Volltext Seite (XML)
I84Z Beiblatt zue Eilpost für Moden ^23. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 20. Mai 1841. Die Mode hat sich während der jetzigen Saison getreulich die Natur zum Vorbild genommen, d. h. sie sucht etwas darin, so einfach, als möglich, und ohne Koketterie, und dennoch in dieser Einfachheit glänzend, edel und anmuthig zu sein. Das ist die schwerste Aufgabe, welche sie sich stellen konnte, aber die Mode ist nicht unausführbar, sie vermag Alles, darum leitet sic uns auch Alle am Gängclbande. Ich wollte, mancher verstände so gut zu herrschen, wie sic; sie kennt die Neigungen, Bedürfnisse und die Launen der Men schen durch und durch; sie erscheint selbst immer launisch und wechselvoll, sie verschmäht es nicht, tausend kleine Inkonse quenzen zu begehen, um eine große Consequenz desto sicherer verfolgen zu können. Sie gebietet unumschränkt, ohne daß es ihre Unterthanen merken; sie hat ihren eigenen Willen und scheint Jedermanns Willen zu thun; sie legt uns täglich neue Pflichten und Lasten auf, aber so, daß wir glauben, sie gebe uns täglich neue Rechte und Privilegien. Sie zwingt den Weisen unter ihr Joch und macht den Narren zu ihrem Sclaven, der sich in seiner Sklaverei als den freisten Mann fühlt. Sie erscheint im Salon, auf den Promenaden, im Theater, in Eoncerten und in der Kirche; sic zieht mit auf das Land, in die harmlose Stille der Natur und schleicht sich bis in die innersten Gemächer. Sie ist wach bei Tag und bei Nacht, sie verläßt uns selbst dann nicht, wenn wir allein sind; ihr entgeht kein Geheimniß, jeden kleinsten Umstand benutzt sie zu ihren Zwecken, wer ihr einmal einen Finger gegeben, muß ihr die ganze Hand lassen, und wenn sich ja Jemand von ihr zurückziehen wollte, der würde wie ei» Ver lassener in der Wüste umherwandeln, er müßte sich zwischen den Mauern eines Klosters begraben lassen, und wer weiß, ob die Allmächtige auch nicht hier ihre Herrschaft geltend macht. Kurz, kein civilisirter Mensch kann ohne sie bestehen. Was sie will, müssen wir wollen, und glücklich ist der, wer immer will, was er muß. Jetzt will sie die einfache Pracht oder die prächtige Einfachheit. Dieß als Einleitung zu meinem folgenden Bericht. Die Hüte trägt man jetzt meist in der Form von Capots. Strohhüte haben den Vorrang vor allen, theils von italieni schem, rheils von anderem Stroh. Man pflegt sie mit Erep oder Taffetas zu füttern; der Crep ist jedoch eleganter und besser. Madame Baren ne ist für diesen Artikel sehr cm- pfehlenswerth; sie weiß den Hüten einen ganz eigenen Charakter zu geben, sei es nun, daß sic dieselben mit schlichtem Band, wie die Morgenmützchen, oder mit langen wallenden Federn, oder mit künstlichen Blumen aus Constantin's Fabrik verziert. Die Hüte und die Capots von Crep haben eine verdiente Be liebtheit; der Capot von weißem Crep ist fast eine Negligö- kopfbedcckung und doch wird er eben so gern getragen, wie der von Mousselin. Capots von farbigem Crep werden denen von Taffetas vorgezogen, weil sie leichter und haltbarer sind. Nichts ist in der Thal solider, als ein gutgemachter Crephut; er verliert niemals die Faoon; er nimmt keinen Staub an; er giebt nach im Gedränge und kehrt leicht in seine frühere Form zurück. Dieß ist zum Beispiel bei den Taffetashüten gar nicht der Fall; sind sie einmal verbogen, so bleiben sie es, so glänzend sie auch erst ausgesehn; jede Berührung giebt ihnen den Todesstoß; das hat Madame Baren ne wohl ein- gesehcn; bei ihr erhält man dergleichen Capots, die ebenso bequem auf dem Kopfe sitzen als zum Gesichte wohlstehen. Die Hüte von Lemo n ier - P e l v ey sind ebenfalls sehr hübsch; er hat sie von citronengelben Crep, zur Hälfte bedeckt mit einem Halbschleier, ohne alle Bandverzierung Die weißen Crephüte schmückt er mit einem breiten Besatz von Lila. Die Abendhüte erhält man am besten bei Maurice Beauvais; unter ihnen muß man besonders die kleinen Hüte von apri- kosenfarbenem Crep mit einer langen gewundenen Feder und die von weichem Crep mit Marabouts hervorheben, welche letztere ein Bouquet von Rosen oder andre Blumen über schatten. Fräulein von Moismont hat eine sehr schöne Robe von rosenfarbenem Pekin, mit Rouleaur garnirt, gefertigt. Diese Robe ist von so einfachem Schnitt, daß es wahrhaft bewun- drungswürdig ist, wie sie so reizend sein kann. Sie ist eine einzige Sommcrtracht. Die Aermel sind kurz und anliegend, ebenfalls mit Rouleaur umgeben, und das Leibchen drapirt. Bei derselben Künstlerin sind allerliebste Roben von Tarlatane, von glacirtem Taffetas, von Pekin, alle mit kurzen Aermcln, zu haben. Madame Dcbaisicur hat eine Hochzeitrobc ge macht, welche höchst einfach und zugleich so prächtig wie möglich ist, das Kleid ist von Spitzen von äußerster Feinheit, ganz mit weißem Atlas gefüttert, die Jupe ist verhältniß- mäßig lang nach hinten zu. Die Aermel sind lang und geben dem Costum einen gewissen Ernst, eine vorzügliche Würde. Die Aermel sind so geschlossen, wie das Corsage, mit Perlen knöpfen, umgeben von Edelsteinen. Um den Hals trägt die Braut das Kreuz ebenfalls von Edelsteinen an einer mehr fach geschlungenen goldenen Kette. Ihr großer Spitzenschleicr ! bedeckt den größten Lheil der Coiffürc und fällt tief herab