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599 des Rabbi", einen Fortschritt nennen. Er schildert die öster reichische Hauptstadt in der Drangsalzeit der Pest und der Ungarkriege unter Mathias mit Lebendigkeit und Geschick. Unter den Charakteren ist mancher recht gelungene, z. B. die geschwätzige gute Alte, die Pflegemutter des Helden der Er zählung, wie denn überhaupt das Ganze ein anschauliches Bild der damaligen Zeit gewährt, das der Phantasie und der Geschichtskenntniß des Verfassers Ehre macht. Wie derselbe frisch in das gestaltenvolle Leben hineingreift und uns die ein zelnen Sccnen ohne Rcflerionszuthat vorführt, so ist er mit seinem Talent an der rechten Stelle, nur hüte er sich vor phi losophischen Betrachtungen, welche jedesmal die Mangelhaftig keit seiner Bildung verrathen. Er scheint mehr zu naturali- firen; irren wir nicht, so fehlt ihm eine rechte wissenschaftliche Grundlage. — Die Novellen, die uns I. N. Vogl gibt, stehen weit unter dessen lyrischen Produkten. Der Verfasser ist hier unter sich selbst hinabgestiegen und bringt fast nur be deutungslose Sachen, die zwar ein Weilchen spannen, aber bei denen man zuletzt immer, wie jener Mathematiker, fragen möchte: was wird damit bewiesen? Eine Ausnahme bildet das sla- vonische Volksmährchen; hier ist Vogl in seiner Sphäre; die phantastische Lyrik verträgt sich mit dem abenteuerlichen Stoffe. — In den zwei starken Bänden I. Lang er's be findet sich bei dem genießbaren Waizen viel schlechte Spreu. Die Erzählungen sind in der Regel von poetischem Gehalte geschmackvoll dargestellt; der Verfasser zeigt sich in denselben als einen eben so gebildeten als talentvollen Mann; aber seine eingestreuten Humoresken entbehren zum größten Theile des Hauptelementes, des Humors, und sind daher, geradezu ge sagt, langweilig. Kleine Notiz. Es ist nicht allgemein bekannt, berichtet ein französisches Blatt, daß die berühmte Sängerin Sonn tag, jetzige Gräfin von Rosst, vor ihrer, vielleicht auch be hufs ihrer Verheirathung vom verstorbenen Könige von Preu ßen unter dem Namen eines Fräulein von Laucnstcin in den Adelstand erhoben wurde. Seltsamer Weise hatten ihre Visitenkarten die Inschrift: lüomtssse äs liossi, nse äs I.Lusn8tein. Ferdinand Pcrrot, der berühmte französische Marine maler, der noch so viele ausgezeichnete Werke hoffen ließ, ist kürzlich zu Petersburg gestorben. Er erfreute sich der Gunst des Kaisers im hohen Grade unb sah sein Ansehen von Lag zu Tag wachsen. So war ein Jahr vergangen, und eben war er Willens, in sein Vaterland zurückzurcisen, um in Paris mehre seiner unvollendeten Arbeiten wieder aufzunehmen, als ihn plötzlich der Tod dahinrafftc. Er zählte kaum 32 Jahre, hatte sich aber durch seine zahlreichen Gemälde bereits einen Platz unter den ersten Künstlern erworben. Die Trauer über diesen schmerzlichen Todesfall ist allgemein; die Kunst hat in Pcrrot einen ihrer talentvollsten Jünger verloren, die Künst ler und seine Bekannten einen Mann von Geist und Gemüth. 2. H Miszellen. Die Ehe und die Schule. Nicht eben neu ist die Vergleichung der Ehe mit einer Schule, hinsichtlich des Still- sitzens, des tüchtigen Lernens, des Rechnens, besonders aber der Uebung des Dividirens. Am meisten ähnlich ist der An fang der Ehe dem Anfänge in der Schule. Die Auckerdüte, wo mit gewöhnlich das Kind in die Lernfalle gelockt wird, ist das Hochzeitfest, und die großen Rosinen und die Mandeln darin sind die bekannten Flitterwochen. Vertheilung. Das Herz einer galanten Dame gleicht einer Rose. Jeder Liebhaber erhält ein Blatt, und ihrem Gatten bleiben die Dornen. Gleichnis?. Wie läßt sich ein Buchhändler und Verleger mit einer geschminkten Dame vergleichen? — Beide legen auf. Jener, wenn das Alte abgesetzt ist, diese — um das Alte ab zusetzen. Großer Werth der Bibel. In einem Gemache am Kreuzgange des Doms zu Halberstadt befinden sich unter vie len Merkwürdigkeiten auch Bücher, worunter eine lateinische Bibel vom Jahre 1483, die einst Luthern gehörte, der eigen händig seinen Namen und folgendes schöne Sprüchlein hinein geschrieben hat; „Eß ist kein streuchlcin yhn der Bibel, wenn mans klopffet, daß nicht einen gülden apffel gebe." Sparsamkeit» Ein Schottländer, der mit dem Post wagen von Bath nach London ging, erkundigte sich, als er in dem Gasthofe, wo die Reisenden gewöhnlich zu Mittag essen, ankam, sehr ängstlich nach dem Preis der Mittagsmahlzeit, und fragte, was der Wirth für ein Mittagsessen fordere. „Fünf Schilling," erklärte der Wirth. — „Was fordern Sie denn für ein Abendessen?" — „Eine halbe Krone." — „Dann bringen Sie mir ein Abendessen!" Galante Hartherzigkeit. Der große Feldherr Conds griff im Jahre 1672 Wesel an. Die Damen vereinigten sich, ihn zu bitten, er möchte ihnen erlauben, die Festung zu ver lassen, um den traurigen Folgen einer langwierigen und blu tigen Belagerung nicht ausgesetzt zu sein. Der Prinz aber, welcher wohl einsah, daß nach Entfernung der Frauen die Belagerten schwerer zur Uebergabe zu bewegen sein würden, antwortete den Bittenden: „Es thut mir leid, daß ich Ihnen diese Bitte nicht be willigen kann, denn mein Triumph würde der größten Schön heit beraubt sein." Goldene Aepfel in beinerner Schaale. In einem Dorfe bei Breisach wurde neulich das Beinhaus auf dem Kirch hofe abgebrochen. Plötzlich singen die Todtenköpse an zu rollen, und einer siel einem Arbeiter vor die Füße. Als er ihn aushob, sielen an 600 Stück Silbermünzen heraus. Man glaubt, daß der Kopf einem Banquier angehört habe. Beweis. Die Gräfin von E... besuchte regelmäßig alle Jahre Carlsbad. Auf einer Reise dahin erhielt sie unter wegs beim Wechsel der Ertrapostpferde einen Burschen von höchstens sechzehn Jahren als Postillon. „Kannst Du auch fahren?" fragte sie ihn beim Einsteigen i» den Wagen. — „Ei,