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471 Gotha'schen Almanachs. Das Leben ist hier leicht und unge zwungen, jeder fühlt sich ungcnirt, selbst die Preise tragen dazu bei. Promenaden, Bälle, Abenduntcrhaltungen, Eonccrte sind die gewöhnlichen Vergnügungen. Bewundrungswürdig sind die Damen wegen der ganz vorzüglichen, ausgesuchten Toilette; man kann sagen, daß während der Sommermonate die Mode von Baden-Baden aus Gesetze gicbt. Selbst die Engländerinnen kleiden sich hier mit Geschmack. Fürsten und Banquiers sicht man hier 'in froher Gemeinschaft. Unter den Notabilitäten bemerkte man die beiden Grafen von Montfork, die Söhne von Jsrome Napoleon mit dem Fürsten Dcmidoff, der die Schwester jener geheirathet hat. Die junge Frau von Dcmidoff soll aber nicht den Ruf ihrer Schönheit in dem Grade rechtfertigen, als das Gerücht freigebig war, ihr alle Reize zuzugestehen, die eine Dame schmücken können. Demolition von Denkmälern. Seit einem Jahr hundert hat der Demolirungsgeist in Paris sehr thätig gc- wirthschaftet. Man hat ausgerechnet, daß daselbst während dieses Zeitraums dreihundert sechsundachtzig histo rische Monumente, wie Paläste, öffentliche Anstalten, Statuen, Abteien, Kirchen u. s. w. abgetragen worden sind. Damit hängt die Monumentomanie unserer Tage auch zusammen; die Gegensätze berühren sich. Daguerrrotypcn, Vor Kurzem hat ein Ordonnanz- ofsicier Ludwig Philipp's die, im Schloß der Tuilerien anwe sende und malerisch gruppirte'zahlreiche Garde daguerreotypirt. Der Versuch ist sehr befriedigend gelungen. Der Araber ans der Reise. Wenn ein Araber durch die Wüste mit einer Caravane zieht, sci's um nach Mekka zu wandern, sci's in Handelsgeschäften, so ist er auf folgende Weise cquipirt. Er trägt drei Kleider von blauem Tuch, den Sherwal, Juval und Kemisch; sein Haupt bedeckt eine scharlachrothe Kapuze, Tarbusch genannt, die sich von seiner gewöhnlichen Mütze dadurch unterscheidet, daß sic ihm bei der Kühle der Nacht auch den Nacken verwahrt. Darüber ist ein weißer Turban geschlungen. Im Gürtel von Seide stecken Dolch und zwei Pistolen. Seine übrige Bewaffung besteht aus einem Damascencrsäbel, einem kleinen Karabiner und einer türkischen Flinte. Pfeife und Tabaksbeutel sind vorn am Pferde befestigt, für welches er in zwei Reisesäcken unter Anderm eine eiserne Kette mit sich führt, um cs des Nachts an einen Baum zu binden. Eine Art von Kiffen dient ihm beim Beten, beim Essen und Schlafen. In einem zweiten Gürtel auf dem bloßen Leibe verbirgt er sein Geld und seine Kostbarkeiten. Seine Enthaltsamkeit auf der Reise ist bewundernswürdig; eine Hand voll Reis und ein paar Datteln täglich genügen ihm. Pickwick in der Fremde von G. W. M. Reynolds ist eine unlängst erschienene (Braunschweig, Verlag von E. Leibrocks Fortsetzung des berühmten Romans, welcher wir schon im vorigen Blatte Erwähnung thaten. Diese Fortsetzung, welche bis jetzt vier Lieferungen in zwei Bänden enthält, ist zwar nicht mit dem sprudelnden Humor des unnachahmlichen Dickens, aber doch mit vieler Laune und sehr beweglicher Phantasie geschrieben. So spashaft es ist, die Pickwicker in j Paris als Fremde auftreten zu sehen, so möchte man fast be dauern, daß der Verfasser sein Talent nicht zu einer Original- zeichnung benutzt hat. Er ist reich an Erfindung und sicher in der Charakterzcichnung, wie die meisten Engländer. Frei lich um einen künstlerischen Plan bekümmert er sich, so viel man nach den vorliegenden zwei Bänden urtheilen kann, nicht viel; er reiht vielmehr Abenteuer an Abenteuer, streut kleine allerliebste Erzählungen ein und hält unsere Aufmerksamkeit und Neugierde in solcher Spannung, daß wir gar nicht Zeit gewinnen, ihn nach seinen Plan zu fragen. Hier, wie bei Boz und wie bei vielen neuen britischen Autoren, tritt übri gens die Absicht, zugleich belehren und bekehren zu wollen, allzu deutlich hervor. Der Dichter soll belehren, aber, wie Goethe sagt, unmerklich. Belästigend wird es auf die Länge, daß man in dem gegenwärtigen Roman aus einem Kreise von Schwindlern und Betrügern, denen die armen Pickwickier zum Opfer fallen, gar nicht herauskommt. Eine sehr ergötz liche Figur ist der von uns schon einmal erwähnte Mr. Scuttle, der immer von seiner Zerstreuung spricht und doch nur höchst selten zerstreut handelt. I. H- Miszellen. 1>72 war ein solcher gelinder Winter, daß im Januar die Bäume ausschlugen, und im Februar die Vögel Junge hatten. i4>8 wurden die ersten Zigeuner gesehen. 1539 war der Wein so wohl gerathen, daß man für ein ledig ein volles Gefäß wirder gab. Es wurden große Löcher in die Erde mit Bretern ausgefürtert und ringsum feste ge macht, daß man den vielfältigen Wein Hineinthun und darin behalten konnte. 1593. Im Dittmarschen Lande wurden auf einmal fünf Sonnen gesehen. 19l>. In Jüterbog hing in dem Zinnischen Lhore eine große Keule, dabei ein Täflein, worauf mit rother Farbe ge malt stand: Wer seinen Kindern giebt das Brod Und leidet sodann selber Noth, Den schlag' man mit dieser Keule todt! 1652. Als die Spanischen aus Frankenthal zogen, waren unter den Soldaten neun Weiber, die hatten zusammen hun dert Kinder. 1645. Im Amte Sundrigen, im Würtemberger Lande, stand der Knochertfluß vier Stunden lang ganz stille. 1650. In Edinburg genas ein Weib eines Kindes, wel ches zwei Köpfe, aber nur einen Fuß hatte. Ilom, zu Garz, zwei Meilen hinter Crambs im Walde, brachte ein Weib ein Kind zur Welt/ welches dem Teufel (Gott behüte uns davor!) ganz ähnlich sähe. Die Marquise von Bourdit hatte das Glück, mit dem edel sten und reichsten Manne vermählt zu sein, ob sie schon durch