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497 hat, Tinte zu verkaufen, so gut hat er das Recht', sich als Koch geltend zu machen," u. s. w. — Ist das nicht ein geistreiches Naisonnemcnt? Das Täubchen von Amsterdam, Trauerspiel von Herrmann Marggraff, dem Verfasser des jüngst erschienenen Romans: Johannes Mackei, wurde neulich auf der Leipziger Bühne (und überhaupt in Deutschland) zum ersten Male ge geben und erfreute sich der lebhaftesten Tyeilnahme des zahl reich versammelten Publikums. Das Stück hat zwar seine Schwächen, die bei der Aufführung bemerkbar wurden, aber cs hat seine großen Vorzüge, die selbst bei der mangelhaften Darstellung unverkennbar blieben. Hätte man Marggraff's Stück bereits vor drei Jahren auf den deutschen Bühnen auf- gesührt, so würde er nicht jetzt erst sein theatralisches Lehrgeld geben, d. h. erst jetzt durch die Aufführung lernen müssen, was coulissengerccht sei. Das Stück ist nicht arm an bedeutenden Scenen, unter denen einige, z. B. die größere Liebesscene, von sicherer Wirkung sind. An dem Organismus des Ganzen läßt sich manches aussctzen, der in Marggraff's neuestem Stück: Elfride, schon viel geschlossener ist. Bei einer Ucbcrarbeitung des „Täubchen" wird eine zweite Darstellung unberechenbar gewinnen und das Stück für das Repcrtoir erhalten werden können. Unbarmherzig aber muß der Verfasser im Streichen sein; das Vorspiel muß nach unserer Meinung ganz wegblei ben, viele Scenen (auch die Liebesscene) bedeutend gekürzt, Wiederholungen vermieden und die Farben an manchen Stellen, z. B. im Zank zwischen der Königin und den allzumassiv ausfallenden König und Siegbrit gemildert werden. Auch der Schluß müßte weit rascher zum Ziele eilen. Die Tragödie spielte vier volle Stunden, dabei ist die Ermüdung des Pub likums unvermeidbar. Die Länge war fast lediglich der Grund, weshalb dieses am Ende nicht in so lebhaften Sturm ausbrach, wie bei der unverkennbaren Theilnahme zu erwarten war. Doch kann man dem Dichter Glück wünschen, denn trotz der allgemeinen Abspannung rief ihn ein ansehnlicher Theil des Parterres am Schlüsse hervor. Marggraff huldigte indessen nicht der Mode und ließ vergebens auf sich warten. Kaffeeangelegrnheit. Das kalte Wasser erringt sich eine immer größere Herrschaft über die menschlichen Leiber und Seelen, und jetzt gewinnt cs auch sogar Einfluß auf den Kaffee, diesen Hauptartikel der Gesellschaft. Die Kaffccbc- reitung nämlich auf kaltem Wege ist, wenn nicht "eine neue Erfindung, doch wenigstens eine, die man jetzt erst allgemeiner zu benutzen anfängt, vorzüglich in Berlin. Die Sache soll höchst practisch sein. Der Kaffee wird, wie sonst, sein ge mahlen, und alsdann kaltes Wasser darauf gegossen. Mit zweimaligem Umrühren läßt man den Aufguß etwa eine Stunde ziehen, und hat den schönsten Kaffee, den man nun entweder kalt genießen, oder durch beigcmischte Milch oder sonst wie er wärmen kann. Wenn man sich den Morgenkaffee übrigens durch einen Aufguß am Abend bereitet, so hat man am Mor gen einen viel stärker» und schönem Kaffee, als er auf dem bisherigen Wege zu ermöglichen war. Fanny ElSler, die berühmte Tänzerin, ist vom Handels gericht in Paris, weil sie von der Direction der Oper nur bis zum 1. Januar dieses Jahres Urlaub hatte, und sich dennoch bis jetzt-nicht wieder cingesundcn hat, zu einem Schadenersatz von sechzig tausend Franken verurtheilt, und ihre sämmtlichen EngagcmcntLnsprüche sind für ungültig erklärt worden. «3« H> Miszellen. Die Narrcmvahl. In alten Zeiten hatte die Stadt Lroyes in Frankreich das Vorrecht, des Königs Hoflager mit Narren zu versorgen. Als unter Carl V. der Hofnarr gestor ben war, sandte sie, ihrem Privilegium gemäß, zwei Kandi daten hin, unter welchen der Hof nach seiner Weisheit wählen konnte. Der Staatsrath trat zusammen, über den Gegenstand zu berathen, und der eine Kandidat ward eraminirt. „Welche Vorstellung er von dem wichtigen Amte habe, das er jetzt zu übernehmen Verlangen trage'!" war die erste Frage. „Meine vornehmste Pflicht," lautete die Antwort, „wird sein, den König zu ergötzen, und ihn zum Lachen zu bringen, also, daß auch die Hoflcule lachen. Ich muß mich, meine ich, immer bestreben, ihn in munterer Stimmung zu erhalten. Wo der Doctor sagt: Ja, so werde ich Rein sagen." „Welche Mittel gedenkst Du denn anzuwcnden, daß der König lacht und seine Hoflcute mitlachcn müssen?" „Ich muß mich da mit dem Kammerdiener unsers gnädigen Königs verstehen, daß mir dieser einen Wink giebt, wie der König die Nacht zugcbracht hat; ob gut oder böse ? Ich muß cs im Woraus erfahren, ob einer bald in Ungnade fällt, daß ich's dem König vor allen Hofleutezr unter die Augen sagen kann. Der wird sich dann freuen, so seine Gedanken errathen zu sehen. Dabei müssen dann einige Späße auf Kosten des verlierenden Theiles eingeschaltet werden!" Befragt über die mit seinem Amte verbundenen Pflichten erklärte der Narrcn-Kandidat, daß er sich aus bloßer Liebe zur Wahrheit allem dem Lachen preis gebe, welches mit seiner buntscheckigen Kleidung und Schellenkappe und einfältigen Sprache verbunden sei. Die, welche ihn hörten, möchten immerhin sagen: Er ist blos ein Narr. Aber trotz dem Schel- lengcklimper an der Kappe möchte doch wohl die Wahrheit dann und wann des Fürsten Ohr treffen, und dem Lachen der ihn umgebenden Höflinge sich ein Tropfen heilsamer Bitter keit bcimischen." G Der Staatsrath wollte nun wissen, wen er unter Höflinge verstände, und er meinte, daß er darunter Leute verstehe, welche in der Nähe des Fürsten das niedrigste Aemtchen für's ehren vollste hielten, wenn es nur Gewinn eintrüge; welche sich jeder Ränke und List befleißigten, wenn sic dadurch gewönnen; welche von Schmeichelei und Lügen lebten; die Tugend anschwärzten, das Laster rühmten; in dem Vorzimmer des Königs das Vater land fänden; keine Religion, als die Heuchelei kennten, den König das Land zu drücken und jeden Minister die thcuersten Pflichten zu verletzen verleiteten. Der Narr war gar nicht so ein Narr, wie vielleicht der Staatsrath gedacht hatte, und wenn er solche Wahrheiten mit