frau Troupeau bin, und daß mein Mann mir anbefohlen hat, Ihnen dieß zu überreichen. Er sagte, Sie würden schon wissen, was es sollte. (Sie überreicht ten Strauß.) Der Präsident. Nicht das Geringste; Ihr Mann muß verrückt sein. Frau Troupeau. Ach, mein Gott, so scheint es in der That, seitdem er so leidenschaftlich Kunstgärtncrci treibt! Er spricht nur mit seinen Blumen; das ist zwar sehr dumm, aber ich, als gute Gattin, muß seiner Manie schmeicheln. Der Präsident (lächelnd). Aber was soll das Gericht dabei lhun? Ich begreife nicht — Frau Troupeau. Ach, ich will das gleich näher er klären. Seit einem Jahre unterhält er sich nicht anders mit mir, als durch die Blumcnsprache. Erlauben Sie mir, Ihnen zu entziffern, was er Ihnen mittheilt. Diese Malve bedeutet, daß er mit ergebener Aufrichtigkeit zu Ihnen spreche, und die Immortelle drückt die unbegrenzte Ehrerbietung aus, die er