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.?8I verdienten reichen Beifall, obgleich, wohl wegen der Jahres zeit, der Saal wenig gefüllt war. Das Borlcsungstalent macht sich in unserer Zeit immer mehr geltend; als ein Sur rogat der theatralische» Vorstellungen, die bekanntlich jetzt sehr ungenügend sind, werden Vorlesungen zum Bedürfnis;; in Familienkreisen ersetzt man sich den Genuß, den das Thea ter nicht mehr bietet, durch dramatische gemeinschaftliche Lek türe mit vcrtheilten Rollen, und mehr wie bisher, findet man gut vorlesende Dilettanten. Die Bildung, z. B. in Leip zig, hat sich von der Schauspiellogc in die Eonccrtsäle und die ästhetischen Salons zurückgezogen. Was ihr dort nicht mehr geboten wird, sucht und findet sie theilwcise hier. Dieß ist natürlich. Unter solchen Umstanden verdienen Talente, welche die Fertigkeit, gut vorzulesen, bis zur Kunst ausgebil det, um so mehr Theilnahme, Anerkennung und Ermunterung. Julius Schramm ist eins solcher Talente, er liest ver ständig, gemüthvoll, und, was hervorzuheben ist, hält sich immer innerhalb der ihm gezogenen Grenzen, ohne deshalb eine minder dramatische Wirkung hervorzubringen. Er bewegt sich zwischen dem Declamator und Schauspieler aus einer freien Grenzlinie und veranschaulicht uns das Werk, welches er vorträgt, bis zu befriedigender Klarheit. Bedenken wir, daß die Phantasie des Hörers hier nicht durch das Ungeschick thea tralischer Lohnbedientcr, plumpe Statisten u. s. w. und durch hundert andere bei einer Aufführung auf der Bühne mögliche Verstöße gestört wird, vielmehr ganz frei sich das ergänzen kann, was bei einer Vorlesung fehlt, so möchten wir behaup ten, daß die letztere, wenn sie ist, was sie sein soll, den Vor zug vor einer Theatervorstellung überhaupt verdient, jcdessalls aber das Kunstwerk harmonischer zu genießen gestattet, als diese. Julius Schramm las das Shakespcare'sche Stück mit würdigem Verständnis- des großen Dichters, und irren wir nicht, so verdankt er Tieck eine Manier (Manier im guten Sinne), die uns die einzig richtige scheint. Manchmal, be sonders in den komischen Scenen, glaubten wir den Meister Ludwig zu hören. Demungeachtet entfaltet Schramm seine Persönlichkeit mit vollkommener Freiheit; höchst rührend ist der Ton seiner Stimme in den zarten sehnsüchtigen Licbcs- parthiecn; die Sprache der Gräfin Olivia ist gewiß allgemein tief zu Herzen gedrungen. Die ausbrechcnde Leidenschaft schien er uns mitunter ein wenig stärker hervorzuhebcn, als nöthig, eben so die prosaische Rohheit der komischen Nebenfiguren und die Starrheit Malvoglio's. 2. H. Miszellen. Der Konstantinopolitanischc Markt Thcachissi, in der Nähe der Solimannschen Moschee, ist der Platz, wo die Opium- csscr sich dem Genüsse dieses wollüstigen Giftes hingebcn. Die Kaffeehäuser, in welchen sich die Theriakis oder Opium- esser versammeln, sind in einem großen Viereck belegen, und auf einer Bank außer dem Hause harren sie der Träumereien, die ihrer in Glut gesetzten Einbildungskraft die Gestalten der himmlischen Houris und Genüsse des Paradieses nach ihrer Vorstellung in voller Ueppigkeit vorführen. Ich hatte so manche einander widersprechende Beschreibung der Gefühle, welche diese Species hervorbringt, gehört, daß ich der Sache auf den Grund zu kommen beschloß, und demzufolge meinen Platz unter einem halben Dutzend Theriakis in einem Kaffee hause nahm. Ihre Geberden waren zum Erschrecken. Dieje nigen, die schon unter der völligen Einwirkung des Opiums standen, sprachen unzusammenhängend; ihre Gesichter glühe- tcn, ihre Augen hatten unnatürlichen Glanz, und der Ge- sammtausdruck ihrer Physiognomien war furchtbar wild. Die Wirkung erfolgt gewöhnlich innerhalb zweier Stunden, und hält vier oder fünf Stunden an. Die Dosis ist verschie den , zwischen drei Gran bis zu einem Drachma. Ich sah einen alten Mann vier Pillen, jede zu sechs Gran, im Ver lauf von zwei Stunden nehmen; er hatte, wie mir gesagt wurde, schon 25 Jahre lang Opium gegessen» was ein sehr seltener Fall ist, indem solche Leute selten über dreißig Jahr alt werden. Schrecklich ist die mit dieser Aufreizung verknüpfte moralische und physische Entkräftung; die Eßlust ist bald dahin, jede Fiber am Leibe zittert, die Halsnerven werden angegrif fen, und die Muskeln spröde, mehrere unter denen, die ich zu verschiedenen Malen an diesem Orte gesehen, hatten ver drehte Hälse und eingeschrumpfte Finger; trotzdem können sie von ihrer Angewöhnung nicht lassen; bis die Stunde kommt, wo sie ihre tägliche Dosis nehmen, sind sie elend und hinfäl lig, wenn diese aber zu wirken beginnt, so glüht und bebt Alles an ihnen. Einige machen vortreffliche Werse, andere halten die herrlichsten Reden an die Umstehenden, wobei sie sich für Kaiser halten, und im Besitz aller Harems der Welt zu sein glauben. Ich selbst machte den Versuch zuerst mit einem Gran, als dieses aber binnen anderthalb Stunden keine Wirkung hervorbrachte, da wollte der Kaffeehauswirth mir eine Pille von zwei Gran reichen, ich aber ließ es mit einem halben Gran bewenden, dem ich, als ich eine halbe Stunde später auch noch nichts von einer anwandelnden Träumerei verspürte, noch ein halbes Gran nachschickte, folglich in Zeit von zwei Stunden zwei Gran genommen hatte. Drittehalb Stunden nach der ersten Dosis nahm ich noch zwei Gran, und nun währte es nicht lange, so fühlte ich alle- meine Gei ster aufgeregt, das liebliche des Gefühls schien in einer allge meinen Expansion des Geistes zu liegen. Meine Fähigkeiten waren wie erweitert; Alles, was ich sah, erschien mir in grö ßerem Umfange; wenn ich die Augen schloß, hatte ich das Vergnügen nicht, was ich empfand, wenn ich sie offen hielt; es bäuchte mir, als ob es nur äußere Gegenstände wären, auf welche meine Einbildungskraft einwirkte, und sie zu Bildern der Lust verschönerte, kurz, cs war, „die hinschwindendc Musik eines Traums" bei offnen Augen. Ich eilte so schnell als möglich nach Hause, bei jedem Schritte befürchtend, daß ich eine Extravaganz begehen würde. Im Gehen bemerkte ich kaum, daß meine Füße die Erde berührten, die Straße ent lang, und als ob mein Blut aus irgend einem ätherischen Fluidum bestände, das meinen Körper leichter machte, als die Luft. So wie ich mein Haus erreicht hatte, legte ich mich zur Ruhe. Die ganze Nacht umschwebten mich Bilder der