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38 Cachcmircs mit Renaissance-Mustern sind die beliebtesten. Die Pantalons werden immer noch sehr weit getragen, so daß sie die größte Hälfte des Fußes bedecken. Feuilleton. Die Festung Ham, welche wieder in neuester Zeit so berühmt geworden, soll vorzüglich durch ihren alterthümlichen Thurm ein sehr interessantes Ansehn erhalten. Er ist, wie ein Reisender, Herr von Liouq erzählt, in ungeheuren Verhält nissen, aber mit einer bewundrungswürdigen Regelmäßigkeit aufgesührt. Seine Höhe beträgt mehr als hundert Fuß; seine Mauern, an deren Fuß ein Arm des großen Canals der Pi cardie fließt, haben einen Durchmesser von sechs und dreißig Fuß. Maler und Architekten besuchen häufig das Innere der Festung. Das große Zimmer in der ersten Etage des Thurmes, welches der Rathssaal heißt, hat die Form eines regel mäßigen Sechsecks und würde des Pinsels eines Granet oder Bouton würdig sein. Eine einzige Oeffnung, welche die Aus sicht auf das Feld hinaus gewährt, erleuchtet diesen ungeheuren Raum. Die deutschen Modistinnen in Paris nehmen da selbst an Zahl und Ansehn immer mehr zu. Indem wir unsere Kleider und unfern Kleidergeschmack aus Paris entlehnen, üben dort unsere Landsmänninnen einen nicht unbedeutenden Einfluß auf die Lagesmode aus. Ein Fräulein Mayer, eine Madame Wintzcr, Madame Reiche z. B. sollen viel Zuspruch haben; bei der erstem hatte neulich sogar Victoria von England Be stellungen gemacht: gleich darauf drängte sich — trotz des Haffes zwischen Frankreich und Britannien — die vornehme Welt von Paris nach den Magazinen der deutschen Mode künstlerin; besonders besuchten sie viele junge elegante Herren, die den Damen ihrer Herzen kostbare Geschenke zu machen gewillt waren. So könnte man in der That auf Manchen den Vers Hcine's anwcnden: „Such' ihn nicht in der Hedwigkirch', Such' ihn bei Mamsell Mayer." Prinz Ludwig Bonaparte hat einen rührenden Brief an die Manen des Kaisers geschrieben und ihn nach Paris ge sendet. Die Statue auf der Bendomesäule soll mit dem Kopf geschüttelt und gekachelt haben; man ist noch in Zweifel, ob über seinen Neffen oder ob über die Franzosen. Die Toilette, sagt ein Msdcnblatt, ist nicht immer ein Vergnügen, sie ist für Manchen eine Arbeit, z. B. für eine» Mann von vierzig Jahren, der gefallen will; für eine junge Frau von dreißig Jahre», die einen Liebhaber an sich fesseln will; für eine dergleichen von fünf und dreißig Jahren, die einen neuen Liebhaber angeln will, und für ein Frauenzimmer, die das Unglück hat, häßlich zu sein. Die schlimmste Arbeit aber ist die Toilette für einen Mann, der nie in Gesellschaft geht und einmal gezwungen wird, in einer solchen en granrle tsnue zu erscheinen. Der Dom der Invaliden in Paris wird, wie fran zösische Zeitungen melden, trotz der eingetretenen starken Kälte noch täglich von einer Ungeheuern Menschenmenge besucht. Ein Piquet Municipalgarde zu Fuß und zu Pferd bildet auf zwei Seiten eine Haie, so daß das Publikum in zwei Colonnen getheilt eintreten muß. Das Innere des Doms ist fortwäh rend erleuchtet, wie am ersten Tage der Ccremonie, und die sechzehn Urnen, die um den Katafalk stehen, flammen unun terbrochen. Die Ehrenwache am Grabe des Kaisers ist mit Hellebarden bewaffnet, von denen dreifarbige Fahnen und schwarze Flore herabhängen. Lebensüberdruß der Engländer. Vor Kurzem wurde in Liverpool ein angeschwommener Leichnam aus dem Wasser gezogen, dessen Angehörige man nicht kannte, und der etwa eine Stunde am Ufer liegen blieb. Sogleich versammelten sich über hundert Personen, welche sämmtlich irgend einen Ver wandten oder Freund vermißten. Ein gelehrter Chinese. Vor Kurzem starb in Cal- cutta Herr M'Long-Kicwa, ein außerordentlich gelehrter Mann. Rach seiner Auswanderung aus China, das er wegen politischer Vergehungen verlassen mußte, war er zum Christen thum übergctretcn, hatte Theologie studirt und sich in seiner Fakultät den Doctorgrad erworben. Vorzugsweise hat sich Herr M'Long durch Uebersetzungen theils aus, theils in das Chinesische verdient und berühmt gemacht. Unter vielen an dern, meist griechischen und lateinischen Büchern, hat er auch die heilige.Schrift in seine Muttersprache übertragen. Er hinterläßt eine große Bibliothek, in welcher sich eine sehr be deutende Anzahl chinesischer Werke befindet. Auch ein englisch- chinesisches Wörterbuch hat der chinesische Doctor der Theologie geschrieben. Jules Janin, Vcr Schillcrfresser. Bei Gelegen heit der Aufführung der Maria Stuart auf einem Pariser Theater, d. h. einer schlechten Nachahmung des unsterblichen Stücks, spricht sich Jules Janin, der als Kritiker in Frank reich berühmte Jules Janin, der in Deutschland so oft höchst geistreich genannte Jules Janin, der uns als surbito empfoh lene Jules Janin, über Schiller und dessen Poesie aus: von dieser redet er mit einem mitleidigen Achselzucken, nennt sie hohl, unnatürlich, geschmacklos u. s. w. und läßt nicht un deutlich merken, daß Schiller ein sehr mittelmäßiger Kopf sei. Die Rachel (welche die Maria spielte), ruft er aus, ist von unser» Classikern auf Schiller herabgesunken! — Ist das nicht unverschämt und eben so dumm, als lächerlich? Großer Jules Janin, bleib' bei deinem Leisten! Die Sage von Friedrich dem Rothbart, nach welcher derselbe im Kiffhäuser an einem steinernen Tische schläft und alle hundert Jahre einmal erwacht, kennt jedes Kind. Weniger bekannt aber dürfte es sein, daß in srühern'Aeiten - diese Sage manchem Abcntheurcr Veranlassung gewährte, sich für den Kaiser Friedrich auszugebcn. Von Zeit zu Zeit erschien ein falscher Kaiser, um' die Zügel des Reichs zu ergreifen, sah sich aber natürlich bald auf die kläglichste Weise dcmas- kirt. Einen Barbarossa zu spielen, ist nicht so leicht. „Der letzte, welcher sich für Friedrich ausgab," so erzählt uizs Hofrath