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39 Hesse in dem zweiten jüngst erschienenen Bande des Werkes: Thüringen und der Harz mit ihren Merkwürdigkeiten, Wolks sagen und Legenden (Gondershausen, F. A. Eupel) — „scheint ein Schneider gewesen zu sein, der im Monat Februar 1546 seine Wohnung in der Kapelle des Kiffhäusers aufschlug, sich ein Feuer anmachte und hier mehre Tage lebte. Durch den aufsteigenden Rauch wurde seine Gegenwart kund. Ueber drei hundert Menschen begaben sich auf den Berg und fanden dort einen Mann bci'm Feuer sitzend, dessen ganzes Aeußere einen sonderbaren Eindruck machte: sein Gesicht bleich, sein Haupt haar grau und weiß, wie das eines Menschen, der lange Zeit in einem Kerker geschmachtet hat. Den Kopf mit dem wild verwirrten Haar deckte etwas, das man mit einem Taubennest vergleichen konnte. Am Kinn zog sich ein langer, schwarzer Bart herab. Der Kopf war so hager und dürr, daß manche meinten, er müsse ganz hohl sein, welche Wermuthung aller dings keine ganz irrige war. Bekleidet sah man ihn mit einem seltsamen Mantel und ledernen Hosen: neben ihm fand sich von Geräthen nichts, als zwei Topfe, dabei einige ungewöhnlich geformte Waffen. Auf die Frage einiger, wer er seif und warum er hier herumwandele? gab er die Antwort: Ich bin Kaiser Friedrich und deswegen hier erschienen, um wieder Frieden in die Welt zu bringen, denn die jetzigen Fürsten werden es nicht ausmachen. In Frankenhausen ward eine Untersuchung über ihn angeordnet, aus welcher sich ergeben haben soll, der Gefangene sei ein aus Langensalza gebürtiger, bisweilen mit Wahnsinn behafteter Schneider." Hochzeitsschachspiel. !Jn dem durch seine vortrefflichen Schachspieler berühmten Flecken Ströbeck, unfern Halber stadt, ist die alte Sitte: wenn eine Hochzeit stattsindet, so be geben sich sämmtliche Hochzeitgäste auf die Rachsstube, wo selbst ein Schachspiel nebst den Gerechtsamen und Documenten der Ströbeck'schen Bauern befindlich ist, und der Bräutigam ist dem Herkommen gemäß genöthigt, um die Braut zu spielen. Die Gäste suchen den geschicktesten Spieler unter sich aus, und machen alle Parthie gegen den Bräutigam. Sie dürfen indessen zum Spiele nichts sagen, außer wenn sie vermuthen, daß auf ihrer Seite ein mißlicher Zug geschehen könnte; dann warnen sie nur ganz unbestimmt ihren Spieler: „Gevatter mit Rath!" (mit Bedacht!) Gewinnt der Bräutigam das Spiel, so ist die Braut ohne weitere Umstände sein, wo nicht, so muß er sie von den Hochzeitgästen durch ein gewisses Aegui- valcnt erst lösen. Der Sage nach soll das Spiel unter dem Bischof Burkhard I. vvn Halberstadt (1040 —45), der an den Feldzügen Kaiser Heinrichs IN. gegen die Wenden Theil nahm, durch einen gefangenen Wcndcnfürsten, der in Ströbeck in einem Thurme festgehaltcn wurde, dorthin gekommen sein. Der Thurm wird noch gezeigt, und um die Einsamkeit seiner Haft zu mildern, habe er seine Wächter das Schachspiel gelehrt. Eine Ansicht über Kriegs - und Völkerrecht. Während seines ersten Feldzugs in Italien (1796) machte Bonaparte einst nach seiner Weise dir Nachtrunde, und traf dabei in einem Zelte auf einen gefangenen ungarischen Haupt mann, den er fragte, wie es ihm gehe. „Schlecht genug," antwortete der alte Schnurrbart, „es ist aber auch gar kein Wunder. Wir haben da mit einem jungen unbartigen General zu thun, der ist den einen Augenblick vor uns, den andern hinter uns, und kaum haben wir uns umgedreht, so ist er uns auf der Flanke. So weiß man nie, wie man sich nur stellen soll. Das ist ja wahrhaftig nicht auszuhalten, und gegen alles Kriegs - und Völkerrecht." Deutsche Einfachheit und Kraft. Vielen Flecken auf und an dem Harze, wie z. B. Stiege, ist es eigen- thümlich, daß in offiziellen Sachen deren Bewohner weder Bürger noch Bauern, sondern Männer genannt werden. Einige kleine Capitel über Aenßerlich- kekten. Der Hut. Die Form des Hutes sowohl, als die Art, wie er getragen wird, gibt manchen Aufschluß über das Innere seines Be sitzers, über seinen Geist und sein Herz. Wer ihn auf dem linken Ohre trägt, ist in der Regel ein liederlicher Taugenichts, der heute noch nicht weiß, wovon er morgen leben soll. Seine übrige Kleidung stimmt mit der Kopfbedeckung überein; sie ist, wie diese, abgeschabt und trägt die Spuren einer längstvcrjährtcn Eleganz an sich. Vielleicht ist der Rock auch auf dem Trödel gekauft und hat ehemals einem Lion angehört. Wer dagegen den Hut auf dem rech ten Ohre trägt, ist ein Poltron, ein Renommist, ein Bra marbas, der sich das Ansehn eines Raufbolds gibt, aber plötzlich sehr zahm wird, wenn es auf eine Probe seines Mu- thes ankommt. Derjenige, welcher seinen Hut auf dem Hintcrhaupte trägt, ist ein Dummkopf oder ein Jude. Auf die entgegengesetzte Weise, nämlich vorn in die Stirn tief hineingedrückt, so daß ein großer Theil des Hinterhauptes frei bleibt, trägt ihn der Moqueur, ein Mensch, der alle übrigen Menschen verhöhnt und nur sich allein geltend läßt. Doch ist er, gleich dem Bramarbas, feig, wenn er sich in Gefahr sieht. Er sagt dann in der Regel, „er habe es nicht so übel gemeint," und ist herzlich froh, mit heiler Haut davon zu kommen. Doch rächt er sich hinter dem Rücken dessen, der ihn ins Bockshorn ge jagt, mit desto beißenderen Bemerkungen, die er vorkommenden Falls ableugnet. Derjenige, welcher den Hut bis auf die Ohren in den Kopf hereindrückt und das Gesicht fast unter der Krempe versteckt, ist ein Hypochonder, ein Murrkopf, bisweilen auch ein Gro bian. Diese Art von Menschen hält überhaupt nicht viel auf das Aeußere; sie gehen in einfacher Kleidnng, oft nachlässig, aber niemals liederlich. Ihnen gegenüber stehen die Gecken, welche gewöhnlich den Hut beim Spazierengehen in der Hand tragen. Sie glauben dadurch sich einen Anstrich von Genia lität, Offenheit und Liebenswürdigkeit zu geben. Ihr Gang